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Agrarpatente – irgendwann hört der Spass auf!

Ein durchaus umstrittenes und damit heisses Thema, über das ich heute informieren möchte: Patente auf Tiere und Pflanzen! Angeschnitten habe ich dieses Thema bereits im meinem Text über die alten Sorten. Der damalige Saatgut-Riese Monsanto (heute zur deutschen Bayer AG gehörend) wollte damals Patente auf all seine Produkte, sodass die weltweite Landwirtschaft praktisch nurmehr die von ihm hergestellten Waren benutzen und dafür natürlich Lizenzen bezahlen sollte. Das wäre das Ende von Eigenzüchtungen und damit auch der alten Sorten gewesen.

Was aber hat sich seither geändert? Vieles, gleichzeitig aber eigentlich doch nichts! Ein kleines Beispiel? Am 15. Oktober 2024 wurde der Einspruch von „Keine Patente auf Saatgut“ gegen das Patent auf kälte-toleranten Mais der Firma KWS (EP 3380618) zurückgewiesen, obgleich Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Pflanzensorten in der EU nicht zulässig sind. KWS hatte das Patent im Jahre 2016 angemeldet, um damit auch Mais in nördlicheren Regionen anbauen zu können. Das ist alsdann die Begründung des Europäischen Patentamtes (EPA): Das Verbot ist nur auf Patente anzuwenden, die nach dem 01. Juli 2017 ange-meldet wurden! Sehr schwer zu verstehen!

Gegenbeispiel: Am 30. Oktober 2018 widerrief das EPA in München den Patentschutz auf ein Patent, das 2013 auf den „Super-Brokkoli“ von Monsanto (EP 1597965) erteilt wurde. Dieser Brokkoli ist eine besonders langhalsige Pflanze, damit sie besser geerntet werden kann. Schon 2014 protestierten Patent-Gegner vor dem EPA und überreichten 75.000 Unterschriften. Gemeinsam mit einem Konkurrenten Monsantos legten sie Einspruch gegen das Patent ein und erhielten Recht.

Der Widerruf des Patents erfolgt als Konsequenz der Umsetzung dieser Regelung in die Praxis.“

(Rainer Osterwalder, Pressesprecher des EPAs)

Im Speziellen geht es dabei um die Erteilung von Patenten auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung. Dennoch hatte das EPA bis November 2018 rund 80 solcher Patente erteilt (Pflanzen und Produkte daraus). Soll heissen, wenn der Kleingarteninhaber oder Bio-Bauer ohne der Hilfe der Gentechnik eine neue Züchtung präsentiert und diese als Patent anmelden möchte, so sollte dies rechtmässig eigentlich nicht möglich sein. Diese Regelung aber gilt nicht für gentechnische Änderungen in der Züchtung – diese sind nach wie vor patentierbar. Der angesprochene US-Konzern jedoch ist selbstverständlich bekannt für seine konventionellen Züchtungen! Hätten sie damals die gentechnische Veränderung einge-standen, so wäre dies unter den Patentschutz gefallen. Doch: Gentech-nisch veränderte Pflanzen und deren Produkte müssen in der EU eindeutig gekennzeichnet sein. Stellt sich nun die Frage, wieso dieser Brokkoli als konventionelle Züchtung patentiert wurde?!

Zurück zum kältetoleranten Mais! Er stammt angeblich tatsächlich aus der konventionellen Züchtung! Das Unternehmen spricht von „Zufallsmuta-genese“ – die gentechnisch relevanten Anlagen wurden in bereits existierenden Pflanzenlinien entdeckt, die schon seit längerer Zeit zur Züchtung eingesetzt werden. Stellt sich hier erneut eine Frage: Wieso wurde der spezielle Mais patentiert, wenn er aus konventioneller Züchtung stammt?!

Und jetzt kommt der Knackpunkt: Besteht kein Patent, so können Züchter ohne Problem auf Züchtungsmaterial (Saatgut) zurückgreifen – das ist das „Züchterprivileg“. Und nun sind wir wieder dort, wo Monsanto damals die EU haben wollte: Dem Saatgut-Monopol! Besteht ein solches Agrar-Patent, so dürfen Zuchtunternehmen, aber auch kleine Garten-Züchter nurmehr auf das Saatgut des Patentträgers zurückgreifen und müssen selbstverständlich dafür bezahlen.

Grietje Raaphorst-Travaille vom niederländischen Zuchtunternehmen Nordic Maize Breeding bringt die Problematik auf den Punkt:

Vermutlich wurden diese Pflanzen bereits jahrelang zur Zucht eingesetzt, bevor das Patent angemeldet wurde. Es scheint jetzt unklar, ob Pflanzen mit diesen Erbanlagen auch in Zukunft zur Zucht frei verwendet werden können. Wir können unsere Sorten nicht einmal nach den speziellen Genabschnitten durchsuchen, weil sogar die entsprechenden Nachweisverfahren patentiert wurden. Derartige Patente können der konventionellen Züchtung den Boden unter den Füßen wegziehen.“

Soll heissen, dass Züchter, die dieses Saatgut seit Jahren verwenden, plötzlich dafür bezahlen müssen – möglicherweise gar rückwirkend! Ansonsten ist der weitere Anbau – und damit auch die weitere Gewinnung von Saatgut – verboten und zieht sehr hohe Strafen mit sich!

Im Jahr 2024 erteilte das EPA 20 neue Patente auf konventionelles Saatgut – wie ist das möglich? Insgesamt sind rund 1.300 Pflanzensorten von derartigen Patenten betroffen, die es eigentlich gar nicht geben dürften.

Das Europäische Patentamt und die Saatgut-Industrie zerstören mit diesen Patenten die Grundlagen der europäischen Pflanzenzucht. Noch nie war der Zugang zu konventionell gezüchteten Pflanzensorten so stark durch Patente behindert wie heute!“

(Johanna Eckhardt von Keine Patente auf Saatgut!)

Bereits 2023 erteilte das EPA 20 Patente auf Pflanzen konventioneller Züchtungen – dabei u.a. Gurken, Mais, Melonen, Paprika, Raps, Spinat, Tomaten und Weizen. Nach Angaben von „Keine Patente auf Saatgut!“ waren etwa folgende Unternehmen die Nutzniesser davon: Nunhems/BASF, Enza Zaaden, KWS, Rijk Zwaan, Seminis/Bayer und ChemChina/Syngenta. Der österreichische Verein Arche Noah erklärt, wie dies möglich ist: Damit eine Patentierung umgesetzt werden kann, werden in der modernen Gentechnik mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas spezielle Merkmale konventioneller Pflanzen kopiert. Diese Patente, die dann mit Hilfe der Gentechnik erzielt wurden, beschränken sich jedoch nicht nur auf die Gentechnik sondern – wie bereits kurz angesprochen – auch auf die Erfolge der konventionellen Züchtung durch Zufallsmutationen. Jene Züchter müssen dann Lizenzgebühren entrichten, obgleich die Züchtung möglicherweise sogar von ihnen selbst gemacht wurde. Ansonsten ruft der Richter.

Sehr peinlich ist in dieser Hinsicht das Moratorium des EPAs zur Prüfung von Patenten auf Pflanzen und Tiere. Nachdem das EU-Patentamt 2018 bemerkt hatte, dass widersprüchliche Entscheidungen bei der Prüfung von Saatgut gefällt worden sind, wurden die Prüfungen derartiger Patentanträge ab Anfang 2019 ausgesetzt. Ein Jahr später allerdings hob der Präsident des Europäischen Patentamtes, António Campinos, diese Aussetzung auf, obgleich nach wie vor viele Unklarheiten bestanden. Im Mai 2020 bestätigte die Grosse Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes, dass Pflanzen und Tiere aus herkömmlichen Züchtungs-verfahren nicht patentiert werden dürfen. ÄHM!? 2018 wurden Einsprüche etwa auf Patente durch herkömmliche Züchtung der Firma Carlsberg (Gerste und Bier) abgewiesen. Dem Schreiberling dieser Zeilen sei hierzu das Zitat eines Bibelspruches erlaubt: „ …, sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23:34, Lutherbibel 1912).

Das Patentrecht wird sonst dazu missbraucht, um sich Kontrolle über die Landwirtschaft und die Grundlagen unserer Ernährung zu verschaffen.“

(Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuer-liche Landwirtschaft AbL)

Und damit wieder zurück zum Anfang: Das Urteil, wonach Patente, die vor dem 1. Juli 2017 eingereicht wurden, nicht beeinsprucht werden können, ist kontraproduktiv! Damit bleibt eine Vielzahl der Patente, die eigentlich widerrechtlich zugelassen wurden, bestehen. Hier müsste das EPA von amtswegen tätig werden und das Patent neu überprüfen.

Die vorhergehende Umweltministerin Österreichs, Leonore Gewessler (Grüne), sieht den Alpenstaat federführend in der EU – zumindest in dieser Problematik auf dem durchaus richtigen Weg:

„ … fortschrittliche Regeln, die Patente auf Leben verhindern und sicherstellen, dass die heimische Landwirtschaft geschützt ist”

Applaus hierzu kommt etwa von Saatgut Austria, aber auch der Arche Noah:

Die österreichische Bundesregierung zeigt mit dem neuen Patentrecht vor, wie ein wirksamer Ausschluss von der Patentierbarkeit aussieht. Österreich wird damit Vorreiter in Europa!“

(Volker Plass, Geschäftsführer von Arche Noah)

Ende vergangenen Jahres wurde durch die deutsche Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ein Gutachten vorgelegt, das am 9. Dezember 2024 auch dem EU-Parlament vorgestellt wurde. Es kommt zu dem Schluss, ob entsprechende Vorlagen des EU-Parlaments und des EU-Ministerrates real überhaupt umsetzbar sind. „Keine Patente auf Saatgut“ begrüsst im Grossen und Ganzen den Vorstoss der deutschen Grünen, kritisert jedoch dabei, dass internationale Verträge abgeändert werden müssten, um ein solches Ziel zu erreichen – so beispielsweise das „Europäische Patentübereinkommen“ (EPU). Hier gehe das Gutachten zu wenig differenziert vor, wodurch erneut zu viele rechtliche Spielräume offen blieben. Ohne einen solchen weiteren politischen Schritt bleibt es wohl vorerst bei Lippenbekenntnissen, wie etwa dem 2. Patenten-Vorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft zu neuen Gentechniken vom 6. Februar 2025, in dem nach Meinung des AbL mehr den Wünschen und Vorstellungen der Patentinhaber und Konzernen entsprochen wird, als jenen der mittelständischen Pflanzenzüchter.





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Diesen nachfolgenden Blog habe ich am Vormittag des 21. Junis 2025 online gestellt! Dass der US-Präsident noch am selben Tag den Einsatzbefehl gegeben hat, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht voraus-sehen!

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Iran/Israel – das Pulverfass explodiert gerade

„Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle!“

(Friedrich Merz, deutscher Bundeskanzler im ZDF)

Dieter Hallervorden und 20 weitere haben den dt. Bundeskanzler inzwischen für diese Aussage angezeigt, obwohl sie ihm ja quasi auf dem Präsentierteller vorgelegt wurde.

Es ist ein offener Schlagabtausch, der seit nunmehr etwas mehr als einer Woche zwischen Israel und dem Iran stattfindet – zumeist über den Köpfen der Bevölkerung des Iraks, Syriens, Jordaniens bzw. Saudi Arabiens hinweg. Diese Staaten liegen nämlich zwischen den beiden Kriegsparteien.

