Die Vertreibung der Massai

Sie gelten als das stolze Krieger-Volk Ostafrikas; Die Massai! Beheimatet vornehmlich im Süden Kenias und Tansania ist nicht genau bekannt, wie viele Menschen dieser Volksgruppe zugehören. Bei Volkszählungen etwa in Kenia geben viele ihre ethnische Zugehörigkeit nicht an, da sie mögliche Diskriminierungen deshalb befürchten. Das ist in Tansania nicht der Fall. Schätzungen belaufen sich auf 430-500.000. Das Volk selbst wird in 16 Untergruppen („Iloshons“) unterteilt und lebt in der Serengeti. Um genau zu sein: In den Nationalparks Masai Mara und Amboseli in Kenia bzw. der Region Arusha in Tansania. Und bei letzterer liegt das Problem: Die 37.576 Quadratkilometer grosse Region wird seit Jahren zur Touristenhochburg ausgebaut – für Safari-Touren und zahlungskräftige Jäger. Dabei stehen die Massai mit 14 ihrer Dörfer im Weg!

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So pervers es klingen mag: Rund 70.000 Massai werden in Tansania immer mehr zugunsten des Naturschutzes vertrieben! Damit nämlich diese Tourismuspläne umgesetzt werden können, werden grosse Teile der Arusha-Region zu Naturschutzgebieten erklärt. In dieser „Game Controlled Area“ sind Wildtiere geschützt, dürfen aber geschossen werden. In solchen Naturschutzgebieten allerdings dürfen keine Menschen leben – auch nicht die Massai, die diese zumeist karge Savanne als Weideland nutzen. Die Rinderherden würden zudem den Wildtieren das Wasser entziehen. Als ein Gericht im August 2023 diese präsidiale Anordnung der Game Controlled Area ausser Kraft setzte, reagierte die tansanische Regierung prompt und benannte das Gebiet um in ein „Game Reserve“, wo auch Touristen willkommen sind, die nicht jagen wollen.

Alles begann vor rund drei Jahren, als am 07. Juni 2022 die ersten 700 Sicherheitskräfte, bestehend aus Militärs, Polizisten, Paramilitärs und Ranger, in der Stadt Loliondo eintrafen, um die Behörden bei den Grenzmarkierungen von rund 1.500 Quadratkilometern zu unterstützen. Am 09. Juni, also zwei Tage später, gingen örtliche Gemeindemitglieder aus den betroffenen Dörfern Ololosokwan, Oloirien, Kirtalo und Arash (nahe des Ngorongoro-Kraters) dagegen auf die Strasse und entfernten die Markierungen wieder. Sie wurden mit Schusswaffen und Tränengas zurückgedrängt. Dabei wurden zahlreiche Protestierende verletzt – viele trugen auch Schussverletzungen davon. 24 Massai (darunter einige Dorfälteste) wurden festgenommen. Ihnen wurde Verschwörung zum Mord an einem Polizisten vorgeworfen. Das konnte jedoch durch Rechtsbeistände (finanziert unter anderem durch Menschenrechts-organisationen) widerlegt werden. Die Betroffenen wurden wieder frei-gelassen.

Die Massai waren durchaus im Recht, schliesslich verstiessen diese Grenzmarkierungen gegen den Richterspruch des Ostafrikanischen Gerichtshofes sowie die Menschenrechte. So können die Massai durch die Vertreibung aus ihren Dörfern nicht mehr ihrem normalen, traditionellem Leben nachgehen, da ihnen die Grundlage dafür entzogen wird. Viele Massai sind aufgrund der Vorfälle nach Kenia geflohen, möchten aber selbstverständlich wieder zurück in ihre Heimat, wo sie geboren wurden und seit Jahrhunderten vornehmlich als Viehzüchter tätig sind. Dabei leben sie stets im Einklang mit der Natur, auch mit den Wildtieren.

Recherchen von in Tansania nicht gerne gesehenen Journalisten ergaben, dass bereits in den 1990er Jahren ein Unternehmen aus Dubai (Otterlo Business Corporation OBC) Lizenzen für Grosswildjagden erworben hatte. Dem folgte nun ein Pachtvertrag für die Arabischen Emirate, die die inzwischen aufgestellten Luxusressorts und ein eigens gebautes Flugfeld zu diesen Zwecken nutzen. Die Regierung Tansanias erhält nun nicht nur die Pachteinnahmen, sondern auch die Gebühren aus den Lizenzen für Abschussfreigaben. Dabei soll es den betuchten Scheichs möglichst leicht gemacht werden, die Abschussquote zu erfüllen. Somit seien die Rinder-herden im Weg, da sie die Wildtiere vertreiben würden.