Lange ist die Eskalation befürchtet worden, nun ist sie eingetreten. Begonnen durch die Luftangriffe auf Atomanlagen (wie Natans und Fordo), Atomwissenschaftler und ranghohe Offiziere der Revolutions-garden. Es waren Punktangriffe – das hat sich inzwischen geändert: Hat offenbar der israelische Geheimdienst Mossad erst gute Arbeit bei der Weiterleitung der Koordinaten geleistet, spricht die NGO „Human Rights Activists News Agency (HRANA)“ inzwischen (seit Beginn bis zum 20. Juni) von 263 getöteten Zivilisten (bei ingesamt 657 Toten. Der Iran antwortete ebenfalls mit Drohnen und Raketen, dabei wurden die ersten Menschen in der Zivilbevölkerung getötet. Israel nimmt zwar auch weiterhin vornehm-lich die Atom- und Rüstungsanlagen unter Beschuss, bei Angriffen auf Militärs und Wissenschaftlern jedoch nimmt man durchaus auch Kollateralschäden in Kauf. Der Unterschied: Israel besitzt viele Bunker – wenn nicht gar die meisten im internationalen Ländervergleich. Die Mullahs in Teheran hingegen liessen und lassen die Bevölkerung im Stich – und dies obgleich sie seit der Machtübernahme der Mullahs eine ständige Aggressionspolitik verfolgen und den internationalen Terro-rismus unterstützen. Somit sollte eigentlich davon ausgegangen werden, dass irgendwann ein solcher Erstschlag erfolgt. Bereits in der ersten Amtszeit Trumps tötete eine US-Drohne des Typs MQ-9 Reaper am 03. Januar 2020 den iranischen Divisionskommandanten Qasem Soleimani sowie den irakischen Brigadegeneral Abu Mahdi al-Muhandis, einen Hisbollah-Führer und fünf weitere Personen. Der Angriff erfolgte zwar im Irak, hätte aber durchaus auch im Iran stattfinden können. Nach ständigen Drohungen zwischen Teheran und Tel Aviv sowie der Unter-stützung der Terrormilizen Huthi, Hamas und Hisbollah bei derem Kampf gegen Israel musste man wohl auch davon ausgehen, dass dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Netanjahu der Kragen platzt. Somit ist diese Nicht-Vorsorge eine grobe Vernachlässigung gegenüber der iranischen Bevölkerung. Jene, die es sich leisten können, fliehen deshalb über die Grenzen um sich in Sicherheit zu bringen.

So pervers es klingt, doch sehen iranische Regimegegner im Exil nun eine Chance zum Neuanfang in ihrem Land. Das allerdings gehe nur mit der Bevölkerung, die seit der Revolution im Jahre 1979 v.a. unter den geist-lichen Führern von damals (Ayatollah Ruhollah Khomeini) bis heute (Ayatollah Khamenei), aber auch den weltlichen Präsidenten von Abol-hassan Banisadr bis zum heutigen Massud Peseschkian (die stets im Schatten der geistigen Führer standen) zu leiden hatte.

Offiziell ist der Iran eine Islamische Republik, inoffiziell allerdings eine Autokratie der Mullahs. Widerrufe werden im Keim erstickt, Demons-trationen mit Gewalt niedergeschlagen, Kritiker verhaftet und gefoltert sowie oftmals auch hingerichtet. 2024 wurden nach Angaben der UNO mindestens 975 Menschen hingerichtet – im Revolutionsjahr 1979 waren es 900! 16 Journalisten sind inhaftiert, wie viele politischen Gegner zudem ist nicht bekannt. Gehen Frauen auf die Strasse, um gegen etwa die Todesstrafe zu demonstrieren, werden sie festgenommen und Körperstrafen oder gar Todesurteile über sie verhängt. Apropos Frauen: Sie dürfen erst seit 2019 wieder an Sportveranstaltungen aktiv und passiv teilnehmen. Hierfür gab es zwei Anlässe: Die Selbstverbrennung von Sahar Chodayari, die sich als Mann verkleidet am 12. März 2019 ins Fussballstadion schlich, um das Spiel ihres Teams Esteghlal Teheran gegen al-Ain (VAE) in der asiatischen Champions League zu verfolgen. Sie machte ein Selfie und setzte es in die Sozialen Medien . Ein Riesenfehler! Es dauerte nicht lange bis sie festgenommen wurde. Sie sollte für ein halbes Jahr ins Gefängnis. 90 % ihrer Haut wurden bei ihrem Selbstmord verbrannt – einige Tage später starb sie. Und zum Zweiten kämpfte die Tochter des ehemaligen Präsidenten Rafsandschani, Faezeh Haschemi, als Politikerin und Sportfunktionärin für das Recht der Frauen am Sport.

Das Internet im Iran war zwar vor dem Beginn der gegenseitigen Angriffe freigegeben, unterlag aber ebenfalls wie Zeitungen, Radio und Fernsehen der staatlichen Zensur.

Rund 80 % der iranischen Wertschöpfung wird von religiösen Stiftungen (Bonyads) kontrolliert. Die grösste davon ist die Āstān-e Qods-e Razavi, die mehrere Banken, Hotels, Geschäfte, Fabriken, aber auch Museen und Bibliotheken betreibt. Sie macht jährlich einen Umsatz von rund 14 Milliarden Dollar. Obgleich die Regierungen seit 2001 an Privatisierungen arbeiteten, bestand hier kein wirklich grosses Interesse daran. Erst 2008 griffen verschiedene Kommandeure der Iranischen Revolutionsgarden zu.

Alles somit durchaus Erscheinungsbilder autokratisch regierter Staaten oder gar Diktaturen, die häufig auch durch UN-Resolutionen scharf kritisiert wurden. Deshalb sehen Regimekritiker wie Nasrin Sotudeh (die Trägerin des Alternativen Nobelpreises und des EU-Menschenrechts-preises) eine gute Chance für einen Regimewechsel im Iran. Nach den Angriffen Israels sind viele Führer nicht mehr vorhanden, die Herrschaftsklasse ist geschwächt. Auch aus militärischer Sicht betonen viele Experten, dass der Iran angezählt ist. So wurden viel Geld und Waffen in die Terrormilizen investiert, die selbst derzeit geschwächt sind. Und weitere Waffen (v.a. Drohnen) wurden nach Russland geliefert. Werden nun auch die Einnahmequellen vornehmlich aus der Erdöl-förderung abgeschnitten, da durch Raketeneinschläge für längere Zeit ausser Funktion gesetzt, so verliert das derzeitige Mullah-Regime auch den wirtschaftlichen Hintergrund. Hauptabnehmer des iranischen Erdöls waren übrigens bislang China und Indien.

Anlass zu Spekulationen gaben diesbezüglich zwei Regierungsflüge mit Maschinen der Airline „Meradsch“ von Teheran nach Maskat/Oman am 18. Juni des Jahres. Der Oman hatte einst im Atomstreit der USA und dem Iran vermittelt. Gerüchte nun meinen, dass hochrangige Regierungs-mitglieder ausgeflogen wurden. Bislang liegen keine Erklärungen des Iran und des Omans vor. Sollte es jedoch tatsächlich zu einem Regimewechsel kommen, so bestht die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass hochange-reichertes Uran in falsche Hände kommen könnte.

Entscheidend wird wohl die Position der USA in diesem Konflikt sein. Trump lässt keine Zweifel darüber aufkommen, dass sie in den Kriieg eingreifen werden. Zwei Flugzeugträger und mehrere Zerstörer der Navy wurden in die Region verlegt. Tankflugzeuge, die Langstreckenbomber in der Luft auftanken sollen, stehen ebenfalls bereit. Werden diese aktiv in den Konflikt eingreifen, oder unterschtüzen sie das Flugabwehrsystem Israels (dieses Mal vornehmlich „Arrow“ für die Langstreckenangriffe, daneben gibt es noch den „Iron Dome“ für Kurz- und „David’s Sling“ für die Mittelstreckenangriffe), dem langsam die Abwehrraketen auszugehen drohen. China hat seine Bürger bereits aus dem Iran evakuiert, andere Länder ebenfalls. Trump empfahl der iranischen Regierung die Kapitulation, Ayatollah Ali Chamenei hat dies selbstverständlich abge-lehnt. Er warnte auch andere Staaten davor, in den Konflikt einzugreifen.

Stein des Anstosses ist übrigens das iranische Atomprogramm. So ist es dem Land international erlaubt, Uran für den Gebrauch in Atom-kraftwerken, nicht jedoch für den Bau von Atomwaffen anzureichern. Dieses Atomabkommen cancelte Trump bereits während seiner ersten Amtszeit und verhängte Sanktionen gegen das Land und führende Regierungs- und Wirtschaftsmitglieder. Er ging gar so weit, Ländern zu drohen, die nach wie vor mit dem Iran Geschäfte machten. Für diese Urananreicherung sind Zentrifugen notwendig. Diese soll Israel immer wieder unter Beschuss genommen haben. Teilweise jedoch sind sie unterirdisch bzw. durch Bunker geschützt. Hat Israel also sich selbst und den Nahen Osten durch diesen eindeutig völkerrechtswidrigen „Präventiv-schlag“ geschützt? Oder hat der Chef der Internationalen Atomenergie-behörde IAEA, Rafael Grossi, recht, wenn er behauptet, dass keine Beweise für den systematischen Versuch des Irans vorliegen, an Atom-waffen zu gelangen. Allerdings kann auch er nicht ausschliessen, dass es versteckte Aktivitäten gegeben habe. Der Iran hatte in letzter Zeit seine Uran-Vorräte stark aufgestockt – mit beinahe waffenfähigem Uran.

Scharfe Kritik am Angriff Israels kam übrigens aus Pakistan und ausgerechnet aus Russland. So warf Moskau der israelischen Regierung vor, „die Welt in Richtung einer nuklearen Katastrophe zu treiben“ und warnte die USA davor, direkt in diesen Konflikt einzugreifen.

Ob nun der Iran oder Israel die Wahrheit gesprochen hat, wird sich wohl so oder so in den kommenden Wochen zeigen. Ich hoffe, dass die Parteien doch noch an den Verhandlungstisch zurückkehren und objektiven Prüfkommissionen voller Einblick gewährt wird. Ansonsten haben wir einen Kriegsschauplatz mehr auf der Erde, der erneut der Zivilbevölkerung beider Staaten viel Blut und Leid bringen wird.

Übrigens: Im Jahr 2023 flüchteten insgesamt 36.173 Menschen aus dem Iran (Angabe: UNHCR) – in Deutschland wurden 1.511 positive Entscheide gefällt (40,08 Prozent).

Lesetipps:

.) Zwischen den Welten. Von Macht und Ohnmacht im Iran; Natalie Amiri: Aufbau 2021

.) Geschichte Irans – Von der Islamisierung bis zur Gegenwart; Monika Gronke; C.H. Beck 2016

.) Moderne, Subjekt, Staat: zur Rolle der Bildung in der Kontroverse zwischen Individuum und Staat in Iran; Parvin Javadi; Schwarz 2014

.) Iran. Grundzüge einer geographischen Länderkunde; Eckart Ehlers; Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1980

.) Revolutionary Iran – A History of the Islamic Republic; Michael Axworthy; Penguin Books 2013

.) The Cambridge History of Iran; Cambridge University Press 1993

.) A History of Modern Iran; Ervand Abrahamian: Cambridge University Press 2008

.) Contemporary Iran – Economics, Society, Politics; Hrsg.: Ali Gheissari; Oxford University Press 2009

.) Der schiitische Islam. Von der Religion zur Revolution; C.H. Beck 1994

Links:

www.auswaertiges-amt.de

www.bpb.de

www.auswaertiges-amt.de

www.cia.gov/the-world-factbook/countries/iran/

teheran.diplo.de/ir-de

www.amnesty.ch

www.amnesty.org

www.hrw.org/

iranhrdc.org

rsf.org/en

www.boell.de/de

www.ohchr.org

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Die Vertreibung der Massai

Sie gelten als das stolze Krieger-Volk Ostafrikas; Die Massai! Beheimatet vornehmlich im Süden Kenias und Tansania ist nicht genau bekannt, wie viele Menschen dieser Volksgruppe zugehören. Bei Volkszählungen etwa in Kenia geben viele ihre ethnische Zugehörigkeit nicht an, da sie mögliche Diskriminierungen deshalb befürchten. Das ist in Tansania nicht der Fall. Schätzungen belaufen sich auf 430-500.000. Das Volk selbst wird in 16 Untergruppen („Iloshons“) unterteilt und lebt in der Serengeti. Um genau zu sein: In den Nationalparks Masai Mara und Amboseli in Kenia bzw. der Region Arusha in Tansania. Und bei letzterer liegt das Problem: Die 37.576 Quadratkilometer grosse Region wird seit Jahren zur Touristenhochburg ausgebaut – für Safari-Touren und zahlungskräftige Jäger. Dabei stehen die Massai mit 14 ihrer Dörfer im Weg!

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So pervers es klingen mag: Rund 70.000 Massai werden in Tansania immer mehr zugunsten des Naturschutzes vertrieben! Damit nämlich diese Tourismuspläne umgesetzt werden können, werden grosse Teile der Arusha-Region zu Naturschutzgebieten erklärt. In dieser „Game Controlled Area“ sind Wildtiere geschützt, dürfen aber geschossen werden. In solchen Naturschutzgebieten allerdings dürfen keine Menschen leben – auch nicht die Massai, die diese zumeist karge Savanne als Weideland nutzen. Die Rinderherden würden zudem den Wildtieren das Wasser entziehen. Als ein Gericht im August 2023 diese präsidiale Anordnung der Game Controlled Area ausser Kraft setzte, reagierte die tansanische Regierung prompt und benannte das Gebiet um in ein „Game Reserve“, wo auch Touristen willkommen sind, die nicht jagen wollen.

Alles begann vor rund drei Jahren, als am 07. Juni 2022 die ersten 700 Sicherheitskräfte, bestehend aus Militärs, Polizisten, Paramilitärs und Ranger, in der Stadt Loliondo eintrafen, um die Behörden bei den Grenzmarkierungen von rund 1.500 Quadratkilometern zu unterstützen. Am 09. Juni, also zwei Tage später, gingen örtliche Gemeindemitglieder aus den betroffenen Dörfern Ololosokwan, Oloirien, Kirtalo und Arash (nahe des Ngorongoro-Kraters) dagegen auf die Strasse und entfernten die Markierungen wieder. Sie wurden mit Schusswaffen und Tränengas zurückgedrängt. Dabei wurden zahlreiche Protestierende verletzt – viele trugen auch Schussverletzungen davon. 24 Massai (darunter einige Dorfälteste) wurden festgenommen. Ihnen wurde Verschwörung zum Mord an einem Polizisten vorgeworfen. Das konnte jedoch durch Rechtsbeistände (finanziert unter anderem durch Menschenrechts-organisationen) widerlegt werden. Die Betroffenen wurden wieder frei-gelassen.

Die Massai waren durchaus im Recht, schliesslich verstiessen diese Grenzmarkierungen gegen den Richterspruch des Ostafrikanischen Gerichtshofes sowie die Menschenrechte. So können die Massai durch die Vertreibung aus ihren Dörfern nicht mehr ihrem normalen, traditionellem Leben nachgehen, da ihnen die Grundlage dafür entzogen wird. Viele Massai sind aufgrund der Vorfälle nach Kenia geflohen, möchten aber selbstverständlich wieder zurück in ihre Heimat, wo sie geboren wurden und seit Jahrhunderten vornehmlich als Viehzüchter tätig sind. Dabei leben sie stets im Einklang mit der Natur, auch mit den Wildtieren.

Recherchen von in Tansania nicht gerne gesehenen Journalisten ergaben, dass bereits in den 1990er Jahren ein Unternehmen aus Dubai (Otterlo Business Corporation OBC) Lizenzen für Grosswildjagden erworben hatte. Dem folgte nun ein Pachtvertrag für die Arabischen Emirate, die die inzwischen aufgestellten Luxusressorts und ein eigens gebautes Flugfeld zu diesen Zwecken nutzen. Die Regierung Tansanias erhält nun nicht nur die Pachteinnahmen, sondern auch die Gebühren aus den Lizenzen für Abschussfreigaben. Dabei soll es den betuchten Scheichs möglichst leicht gemacht werden, die Abschussquote zu erfüllen. Somit seien die Rinder-herden im Weg, da sie die Wildtiere vertreiben würden.

Doch sind die Emirate auch neben dem Tourismus in Tansania engagiert: Auf rund acht Prozent der Fläche des Landes soll der ökologische Fussabdruck von Dubai durch CO2-Projekte verringert werden.

Und schliesslich: Ein chinesischer Investor hat sich den Ngorongoro-Krater angeeignet. Gut eingezäunt wurden Touristencamps errichtet. Willkommen sind nur jene, die für den Einlass bezahlen. Partner dieses Projektes sind seit 50 Jahren auch die deutsche Bundesregierung und die Zoologische Gesellschaft Frankfurt.

Nach wie vor sind Gerichtsverfahren anhängig, die wertvolle Zeit verschlingen. So werden etwa in Ngorongoro ganze Massai-Rinderherden von schwer bewaffneten Wildhütern konfisziert und schliesslich verkauft, wenn diese zu Wasserstellen getrieben werden. Viele der Massai haben dadurch ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Jenen Massai, die Ackerflächen besitzen, wurde die Bewirtschaftung ihrer Felder untersagt – gleichzeit stiegen Preise für importierten Reis und Bohnen in astronomische Höhen. Gelder etwa für wichtige infrastrukturelle Massnahmen in den Massai-Gebieten wurden gestrichen. Die Regierung unternimmt wirklich alles Erdenkliche, das Volk aus dieser Region zu vertreiben. Auch die Ärzte des medizinischen Flugdienstes mussten im April 2022 ihre Betreuung einstellen, nachdem den Piloten die Flug-lizenzen entzogen wurden.

Als Vertreter der UNESCO in Arusha eingetroffen sind um die Zustände im „Weltkulturerbe Serengeti“ zu überprüfen, erhielten sie nur Regierungs-termine und somit einen mehr als einseitigen Blick auf die Situation. Die Massai wurden nicht in den Gesprächen gehört. Das Europäische Parlament hat am 14. Dezember 2023 die Regierung Tansanias in der „EU-Resolution gegen die Vertreibung der Maasai aus dem Ngorongoro-Naturschutzgebiet und dem geplanten Schutzgebiet in Loliondo“ aufge-fordert, die gewaltsamen Vertreibungsversuche einzustellen. Hierzu hiess es vonseiten der Regierung, dass man den Massai durchaus Ersatz-wohnungen angeboten habe.

Übrigens: Im Landnutzungsplan 2023 für Ngorongoro sind keine Massai-Dörfer und -Weideflächen mehr für diese Region enthalten. Der Plan regelt die Landnutzung des Gebietes bis 2043, er wird vom dortigen Bezirksrat abgelehnt! Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die offenbar an der Erstellung dieses Planes beteiligt war, streitet eine Rolle an den Gebietsmarkierungen von Loliondo ab – allerdings betonen die Massai, dass mit den Stiftungsgeldern und den Entwicklungsgeldern der deutschen Bundesregierung zwar keine Waffen angeschafft werden, dafür jedoch Fahrzeuge und Verwaltungsgebäude errichtet werden. Dass es sich um keine Peanuts handelt – 2023 belief sich der Förderbetrag auf 30,5 Mio Euro (29,5 Mio als Hilfe der Bundesrepublik)! Davon wurden für den zuvor angesprochenen Nutzungsplan rund 220.000 € ausgegeben. Die meisten der Gerichtsprozesse wurden durch den Maasai-Anwalt und Weimarer Menschenrechtspreisträger Joseph Oleshangay ausgefochten, der auch nicht von einem Protest vor dem Gebäude der ZGF in Frankfurt zurückschreckte, um auf die Zustände in Tansania hinzuweisen. Er musste sein Heimatland 2024 auf Druck der Regierung verlassen. Von Oleshangay war auch zu erfahren, dass die angebliche Ersatzsiedlung für die Massai im 600 km entfernten Msomera errichtet worden sei. Bis 2026 sollen die Naturschutzgebiete auf 50 % der Landfläche Tansanias erweitert werden, damit würden mehr als 300.000 Massai vertrieben. Der Beitrag Deutschlands für den Naturschutz ist zwar sehr hehr – doch offenbar weiss man in Berlin und Frankfurt nichts davon, dass dieser Naturschutz tatsächlich eine Wirtschaftsmassnahme der tansanischen Regierung darfstellt. Und zum Thema Massai-Vertreibung schweigt man sich tunlichst aus. Anfang 2024 wurden die 29,5 Mio um weitere neun Mio aufgestockt.

Lesetipps:

.) Waters of the Sanjan. A Historical Novel of the Masai; David Read/Pamela Brown; Selbstverlag 1982

.) Bwana Game; George Adamson; Hoffmann und Campe 1969

.) Die weisse Massai; Corinne Hofmann; A1 Verlag 2000 (2005 auch verfilmt)

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Na denn: Guten Appetit!

Der Lachs ist einer der begehrtesten Fische – nicht nur in der mittel-europäischen Küche. Er ist reich an Omega-3-Fettsäuren und benötigt nur wenig Zeit in der Zubereitung, völlig gleichgültig ob roh, gebraten, gekocht, gegrillt oder auch geräuchert. Wichtig ist nur, dass er stets mit der Hautseite nach unten in die Pfanne gegeben wird. Seine charak-teristische Fleischfärbung von dunkelrosa bis orange ist deshalb sowohl in der Sommer- als auch der Low Carb-Küche gern gesehen. Ausge-zeichnet passt der Lachs zu Nudeln, Salat oder auch Gemüse, wie etwa dem Spargel. Frischer Lachs hat eine feste Konsistenz und riecht nach Boden und Gras.

Da der Bedarf nur zu rund 30 % aus gefangenem Wildlachs abgedeckt werden kann, werden seit den 1970er Jahren die meisten Fische kommerziell in „Lachsfarmen“ gezüchtet. Viele davon wurden in den norwegischen Fjorden errichtet, da hier das Wasser relativ ruhig ist. 92 % der Zuchtlachse werden von nur sechs Staaten „produziert“: Norwegen, Grossbritannien, Kanada, Chile, Australien und Neuseeland.