Doch sind die Emirate auch neben dem Tourismus in Tansania engagiert: Auf rund acht Prozent der Fläche des Landes soll der ökologische Fussabdruck von Dubai durch CO2-Projekte verringert werden.

Und schliesslich: Ein chinesischer Investor hat sich den Ngorongoro-Krater angeeignet. Gut eingezäunt wurden Touristencamps errichtet. Willkommen sind nur jene, die für den Einlass bezahlen. Partner dieses Projektes sind seit 50 Jahren auch die deutsche Bundesregierung und die Zoologische Gesellschaft Frankfurt.

Nach wie vor sind Gerichtsverfahren anhängig, die wertvolle Zeit verschlingen. So werden etwa in Ngorongoro ganze Massai-Rinderherden von schwer bewaffneten Wildhütern konfisziert und schliesslich verkauft, wenn diese zu Wasserstellen getrieben werden. Viele der Massai haben dadurch ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Jenen Massai, die Ackerflächen besitzen, wurde die Bewirtschaftung ihrer Felder untersagt – gleichzeit stiegen Preise für importierten Reis und Bohnen in astronomische Höhen. Gelder etwa für wichtige infrastrukturelle Massnahmen in den Massai-Gebieten wurden gestrichen. Die Regierung unternimmt wirklich alles Erdenkliche, das Volk aus dieser Region zu vertreiben. Auch die Ärzte des medizinischen Flugdienstes mussten im April 2022 ihre Betreuung einstellen, nachdem den Piloten die Flug-lizenzen entzogen wurden.

Als Vertreter der UNESCO in Arusha eingetroffen sind um die Zustände im „Weltkulturerbe Serengeti“ zu überprüfen, erhielten sie nur Regierungs-termine und somit einen mehr als einseitigen Blick auf die Situation. Die Massai wurden nicht in den Gesprächen gehört. Das Europäische Parlament hat am 14. Dezember 2023 die Regierung Tansanias in der „EU-Resolution gegen die Vertreibung der Maasai aus dem Ngorongoro-Naturschutzgebiet und dem geplanten Schutzgebiet in Loliondo“ aufge-fordert, die gewaltsamen Vertreibungsversuche einzustellen. Hierzu hiess es vonseiten der Regierung, dass man den Massai durchaus Ersatz-wohnungen angeboten habe.

Übrigens: Im Landnutzungsplan 2023 für Ngorongoro sind keine Massai-Dörfer und -Weideflächen mehr für diese Region enthalten. Der Plan regelt die Landnutzung des Gebietes bis 2043, er wird vom dortigen Bezirksrat abgelehnt! Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die offenbar an der Erstellung dieses Planes beteiligt war, streitet eine Rolle an den Gebietsmarkierungen von Loliondo ab – allerdings betonen die Massai, dass mit den Stiftungsgeldern und den Entwicklungsgeldern der deutschen Bundesregierung zwar keine Waffen angeschafft werden, dafür jedoch Fahrzeuge und Verwaltungsgebäude errichtet werden. Dass es sich um keine Peanuts handelt – 2023 belief sich der Förderbetrag auf 30,5 Mio Euro (29,5 Mio als Hilfe der Bundesrepublik)! Davon wurden für den zuvor angesprochenen Nutzungsplan rund 220.000 € ausgegeben. Die meisten der Gerichtsprozesse wurden durch den Maasai-Anwalt und Weimarer Menschenrechtspreisträger Joseph Oleshangay ausgefochten, der auch nicht von einem Protest vor dem Gebäude der ZGF in Frankfurt zurückschreckte, um auf die Zustände in Tansania hinzuweisen. Er musste sein Heimatland 2024 auf Druck der Regierung verlassen. Von Oleshangay war auch zu erfahren, dass die angebliche Ersatzsiedlung für die Massai im 600 km entfernten Msomera errichtet worden sei. Bis 2026 sollen die Naturschutzgebiete auf 50 % der Landfläche Tansanias erweitert werden, damit würden mehr als 300.000 Massai vertrieben. Der Beitrag Deutschlands für den Naturschutz ist zwar sehr hehr – doch offenbar weiss man in Berlin und Frankfurt nichts davon, dass dieser Naturschutz tatsächlich eine Wirtschaftsmassnahme der tansanischen Regierung darfstellt. Und zum Thema Massai-Vertreibung schweigt man sich tunlichst aus. Anfang 2024 wurden die 29,5 Mio um weitere neun Mio aufgestockt.

Lesetipps:

.) Waters of the Sanjan. A Historical Novel of the Masai; David Read/Pamela Brown; Selbstverlag 1982

.) Bwana Game; George Adamson; Hoffmann und Campe 1969

.) Die weisse Massai; Corinne Hofmann; A1 Verlag 2000 (2005 auch verfilmt)

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