Die Funktionsweise der Lachsfarmen ist nahezu ident mit jener der Forellenzucht. Das Leben der Fische beginnt in einem grossen Warm-wasserbecken, in dem die Eier reifen. Dort bleiben die geschlüpften Fische noch rund 40 Tage lang, bevor sie in grosse Tanks umquartiert werden. Dort erfolgt auch der erste Kontakt mit Impfstoffen. Ab einem Gewicht von zirka 100 Gramm werden sie in die Netzgehegeanlagen im Meerwasser ausgesetzt. Die Grössenmessung erfolgt mittels Ansaugung durch einen Schlach in die Messstation.

Diese riesigen Aquakultur-Netze befinden sich zumeist an Stellen mit grosser Tiefe und einer Strömung, damit die Abfallstoffe der Fische weitertransportiert werden. Das ist Problem Nummer eins der Lachs-farmen. Zu viele Fische (in grossen Farmen können dies schon mal bis zu 1 Mio sein) führen zu einer starken lokalen Verunreinigung des Wassers. Mit Problem Nummer 2 bleiben wir auch noch etwas beim Wasser: Eine weitere Belastung erfolgt durch das Futter der Tiere. Es besteht zumeist aus Pellets von gepresstem Fischmehl, Soja, Fischöl und Sojaöl. Daneben werden noch Farbstoffe (für die spätere Färbung des Fleisches) und bis 2017 zudem Ethoxyquin beigegeben. Dieses wird für die Haltbarmachung des Fischmehls verwendet. Die Europäische Behörde für Lebensmittel-sicherheit EFSA zog das Mittel allerdings ab 2020 (Ende der Über-gangsfrist) gänzlich aus dem Verkehr, da es sich in den Fischen anreicherte und somit in die Nahrungskette gelangte. Die Grenzwerte von 50 µg/kg Fleisch wurden zuhauf überschritten. Soll das Mittel angeblich für Fische und Landtiere unproblematisch sein, so kann eine Gefahr für den Menschen durch die zumeist im Ethoxyquin enthaltenen Verun-reinigung p-Phenetidin nicht ausgeschlossen werden. Diese sorgt im Genmaterial von Mensch und Tier zu möglichen Mutationen! 2016 hatte Chile aufgrund all dieser Verunreinigungen und toter Fische mit einer „Roten Flut“ an den Küsten zu kämpfen.

Damit zu Problem Nummer drei: Der Einsatz von Antibiotika! Damit sollten einerseits bakterielle Infektionen der Fische ausgeschlossen und andererseits der Lachslaus (Lepeophtheirus salmonis) an den Kragen gegangen werden. Die Lachslaus ist ein kleiner Krebs, der sich vom Schleim, der Haut und dem Blut der Fische ernährt. Durch die Nahrungskette gelangt das Antibiotikum in den menschlichen Körper. Nicht selten werden in der „Tierproduktion“ Antibiotika eingesetzt, die in der Humanmedizin oftmals als letztes Mittel gegen die sog. „Superkeime“ eingesetzt werden, bei welchen normale Arzneimittel nicht mehr funktionieren, da die Keime resistent dagegen geworden sind. Das ist nun auch die grosse Gefahr beim Menschen: Durch die Anreicherung des Antibiotikums im Körper bekommen diese Keime nun die Möglichkeit, Mutationen zu bilden, die auch gegen diese Arzneimittel resistent werden. Ein grosses allgemeines Problem der Massentierhaltung – völlig gleichgültig ob Geflügel, Rinder oder eben Fische. Gottlob ging der Antibiotika-Einsatz durch vornehmlich die Einzelimpfung der Fische zurück. Allerdings lag bei einer Untersuchung der Umweltorganisation Greenpeace noch 2018 der Antibiotika-Wert bei Lachsen aus Chile beim 700-fachen der Werte aus Norwegen. Gegen die Lachslaus werden übrigens Lumpfische und Bäder in mit Wasserstoffperoxid ange-reichertem Wasser eingesetzt.

Aus all diesen Gründen erhielt der Lachs auch die Bezeichnung als „Schwein der Meere“!

Doch ist dies noch lange nicht alles!

Ein weiteres Problem besteht ganz allgemein bei der Massentierhaltung in der sog. „Faunenverfälschung“! Aus der Farm entkommene Fische (in Norwegen etwa 200.000 pro Jahr) vermehren sich mit wild wachsenden Fischen, was nach und nach zu einem Aussterben der natürlichen Art führen kann. Norwegen hat aus diesem Grunde etwa die Angelzeit für entbückste Farmfische ausgeweitet. In Chile kommt der Fisch natürlich überhaupt nicht vor. Dort verliert er den Orientierungssinn und findet den Weg ins Süsswasser nicht mehr, wo er normalerweise den Laich absetzt.

Vermehrt kommt es in den Lachfarmen vornehmlich Norwegens, Kanadas und Grossbritanniens zu Massensterbeereignissen durch Seuchen und Infektionskrankheiten, aber auch dem durch die Klimaänderung immer wärmer werdenden Wasser, das weniger Sauerstoff enthält. So starben beispielsweise im Jahr 2023 in Norwegen nach Angaben der Organisation Foodwatch nicht weniger als rund 100 Mio Tiere. In einer Untersuchung von Gerald Singh et.al. von der kanadischen University of Victoria wird sogar die Zahl 865 Millionen zwischen 2021 und 22 angegeben. So kann etwa das Piscine Orthoreovirus in den Fischen zu Herz- und Muskelentzündungen führen.

Und schliesslich kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Fütterung der Fische genmanipuliertes Soja zum Einsatz kommt (wie etwa das Roundup-Ready-Soja), der eigentlich in Europa eigens auf der Packung ausgewiesen werden muss und eine gewisse Konzentration nicht überschreiten darf.

Ach ja – und da sind immer mal wieder die Fälle von Nematodenwürmer (Fadenwürmer), von welchen vor allem der Anisakis genera im mensch-lichen Darm zu geschwulstähnlichen Erscheinungen und Bauchschmerzen bis hin zum Darmverschluss (selten!) führen kann. Dagegen hilft nur ein ordentliches Durchgaren des Fischen bei 60-70 Grad oder das Gefrieren des Fleisches für zumindest einen Tag bei -20 Grad. Solche Fadenwürmer können übrigens auch in anderen Fischarten wie dem Kabeljau, Rot-barsch, Seeteufel, Steinbeisser und Blauleng vorkommen.

Natürlich gibt es auch in der Lachszucht eine Biovariante, die vornehmlich in Schottland und Irland nach den Bestimmungen der britischen Soil Association geführt wird.

Ob Sie nun auch weiterhin Lachs essen – diese Entscheidung bleibt Ihnen überlassen. Ich für meinen Anteil habe schon seit Jahren keinen Lachs mehr angerührt und beabsichtige dies auch für die Zukunft nicht. Foodwatch schliesslich fordert ein Verbot von norwegischem Lachs in Deutschland. Nur zwei von zehn befragten Lieferanten legten die Herkunft ihres ASC-zertifizierten Lachses offen – acht schwiegen sich aus.

https://www.foodwatch.org/de/mitmachen/keine-faulen-fische-lachsleid-stoppen

Vollständigkeitshalber sei hier noch angebracht, dass viele der Vorwürfe, die ich in diesem Blog verarbeitet habe und durch Foodwatch kritisiert wurden, in einer Stellungnahme des NSC (Norwegian Seafood Council) zurückgewiesen wurden.

Lesetipp:

.) Lachsfische (Salmoniformes): Biologie und Aquakultur; Martin Hoch-leithner; Aqua Tech Publications 2014

.) Die Strassen der Tiere; Hrsg.: Heini Hediger; Springer Wissenschafts-verlag 1967

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Permafrost – Das kann ja heiter werden


„Es ist so wie bei einem Güterzug. Hat der sich erst einmal in Bewegung gesetzt, dürfte es fast unmöglich sein, ihn wieder zu stoppen.“

(Antoni Lewkowicz, Geologe und Exvorsitzender der Internationalen Permafrost-Gesellschaft)

Ende Mail 2025 – Ein grosser Teil des Birchgletschers oberhalb von Blatten/VS bricht ab. Fels-, Geröll- und Eismassen donnern ins Lötschen-tal und begraben nahezu das ganze Dorf Blatten unter sich. Experten sprechen von rund 3 Mio Kubikmeter an Material, die sich gelöst haben. Diese Mixtur verlegte zudem das Bachbett des an sich beschaulichen Flüsschens Lonza. Das Wasser staute sich zu einen künstlichen See auf. Das hätte eine noch weitaus grössere Katastrophe ausgelöst, wäre das Ganze als Wasserschwall mitsamt der Schlammasssen zu Tale gerauscht. Vorsichtshalber wurden die Einwohner der beiden weiter unten liegenden Gemeinden Steg und Gampel auf eine Evakuierung vorbereitet. Diese war gottlob nicht nötig, das Wasser grub sich nach und nach durch die Schuttmassen. Dass kein Mensch zu Schaden kam, war der vorzeitigen Warnung der Geologen zu verdanken. Noch kurz ein Bild über die Dimension dieses Gletscherbruchs: Das Lötschental wurde zwischen 50 und 200 Meter hoch verschüttet – um dieses Material abzutransportieren wären mindestens 200.000 LKW-Fahrten vonnöten. Derzeit allerdings nicht möglich, da der Schuttkegel zu instabil ist und noch weitere Fels-stürze nachkommen könnten.

Nicht der einzige Fall!

Ende Januar 2021 führte ein Felssturz im eidgenössischen Kanton Wallis zu grossen Sorgen. Die Gemeinde Raron liegt rund eine Stunde östlich von Montreux am Genfersee. 2000 Menschen leben dort. Einige davon mussten nach einem Felsabbruch binnen Minuten ihre Häuser verlassen. Geologen befürchteten einen weiteren Abbruch – zu locker waren die Gesteinsmassen. Und er kam! In den frühen Morgenstunden des Folge-tages. Tonnenweise Schutt, Gestein und Felsbrocken donnerten zu Tal. Raron hatte immenses Glück. Die Gesteinsmassen kamen nur wenige Meter vor dem Wohngebiet zum Stillstand. In einem Steinbruch wurde lediglich eine Baracke verschüttet. Verletzt wurde niemand. Auch das verlegte Bachbett des Bietschbaches konnte noch rechtzeitig vor einer Überschwemmung des Ortes mit schwerem Material ausgebaggert werden. 1500 Kubikmeter mussten am Berg gesprengt werden. Von den 76 evakuierten Personen konnten 30 recht zeitnah wieder in die eigenen vier Wände zurückkehren – der Rest rund eineinhalb Monate später.

Im Jahr 2007 stürzten im Kärpfgebiet im Kanton Glarus rund 20.000 Kubikmeter Fels- und Schuttmaterial zu Tal – auch hier wurde gottlob niemand verletzt. Geologen haben schon vorzeitig davor gewarnt: Im Glarnerland befinden sich rund 16 – 17 Quadratkilometer Permafrost, der nach und nach auftaut! Das wird noch gefährlich werden.
Weniger glimpflich verliefen die Felssturze von Bondo anno 2017. Sie rissen acht Menschen aus dem Leben, die trotz Warnungen das Gebiet an der Nordflanke des Piz Cengalo bewanderten. Rund vier Millionen Kubik-meter Gestein und Schlamm haben sich Mitte August in diesem kleinen beschaulichen Dorf im schweizerischen Kanton Graubünden zu Tal geschoben. Nicht das erste Mal: Bereits 2011 und 2012 gab es in den Bergeller Alpen Felsabbrüche und Muren. 2011 rutschten zirka 1,5 bis 2 Mio Kubikmeter in die hintere Bondasca. An der ETH Zürich wurde ein Erdstoss mit einem Magnitude von 2,7 verzeichnet. 2012 löste ein Gewitter rund 100.000 Kubikmeter Geschiebe aus, das kurz vor dem Ortsgebiet zum Stehen kam. Am 23. August 2017 schliesslich rasten zirka 3 Mio Kubikmeter Gestein mit einer Geschwindigkeit von etwa 250 km/h auf Bondo zu. Das komplette Dorf wurde evakuiert. Am 25. und 31. August kam es zu erneuten Felssturzen und Murengängen, am 15. September schliesslich lösten sich weitere bis zu 500.000 Kubikmeter Gestein.
Die Tragödie von Bondo hat es einmal mehr aufgezeigt: Die Erde lebt und sie reagiert zunehmend extremer auf den Klimawandel. Viele zeigen sich verwundert, dass immer wieder derartige Naturereignisse auftreten, dabei ist das Phänomen jedoch sehr simpel. Lassen Sie es mich anhand dieses Beispieles erklären. Der Piz Cengalo in Bondo beherbergt den grossen Aletsch-Gletscher. Dieser aber geht aufgrund der höheren Temperaturen konstant Jahr für Jahr zurück. Dabei legt er in einer Höhe von etwa 2.500 Meter Fels frei, der bislang durch das Eis des Gletschers stabilisiert wurde. Steigt nun die Temperatur im Stein auf über minus 1,5 Grad, so wird das Ganze instabil. Zudem hat das Wasser Rinnen und Kanäle in das Gestein gebohrt. Durch das weitere Abtauen und das Mehr an Wasser werden immer grössere Felsmassen instabil. Dadurch rutscht die sog. „Moosfluh“ (ein kompletter Hang an der Flanke der Berges) immer weiter ab. Auch im Winter, wenn das Wasser im Stein gefriert, kann es zu richtiggehenden Felssprengungen kommen. Die Folge sind geringsten-falls Steinschlag, schlimmstenfalls aber Abbrüche wie diese Mitte August bzw. September 2017. Und da oben liegt noch mehr! Experten des Bundesamtes für Umwelt sprechen von bis zu 150 Millionen Kubikmetern. Dagegen kann leider nichts unternommen werden, die Menge ist einfach zu gigantisch. In diesem Falle steht der Berg seit längerer Zeit unter ständiger Beobachtung – das Dorf war bereits evakuiert. Ebenso beim Rutsch Ende August. Der Aletsch-Gletscher schmilzt seit dem Jahr 1850 kontinuierlich – in den letzten vierzig Jahren um rund fünf Meter pro Jahr. Dies setzt unheimliche Felsmassen frei, die sogar bis in eine Tiefe von 150 Metern reichen. Die Moosfluh rutschte im Jahr 2015 um zeitweise 80 cm pro Tag in Richtung Tal ab – nach den Ereignissen 2017 waren es 12 cm. Diese Rutschgeschwindigkeit bereitet den Experten grosses Kopfzerbrechen. Damit Sie in etwa eine Dimension des Ganzen bekommen: Die Rede ist von rund 2 Quadratkilometern – das sind ca. 280 Fussballplätze! Überall entstehen inzwischen Spalten – die grösste ist rund 300 m lang und bis zu 20 m breit. Dasselbe Bild zeigt sich auch beim Piz Kesch im Engadin (Felssturz anno 2014) oder dem Bliggferner in den Ötztaler Alpen. Auch hier sind rund 4 Mio Kubikmeter Fels betroffen. Stürzen diese in den darunterliegenden Gepatsch-Stausee ist mit einer Katastrophe zu rechnen! Der aussergewöhnlich heisse Sommer im Jahr 2003 brachte beispielsweise auch eine aussergewöhnlich hohe Felssturzaktivität mit sich. Messungen haben ergeben, dass der Auftauboden in der Schweiz um bis zu 0,5 m tiefer reichte als in den 20 Jahren zuvor. Übrigens steht auch die Zugspitze unter Beobachtung, haben doch Berechnungen ergeben, dass auf dem höchsten Berg Deutschlands der Permafrost spätestens bis zum Jahr 2080 aufgetaut sein könnte.
Dem Thema des sog. „Permafrosts“ möchte ich mich heute an dieser Stelle widmen, denn es stellt ein riesiges Pulverfass dar, das jederzeit explodieren kann. Den Permafrost nämlich gibt es nicht nur in den Bergen, sondern vornehmlich in den arktischen Gebieten Russlands (50 % des Staatsgebietes), Kanadas (40-50 %), der USA (Alaska zu 80 %) und auf Grönland (99 %). Auch 20 % des Staatsgebietes Chinas besteht aus Permafrost! Insgesamt rund 23 Mio Quadratkilometer. Unter dem Perma-frost versteht man normalerweise einen Boden, der das gesamte Jahr über gefroren ist. Das kann nun Sediment oder Gestein wie in den Alpen bzw. Boden und Torf wie in den arktischen und antarktischen Gebieten sein – den Tundren. Damit dies geschieht, muss er zumindest zwei Jahre lang Minusgraden ausgesetzt sein. Rund 90 % der arktischen Perma-frostzone sind durchgehend gefroren (kontinuierlicher Permafrost – Jahresdurchschnittstemperatur von -6 bis -8 Grad Celsius). Dann folgen der diskontinuierliche (Jahresschnitt: -3 bis -4 Grad Celsius), der sporadische (Jahresschnitt: -1 bis -2 Grad Celsius) und der isolierte Permafrost. Ab einer Jahresdurchschnittstemperatur vom -1 Grad Celsius und einer Jahresdurchschnittsmenge von 1.000 mm/qm Niederschlag wird’s kritisch. Interessanterweise gibt es auch den submarinen Permafrost, also tiefgefrorenen Boden unter Wasser – etwa in der Laptewsee (Nordpolarmeer). Diese submarinen Dauerfrostböden haben mit den Kontinentalschelfs in der letzten Eiszeit zu tun. Sie möchte ich aber heute zum grössten Teil mal aussen vor lassen. Während die gefrorene Boden-Decke etwa in Skandinavien nur bis auf rund 20 Meter Tiefe geht, reicht sie in Sibirien schon mal auf bis zu 1.500 m. Verantwortlich dafür ist die nördliche Weichsel-Kaltzeit (120-10.000 Jahre v.Chr.), also die letzte Eiszeit, die ihre Gletscher unterschiedlich platzierte. So war Sibirien etwa komplett vergletschert. In den Alpen sorgte parallel dazu die Würm-Eiszeit (115-10.000 Jahre v.Chr.) für die Gebirgs-Gletscher und so manches Tal.

http://gtnpdatabase.org/activelayers

Taut nun Permafrostboden etwa im Sommer auf, so spricht man dabei vom „active layer“. Die Auftauschicht variiert zwischen 30 bis 200 cm. Darunter bleibt der Boden gefroren. Sollte aufgrund eines Temperatur-anstiegs von 2 Grad auch der Boden wärmer werden, so haben Wissenschaftler ausgerechnet, dass bis zu 44 % des Permafrostbodens dauerhaft auftauen könnten. Eine Tatsache mit schwerwiegenden Folgen. In diesen Böden nämlich fand eine Gefrier-Konservierung jeglichen organischen Materials statt: Holz, Pflanzen, Tiere, etc. 1997 wurde beispielsweise das sog. „Jarkov-Mammut“ ausgezeichnet erhalten in Nordsibirien gefunden. In den oberen Schichten der Permafrost-Böden werden bis zu 1.500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff geschätzt. Das ist fast doppelt so viel wie in der gesamten Atmosphäre. Werden (wie berechnet) bis zum Jahr 2100 rund 100 Milliarden Tonnen freigegeben, so steigt alleine hierdurch die Durchschnittstemperatur um 0,2 Grad.
Aus dem Permafrostboden wird also zusehends eine Moorlandschaft. Mit allen Vorzügen, aber auch Nachteilen. Jeder, der schon mal durch ein Moor gegangen ist, der weiss, dass man sich vor den Gasen in Acht nehmen muss. V.a. das Distickstoffmonoxid (N2O) kann für den Menschen gefährlich werden, wurde es doch in früheren Zeiten als „Lachgas“ in der Narkose eingesetzt. Daneben sind noch Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2) zu erwähnen. Obgleich Methan für den Menschen ungiftig ist, sollte doch sehr sorgsam damit umgegangen werden, da es zu einer höheren Atem- und Herzfrequenz führen kann. Eine zu hohe Konzentration von Kohlendioxid führt zum Erstickungstod. Soweit zur Toxikologie.
Alle drei Gase allerdings sind Treibhausgase – teils sehr klimawirksam bzw. aggressiv:

.) Kohlendioxid (CO2)
Kohlendioxid entsteht in entwässerten Mooren. Allerdings nehmen Moore auch Kohlendioxid auf: Bei normalen Moore sind es rund 1.200 kg pro Hektar und Jahr, bei Reichmooren gar 1.700 kg. In den Permafrostböden dieser Welt sind zirka 1.300 bis 1.600 Gigatonnen CO2 gebunden – in der Luft befinden sich zum Vergleich etwa 3.000 Gigatonnen. Sollten bis zum Jahr 2200 2/3 der Permafrostböden aufgetaut sein, so würden nach Berechnungen von US-Forschern alleine hierdurch 190 Milliarden Tonnen CO2 emittiert.

.) Methan (CH4)
Methan entsteht in ungestörten und wiedervernässten Mooren beim Abbau von Kohlenstoffverbindungen unter Ausschluss von Sauerstoff. Werden also Pflanzen oder Tiere im Moor durch Bakterien abgebaut, wird dadurch Methan freigesetzt. Könnte dies in den Permafrostgebieten aufgefangen werden, wären wohl die Heizprobleme von Generationen frierender Menschen gelöst. Das Treibhauspotential von Methan ist rund 25mal grösser als jenes von Kohlendioxid.

.) Lachgas (N2O)
Der Klimakiller schlechthin ist jedoch das Lachgas. Es entsteht vornehmlich in entwässerten Reichmooren oder gedüngten Mooren, die ohnedies bereits viel Stickstoff enthalten. Hinzu kommt noch eine hohe Konzentration an Stickstoff im zugeführten Dünger. Das Treibhaus-potential von Lachgas ist rund 300mal grösser als das von CO2.

.) Wasserstoff (H2)

.) Schwefelwasserstoff (H2S)

.) Phosphorwasserstoff (P2H4)

Die Klimawirkung dieser Gase werden durch die „CO2-Äquivalenten“ angegeben. Dabei handelt es sich um die mittlere Erwärmungswirkung über zumeist 100 Jahre. So werden beispielsweise alleine in deutschen Landen nicht weniger als 31 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus Mooren freigesetzt. Eine ungeheure Zahl! Dabei aber ist dies nur 2,8 % der deutschen Gesamtemission klimawirksamer Gase!
Die letzteren drei Gase entstehen unter Druck – sie entweichen entweder explosionsartig oder durch Blasen. Reagieren sie nun mit dem Sauerstoff der Luft, kommt es zu Verbrennungen (Moor-Irrlichter). So könnten auch die riesigen Moorbrände in Sibirien 2021 erklärt werden. Hunderte Millionen Tonnen CO2 wurden dadurch in die Atmosphäre abgegeben.
All diese Gase werden beim Auftauen der Permafrostböden freigesetzt. Was das für die Atmosphäre bedeutet, muss hier nicht eigens erwähnt werden. In Langzeitbeobachtungen der letzten Jahrzehnte konnte nachgewiesen werden, dass die Permafrostgrenze v.a. in Nordamerika, aber auch in Eurasien in Richtung Norden wandert. Soll heissen, dass immer mehr des gefrorenen Bodens auftaut.

Selbstverständlich ist es auch in anderer Richtung tragisch: Wurden Häuser, Dörfer oder ganze Städte auf Permafrostböden hochgezogen, so versinken diese beim Auftauen im Morast („Thermokarst“). Hier ging man zuletzt dazu über, Häuser auf Pfählen zu errichten, die bis auf die permanent gefrorene Bodenschicht hinunterreichen. Im russischen Norden etwa stürzen ganze Landstriche in sich zusammen. Zu einer aussergewöhnlichen Kraterlandschaft, da das auftauende Wasser an Volumen verliert, Gase entweichen und der Boden seinem eigenen Gewicht nachgibt. Sollten die gesamten, geschätzten 35.000 Kubik-kilometer auftauen, so würde der Meeresspiegel nach Berechnungen um bis zu 9 cm ansteigen. Durchaus realistisch, haben doch die Oberflächentemperaturen im Norden Kanadas und Sibiriens in den 90er Jahren um rund 2 Grad zugenommen (nach 3 Grad in den 80ern). So blöde es auch klingen mag: Eine höhere Schneedecke im Winter beschleunigt die Erwärmung der Böden, da der Schnee einer Kälte-schutzdecke gleichkommt. Nach Berechnungen von Klimatologen wird sich die zusammenhängende Permafrostdecke bis zum Jahr 2100 von derzeit 10,5 auf nurmehr 1 Million Quadratkilometer verkleinert haben.
Nur mit Hilfe der Satelliten ist eine ständige Beobachtung und Vermessung dieser riesigen Dauerfrostflächen möglich. So wurde beispielsweise ein Teil des betroffenen Lena-Tales in Russland im Oktober 2014 via Satellit durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vermessen und abgebildet. Beobachtet wird hingegen auch eine Wanderung der Baumgrenze in Richtung Norden. Ein untrübliches Anzeichen dafür, dass die Temperaturen ansteigen. So hilft sich die Natur selbst: Bäume binden während ihres Lebens unheimlich viel Kohlenstoff durch die Aufnahme von CO2 aus der Luft. Wissenschaftler der Forschungsstation Samoilov im Lena-Delta entdeckten unweit der Station eine etwa 70 cm hohe und 20 Jahre alte Lärche. Weitaus nördlicher der Baumgrenze! Sie wurde zum Symbolbild für die Erderwärmung.
Die weitere Gefahr: Methangas-Entweichungen. Hochrechnungen haben ergeben, dass pro Jahr zwischen 14 bis 35 Mio Tonnen Methan nur in Sibirien und Alaska freigesetzt werden. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten es bis zu 200 Mio Tonnen pro Jahr sein. Alleine das könnte die weltweite Durchschnittstemperatur um 0,32 Grad Celsius erwärmen. Erste Schätzungen über die Folgekosten nur des freigesetzten Methans aus Ostsibirien belaufen sich auf weltweit 60 Billionen US-Dollar. Die Zeitung „Siberian Times“ berichtete bereits 2022 von bis zu 7.000 Methanblasen in Sibirien. Und hier kommt nun auch wieder der submarine Dauer-frostboden in’s Spiel: Russische Wissenschaftler konnten anhand von 5.100 Messungen zwischen den Jahren 2003 und 2008 nachweisen, dass zirka 80 % des Tiefenwassers und etwa 50 % des Oberflächenwassers des ostsibirischen Schelfs mit Methan übersättigt sind. Damit gelangt mit rund 8 Millionen Tonnen kontinuierlich (ohne plötzliche Ausbrüche) nur hier jährlich mehr Methan in die Luft als in allen anderen Ozeanen zusammen. Die Experten warnen in diesem Zusammenhang vor einer abrupten globalen Erderwärmung! Einer Zeitbombe gleich!
Zurück in heimische Gefilde: Durch eine exzessive Wärmeentnahme beispielsweise aufgrund von Bodenwärmepumpen, verbunden mit einem nicht zugleich stattfindenden Ausgleich durch Umgebungswärme kann übrigens ein künstlicher Permafrostboden angelegt werden. Dies geschieht etwa, wenn zwischen den einzelnen Anlagen oder Bohrungen zu wenig Abstand besteht.
Die Alpenvereine Deutschlands und Österreichs, sowie der Schweizer Alpen Club warnen ganz allgemein bei Touren in’s Hochgebirge. Zwar werden die Wege immer wieder gepflegt (alleine im Zuständigkeitsbereich des DAV befinden sich 30.000 Kilometer Wegstrecke), doch gehört der Steinschlag und Felsabbruch inzwischen zum alpinen Bergerlebnis hinzu. Deshalb sollte keineswegs bei der Ausrüstung und Information vor der Tour gespart werden. Und noch ein Tipp für alle Investoren mit Vorliebe für Kanada, Skandinavien oder Russland: Vergewissern Sie sich immer vor dem Ankauf einer Immobilie, ob diese auf einem Permafrostboden erbaut wurde.

Zuletzt noch die Gretchenfrage:

Kennen Sie Ihren CO2-Fussabdruck??? Wenn ja – arbeiten Sie daran???

Lesetipps:

.) Warnsignal Klima: Das Eis der Erde; J.L. Lozán / H. Grassl / D. Kasang / D. Notz / H. Escher-Vetter (Hrsg.); 2015
.) Natural Gas Hydrate: Coastal Systems and Continental Margins; M.D. Max; Springer 2000
.) Climate Change, Permafrost, and Impacts on Civil Infrastructure; F.E. Nelson / L.W. Brigham 2003
.) A projection of severe near-surface permafrost degradation during the 21st century; D.M. Lawrence / A.G. Slater; Geophys. Res. Lett. 2005
.) Arctic Climate Impact Assessment; ACIA 2005
.) Disappearing Arctic Lakes; L.C. Smith / Y. Sheng / G.M. MacDonald / L.D. Hinzman; 2005


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Tornados – Wütend und alleszerstörend

Schwere Gewitter, Schlagwetter mit Überflutungen und Hagelschauer – die Wetterphänomene werden auch in unseren Breitengraden eklatant schlimmer. Hinzu kommt immer mehr auch eine Erscheinung, die es vermeintlich zumindest in früheren Zeiten in Europa nicht gab: Tornados! Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes treten jährlich im Schnitt 47 Tornados zwischen Flensburg und Berchtesgaden auf, 17 davon sind Wasserhosen. Allerdings – zumindest noch nicht – mit einer dermassen bekannten Zerstörungskraft wie jenseits des grossen Teiches.

Diese speziellen Stürme wüten eigentlich im Frühjahr in vielen Bundes-staaten der USA. Die Bevölkerung hat gelernt, damit umzugehen. Zu jedem Haus wird in den leidgeprüften Regionen des mittleren Westens der Staaten immer auch ein Tornadokeller gebaut. Zumeist ein sturm-sicheres unterirdisches Verlies, das mit dem Notwendigsten zum Über-leben ausgestattet ist. Bei entsprechenden Warnungen begeben sich die Bewohner mit den wichtigsten Unterlagen in diesen Keller. So mancher Hausbesitzer weiss nicht, ob er noch ein Dach über dem Kopf vorfindet, wenn er die gut verriegelbare Falltüre öffnet.

Der Tornado (auch Wind- oder Wasserhose) ist ein Wirbelsturm mit einer vornehmlich senkrechten Drehachse. Er ist deshalb so gefährlich, da er Haken schlägt, sehr schnell sein kann und über den sich auftuenden Schlauch alles aufsaugt, was er am Boden findet. Eine Vorhersage ist schwer, da die Lebenszeit einer solchen Windhose nur auf wenige Minuten beschränkt ist. Ein Killer!

Vorraussetzung für diesen ganz speziellen Sturm sind Cumulus- oder Cumulonimbus-Wolken. Der Luftwirbel reicht vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze. Dabei herrscht aussen Aufwind und im Inneren Fallwind. Für die Entstehung derartiger Wirbel ist eine starke vertikale Temperaturabnahme sowie grosse, labile Mengen von Wasserdampf in der Luft (Wolke) erforderlich. Der Wasserdampf speichert die Wärme besser als die trockene Luft – Energie, die der Tornado zuhauf benötigt, bezieht er aus diesen feuchten Luftmassen. Durch die Kondensation wird Wärme freigesetzt, die zu einem rasend schnellen Aufsteigen der Luft führt. In unseren Breitengraden wird ein starkes Gewitter oder eine Regenfront normalerweise durch kleine Böenfrontwirbel (auch „Gustnados“) eingeleitet. Findet nun die Verbindung mit einem solchen Aufwindbereich einer Wolke statt, kommt es zu einem Tornado, der in Europa gar nicht mal so selten auftritt, als viele denken.

Der Experte unterscheidet nun zwischen zwei Tornadotypen:

.) Mesozyklonale Tornados

Zu den bereits genannten Faktoren kommt eine starke Zunahme der Windgeschwindigkeit und Richtungsänderungen mit zunehmender Höhe hinzu. Dadurch entwickeln sich sog. „Superzellen“ (Mesozyklen), also Gewitterzellen mit rotierendem Aufwind, die gepaart sind mit Sturzregen, grossem Hagel und Fallböen von teils mehr als 200 Stundenkilometern. Sie können längere Zeit am selben Ort verharren. Durch die stark rotierende Wolkenbasis wird am unteren Ende immer mehr Luft zur Drehachse (auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn) hin ange-saugt, was zu einer steten Steigerung der Geschwindigkeit führt.

.) Nicht-mesozyklonale Tornados

Sie entstehen durch den Zerfall der bodennahen horizontalen Windscherung (Temperaturunterschiede mit wechselnden Windrich-tungen) in einzelne Wirbel mit vertikaler Achse. Die Temperaturabnahme in den unteren Schichten ist eklatant. Diese Tornados sind nicht so kräftig wie die mesozyklonalen Geschwister, da keine Superzelle aufge-baut wird. Die meisten Wasserhosen entstehen auf diese Art.

Tornados sind bei ihrer Geburt nahezu nicht zu erkennen. Erst wenn aufgrund des Druck- und Temperaturabfalls der Wasserdampf konden-siert oder Kleinteile wie Staub, Wasser bzw. kleinere Trümmer aufge-wirbelt werden, wird der Wirbel sichtbar. Übrigens spricht man nur dann von einem Tornado, wenn er Bodenkontakt hat, ansonsten ist es für den Experten eine „Blindtrombe“. Der Trichter bzw. die Hose kann im Durch-messer einige Metern bis über einen Kilometer gross sein. Gerade bei den Riesen ihrer Art sind es zumeist mehrere Wirbel, die um ein gemeinsames Zentrum kreisen („Multivortex“). Die Stärke eines Tornados wird mangels Messmöglichkeiten meist aufgrund der Schäden geschätzt. Dann erfolgt die Klassifizierung – in Europa in der TORRO-Skala, in den USA in der Fujita Scale F1 bis F6 bzw. der genaueren Enhanced Fujita Scale (EF0 – EF5 mit 28 zusätzlichen Merkmalen). Nur 1 % der US-amerikanischen Tornados sind verheerend (F4 und F5), 11 % sind stark (F2 und F3). Nicht-mesozyklonale werden meist nicht heftiger als F2.

Die Fortbewegungs-Geschwindigkeit des Tornados liegt bei rund 65 km/h (F0) – sie richtet sich nach jener der Mutterwolke (kann somit auch weitaus schneller oder wie bei Wasserhosen niedriger liegen). Die Rotations-Geschwindigkeit ist wesentlich höher – die schnellste wurde 1999 bei Bridge Creek (Oklahoma) mit 512 km/h (F5) gemessen – das entspricht der Druckwelle einer Atombombe. Ein Strohhalm, der mit dieser Geschwindigkeit durch die Luft fliegt, durchschlägt wie ein Speer den menschlichen Hals! Schätzungen gehen gar von Spitzengeschwindig-keiten von 800 Stundenkilometern im Rüssel eines starken Tornados aus – doch konnte dies noch nicht wissenschaftlich erwiesen werden. Im Schnitt beläuft sich die Verweildauer auf zirka 10 Minuten, kann jedoch auch auf wenige Sekunden schrumpfen oder über mehr als eine Stunde ansteigen.

Wasserhosen treten zumeist in den Morgenstunden des Spätsommers auf, während die Kollegen auf dem Land die Abendstunden des Frühsommers bevorzugen. Der mittlere Westen der USA bietet die besten Voraussetzungen für Tornados und Superzellen: Östlich der Rocky Mountains liegen weitläufige Ebenen, südlich der warme Golf von Mexico. Hier ergibt sich nämlich folgendes Szenario: Von den Rockies strömt in höheren Luftschichten trockene und kühle Luft über die Ebenen. In den bodennahen Schichten hingegen strömt warme und feuchte Luft vom Golf in Richtung Norden. Dies führt zu einer sehr labilen Luftschichtung! Die meisten der jährlich etwa 1.200 Tornados werden deshalb in dieser „Tornado Alley“ (Texas, Oklahoma, Kansas, Nebraska) gezählt.

Im Vergleich dazu sind in Europa 330 pro Jahr Durchschnitt, wobei etwa 160 über Wasser entstehen. Die meisten davon eher schwach (F0-F2) – doch sind auch zwei F5- und acht F4-Tornados in Deutschland bzw. weniger in Österreich (bislang ein F4) dokumentiert. Alle 20 bis 30 Jahre gibt es in deutschen Landen einen Tornado mit Stärke F4. Die „Tornado-Alley“ Deutschlands ist der Westen der norddeutschen Tiefebene. Als damals der Orkan im Winter über Norddeutschland hinweg fegte, hatte ich gerade mit einer jungen Frau telefoniert. Im Hintergrund war sehr laut der Sturm zu hören. Sie meinte nur ganz lapidar: Da bleibt man einfach im Haus, macht den Ofen an und fühlt sich so richtig heimelig! Auch hier wurde offenbar gelernt, mit den Sturmen zu leben. In Österreich werden jedes Jahr im Schnitt fünf Tornados beobachtet – alle 5-10 Jahre ist auch ein F3 mit dabei. Viele der Windhosen in der Südoststeiermark. Der letzte F4 auf europäischem Festland wurde 2022 im Süden Tschechiens beobachtet. Zuerst mit Stärke F3, dann mit F4 zog er über die beiden Kreise Břeclav und Hodonín hinweg. Besonders betroffen waren dabei die Stadt Hodonin sowie die beiden Dörfer Mikulčice und Lužice. Sechs Menschen kamen dabei um’s Leben, 200 weitere wurden teils schwer verletzt. Der Tornado hinterliess eine 26 Kilometer lange und 500 m breite Schneise und einen Sachschaden von rund 588 Mio Euro. Die letzten F4 gab es in Deutschland am 24. Mai 1974 zwischen Bad Liebenwerda, durch Prestewitz bis kurz vor Lübben, in Österreich am 10. Juli 1916 über Wiener Neustadt. Er forderte 34 Todesopfer, 328 Menschen wurden verletzt. In der Schweiz am 26. August 1971 – im Vallée de Joux mit einer Schneise von 23 Kilometern Länge.

Dass jedoch auch F2-Tornados riesige Schäden verursachen können, wurde am 06. August 2001 in NRW bewusst. Er zog über die Gemeinde Belm bei Osnabrück hinweg und hinterliess eine sechs Kilometer lange und 50 Meter breite Schneise der Verwüstung mit einem Gesamtschaden von über 2,5 Mio €.

Experten sind sich einig: Derzeit kann noch keine Verbindung zur Klima-Erwärmung hergestellt werden. Vielmehr ist die ansteigende Zahl von Tornados auf die bessere Erfassung in den letzten Jahren zurückzu-führen. So gibt es in den USA die systematische Tornadoforschung gar erst seit den 50er Jahren des vorhergehenden Jahrhunderts, eine Vorwarnmöglichkeit durch den Einsatz des Doppler-Radars seit 1948. Inzwischen wurde die Vorhersage präzisiert. Dabei laufen alle Infos bei der in Norman/Oklahoma stationierten NSSL („National Severe Storms Laboratory“) zusammen. Auch die Beobachtungen der ehrenamtlichen „Spotter“ (Beobachter) und „Storm chasers“ (Sturmjäger). Das gute alte Europa war ab 1917 mit Alfred Wegener und Johannes Peter Letzmann schon etwas früher tätig, jedoch wurden die Forschungsarbeiten aufgrund des 2. Weltkrieges eingestellt und erst 1997 durch das Netzwerk TorDACH wieder professionell aufgenommen. Sehr wichtig zudem die ehrenamtlichen Spotter, mit ihrem eigenen Netzwerk „Skywarn“. 30 Wissenschaftler und Laien aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen verarbeiten diese Infos neben vielen anderen auch vornehmlich bei Tornados, Wasserhosen und Gewitter-Fallböen („Downbursts“). Dadurch sollen möglichst gute Klimamodelle für betroffene Gebiete erstellt, somit gezieltere Vorhersagen gemacht werden können. 2006 übernahm die meisten dieser Aufgaben das European Secere Storms Laboratory e.V. (ESSL) im Auftrag der EU. Hier wird auch die Unwetterdatenbank ESWD geführt.

Doch geschieht immer wieder auch Unglaubliches während solcher Twisters. So wurde am 11. April 1965 in Ohio ein Jugendlicher von einem Tornado aus dem Bett durch das Fenster gesogen und unbeschädigt auf der Strasse vor dem Haus wieder abgesetzt. Neun Jahre später wurde in Xenia/Ohio ein Bauernhaus komplett dem Erdboden gleich gemacht. Nur eine Schachtel Eier, eine andere mit Christbaumschmuck und ein Spiegel blieben heil!

Links:

www.dwd.de/

www.zamg.ac.at

www.meteoswiss.ch

www.essl.org/

www.tornadoliste.de/

www.skywarn.at/

skywarn.org/

www.tordach.org/

weather.rap.ucar.edu/

www.nssl.noaa.gov

www.ncdc.noaa.gov

www.spc.noaa.gov/

www.ready.gov/tornadoes

www.cswr.org/

stormtrack.org/community/

stormchaser.com/

tornadochaser.net/

www.naturgewalten.de

science.nasa.gov/science-news/science-at-nasa/2000/ast01may_1m/

www.thunderbolttours.com/

Lesetipps:

.) Wind- und Wasserhosen in Europa; Alfred Wegener; Vieweg 1917

.) Klimatologische-statistische Ausarbeitung von Tornado-Ereignissen in Europa (Diplomarbeit); Katharina Amstler

Filme:

.) Twister

.) Tornado

.) Im Auge des Tornados (MDR)

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Lesen verleiht Macht

Schon in der Antike waren die Philosophen und Dichter hoch angesehene Bürger und besassen grossen Einfluss auf das tägliche Geschehen. Auch im Mittelalter änderte sich daran nicht viel, doch übernahmen die Kirchen immer mehr das Wissensmonopol. Schliesslich wurden in den Kloster-Bibliotheken nicht nur alte Werke übersetzt, sondern diese auch erhalten. Noch immer lagern dort unvorstellbare Schätze, wie Originalschriften, Erstdrucke und dergleichen. Heutzutage hat das World Wide Web das Wissensmonopol weitestgehend übernommen, obgleich viele damit ihr Unwesen treiben. Während auf den Datenhighways Falschmeldungen mit nur einem Klick gelöscht werden können, sind sie in einem Buch nicht so leicht zu entfernen. Zudem: Wer Bücher verbrennt, verbrennt damit auch einen Teil seiner Geschichte und seines Wissens! So weist etwa eine Gedenktafel auf dem Berliner Bebelplatz auf die Geschehnisse des 10. Mai 1933 hin:

An diesem Platz vernichtete faschistischer Ungeist die besten Werke der deutschen und der Weltliteratur.“

Deshalb stehe ich zu meiner Meinung, dass „Wissen Macht verleiht und dieses Wissen in Büchern steht“! Das werde ich in den kommenden Zeilen beweisen bzw. zur Diskussion stellen.

Am 23. April war der Welttag des Buches. Durchaus zurecht, wie ich finde. Obwohl viele sog. Meinungsmacher immer wieder das Ende der Bücher vorhergesehen haben – so etwa die New York Times schon 1992.

Das Buch ist nach wie vor relevant und kann sich in einer schwierigen Gesamtwirtschaftslage behaupten!“

(Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels)

Nach Angaben des Börsenvereins wuchs nach einem Einbruch 2022 der Umsatz am Buchmarkt 2023 um 2,8 % auf 9,44 Mrd Euro. 2024 war es ein weiteres Plus von 0,8 %. Das schaut nicht nach einen sterbendem Markt aus! Besonders beliebt waren Sachbücher (+7,7 %) vor der Belle-tristik (+4,1 %). Erfreulich: Die Kinder- und Jugendbücher legten ebenfalls zu – zwar wenig, aber dennoch: +0,5 %! Nettes Detail am Rande: Entscheidend zum Verkaufserfolg der Sachbücher beigetragen hat der Bestseller „Freiheit“ von Ex-Kanzlerin Angela Merkel und Beate Baumann. Dennoch war es im vergangenen Jahr nach Angaben von Media Control nicht das meistverkaufte Hardcover-Buch: Platz 1 ging an Elke Heidenreich mit „Altern“, gefolgt von Sebastian Fitzeks „Das Kalender-mädchen“. Platz 3 dann für die Ex-Kanzlerin. Ganz stark im Kommen sind die „New Adult Liebesgeschichten“ für die Zielgruppe 20-30 Jahre. Waren das früher nicht die Taschenromane? Weitere Zahlen gefällig? 2023 erschienen 60.230 Erstauflagen (-6,3%) und 8.760 Übersetzungen in’s Deutsche – ein Minus von 6,8 % (Angaben: Börsenverein). Für Österreich konnte ich leider keine entsprechenden Zahlen finden.

Obgleich weniger Neuerscheiungen, so nimmt offenbar doch die Beliebt-heit des Buches wieder zu. So blöde es klingen mag, doch ist hierfür zu grossen Teilen das World Wide Web verantwortlich: In den Social Medias posen User mit den Stapeln von Büchern, die sie angeblich im vergangenen Monat gelesen haben wollen. Daraus ist ein richtiggehender Hype entstanden. In diesem Zusammenhang erreichen Bücherbe-sprechungen von „Booktokkern“ oder „Bookflencern“ hohe Klickzahlen. Auch der gute alte Buchklub ist wieder sehr beliebt. Und hier zeigt sich durchaus der eine oder die andere Megastar – wie etwa die Popsängerin Dua Lippa!

Das Buch ist das Medium zur Selbstreflektion, mit dem sich eigene Identitätsfragen sehr gut verbinden lassen.“

(Gerhard Lauer, Literaturwissenschaftler Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Allerdings hält die KI langsam Einzug und stellt v.a. die Autoren vor nicht zu unterschätzende Probleme. Die Schauspieler und Sprecher wurden bereits grossteils durch sie ersetzt – beim Einsprechen von Hörbüchern etwa.

Konträr dazu mehr als interessant ist das Ergebnis der OECD-Bildungs-studie, wonach die Lesekompetenz der Grundschulkinder immer schlechter wird. Hier durfte wohl das in früheren Zeiten so beliebte Vorlesen einen immens wichtigen Beitrag spielen. Heute werden die Kinder immer öfter vor dem Flimmerkasten geparkt. †

Kinder, denen heute vorgelesen wird, werden morgen selbst zu begeisterten Leserinnen und Lesern. Wir sind ihre Vorbilder!“

(Die steirische Landeshauptmann-Stellvertreterin Manuela Khom (ÖVP) – eine der Organisatoren des Steirischen Vorlesetages)

By the way: Der 8. Steirische Vorlesetag findet am 14. Juni statt!

Dieses Sprachdefizit bleibt bei manchen bis ins Erwachsenenalter erhalten: Sie werden ausgeschult ohne einen Text fehlerfrei lesen zu können, geschweige denn, ihn zu verstehen. Tatsächlich korreliert das Standard-Vokabular mit dem Bildungsgrad: So ergaben unzählige Studien unisono, dass ein 15-jähriger über einen Wortschatz von rund 12.000 Wörtern verfügt. Während sich dieses Repertoire bei Gebildeten noch weiterhin ausbaut (im aktiven Wortschatz auf mehrere zehntausend, im passiven Wortschatz, dem Verstehen von weiteren Wörtern, gar auf ein Vielfaches davon), hat sich zuvor offenbar die Spreu vom Weizen getrennt. So besitzt ein durchschnittlicher deutschsprachiger Mensch einen Wortschatz von 3.000-216.000 Wörtern. Dabei spielen die Informationsmedien eine enorm wichtige Rolle: So nutzen Tages-zeitungen wesentlich weniger Wörter als Magazine. Diese wiederum weniger als Bücher. Auch verfügt der TV-Junkie über ein geringeres Standard-Vokabular als der Leser (ausser er zieht sich grossteils Wissensmagazine rein). Doch tun auch dies meist nur die Zuschauer mit höherem Bildungsgrad. Übrigens verfügt die deutsche Speache insgesamt über einen Wortschatz von 5,3 Mio Wörtern!

Abschliessend noch ein wichtiger Gedanke meinerseits: Für die Herstellung von Druckwerken müssen leider nach wie vor viele Bäume sterben. Die mögliche Alternative aus etwa Hanf wird aktuell zu wenig genutzt. Deshalb meine Bitte an Sie, die Leser dieser digitalen Zeilen: Nutzen Sie den Gebrauchtbüchermarkt! Als begeisteter Ebayer (sowohl im An- als auch im Verkauf) musste ich ernüchtert feststellen, dass Bücher zu den Ladenhütern zählen. Auch wenn sie noch originalverpackt sind! Etwa das Weihnachtsgeschenk der Tante, das voll und ganz meinem Geschmack entspricht! Kritisieren möchte in diesem Zusammenhang ebenfalls die vielen Bibliotheken und Büchereien, die stets laut aufschreien, wenn die öffentlichen Förderungen gekürzt werden, Bücherspenden jedoch ablehnen. Als hervorragende Idee hingegen sehe ich die Lesestationen, bei welchen Bücher kostenlos eingestellt und ausgeliehen werden können – auch wenn dies natürlich der Buchbranche schadet – so tut es zumindest der Umwelt gut! Denn: Ohne Umwelt wird es auch keine weiteren Bücher mehr geben!

Links:

Lesetipps:

.) Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende. Sprachkultur oder Sprachverfall?; Hrsg.: Rudolf Hoberg/Karin Eichhoff-Cyrus; Dudenverlag 2000

.) Reichtum und Armut der deutschen Sprache. Erster Bericht zur Lage der deutschen Sprache; Wolfgang Klein; DeGruyter 2013

.) Quantitative Linguistik. Eine Annäherung; Karl-Heinz Best; Peust & Gutschmidt 2006

.) Lexikon der bedrohten Wörter; Bodo Mrozek; Rowohlt Taschenbuch 2005

.) Aspekte des deutschen Wortschatzes; Elisabeth Knipf-Komlósi/Roberta Rada, Bernáth Csilla; Bölcsész Konzorcium 2006

.) Die Architektonik des deutschen Wortschatzes; Paul Menzerath; Dümmler 1954

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Müde bin ich, geh‘ zur Ruh…!

Wenn der Winterschnupfen in den Heuschnupfen übergeht – dann ist es so weit: Frühling! Jawoll – ich freue mich immer auf diese Jahreszeit, wenn die Natur erwacht und sich in den schönsten Farben präsentiert, die Sonne intensiver und die Tage länger werden. Verrückt, was die Hormone mit einem anstellen! Wenn da allerdings nicht die Abgeschlafftheit und Müdigkeit wäre. Frühjahrsmüdigkeit! Was steckt eigentlich dahinter, wie kommt man damit klar und wie kann dagegen angegangen werden?

Normalerweise treten diese bei vielen narkoleptisch-gleichen Anfälle ab Mitte März bis Mitte April auf. Durch den wechselhaften Winter in diesem Jahr hat sich dies aber etwas nach hinten verlagert. Rund 60 % der Frauen und 54 % der Männer sind von diesem Phänomen betroffen. Gekenn-zeichnet ist die Frühjahrsmüdigkeit durch Mattigkeit und verringerter Leistungsfähigkeit. Daneben kann es zu Kreislaufproblemen, Wetter-fühligkeit, Schwindel und niedrigem Blutdruck sowie Kopfschmerzen kommen. Den Betroffenen fehlt der ansonsten durchaus vorhandene Antrieb.

Die Frühjahrsmüdigkeit ist noch nicht wirklich wissenschaftlich erklärbar. Klar ist, dass der Körper in der kalten Zeit des Jahres den Stoffwechsel und die Körpertemperatur auf Sparflamme senkt. In früheren Zeiten wurde die Frühjahrsmüdigkeit deshalb auf den Mangel an Vitaminen in den dunklen und kalten Wintermonaten zurückgeführt. Mediziner und Neuro-, sowie Chronobiologen gehen jedoch inzwischen davon aus, dass der Hormonhaushalt federführend dahintersteckt. Die steigenden Temperaturen, v.a. aber die komplett anderen Lichtverhältnisse im Vergleich zum ansonsten normalerweise düsteren Winter, regen die Produktion der Hormone an – vornehmlich des Serotonins. Dieser Botenstoff des Nervensystems wird vornehmlich im Hypothalamus (eine sehr wichtige Hormondrüse im Gehirn) aus der Aminosäure L-Tryptophan unter Einbindung einiger Enzyme und Mikronährstoffen als Cofaktoren gebildet. Auch Lunge, Milz und die Darmschleimhaut sind in geringem Ausmass an der Produktion des Serotonins beteiligt. Das Hormon regelt unsere Stimmung, aber auch den Schlaf-Wach-Rhythmus. Der Gegen-spieler des Serotonins ist das von der Zirbeldrüse produzierte Schlaf-hormon Melatonin. Hinzu kommt, dass sich bei höheren Temperaturen die Blutgefässe erweitern, der Blutdruck sinkt, der Organismus wird müde.

Der Zustand kann ganz entscheidend durch die Zugabe von Vitamin D verbessert werden. Dieses wird eigentlich durch die Sonneneinstrahlung ausreichend produziert, doch sind die Menschen im Winter meist gut in wärmeschützende Kleidung eingelümmelt, sodass die Wintersonne hier nicht wirklich viel bewirken kann. Allerdings sollte man besser die kostenlose Sonne tanken, etwa durch viel Bewegung wie Sport oder Arbeit im Freien. 20 Minuten pro Tag im T-Shirt oder der Bluse bei direkter Sonneneinstrahlung dürften ausreichen. Wenn möglich ohne Sonnen-brille, da die Netzhaut des Auges für die Aufnahme des Sonnenlichtes immens wichtig ist. Ganz allgemein helfen vermehrte soziale Kontakte gegen Stimmungstiefs: Trommeln Sie öfters ihre Freunde zusammen und unternehmen Sie gemeinsam etwas. Daneben können alle Ratschläge zur Ankurbelung des Kreislaufs umgesetzt werden:

  • Mit bis zu zwei Liter genügend Flüssigkeit trinken (Wasser, Tee oder verdünnter Fruchtsaft)
  • Frisches Obst und Gemüse essen
  • Saunabesuche oder Wechselduschen
  • Zuhause öfters mal Durchlüften, damit der Körper genügend Sauerstoff erhält

Der ansonsten empfehlenswerte Mittagsschlaf hingegen ist grundlegend falsch. Hierdurch wird Serotonin ab- und Melantonin aufgebaut – sie werden noch matter. Ein Power-Nap hingegen wirkt Wunder.

Menschen mit einer Herz-Kreislaufschwäche, niedrigem Blutdruck oder Rheumaleiden aber auch wetterfühlige Patienten sind am meisten von der Frühjahrsmüdigkeit betroffen.

Sollten die Symptome nach vier Wochen jedoch nicht enden wollen, so sollte unbedingt ein Arzt Ihres Vertrauens aufgesucht werden. Schliesslich können viele ernst zu nehmende Krankheiten wie etwa eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine Depression, aber auch eine Schlaf-störung dahinterstecken. Ferner möglicherweise ein Nährstoffmangel im Energiestoffwechsel, der mit ganz einfachen Methoden bekämpft werden kann: Zu wenig der Mineralstoffe Magnesium, Calcium, Jod, Mangan und Kupfer, aber auch Vitamine B1, B2, B6, B12, C sowie Pantothensäure, Niacin und Biotin können zu Müdigkeit führen. Hier helfen Nahrungs-ergänzungsmittel – bitte aber auch in diesem Fall zuerst einen Arzt aufsuchen.

Zusätzlich können Sie Ihrem Immunsystem und dem Stoffwechsel einen richtiggehenden „Push durch biologischen Raketenantrieb“ geben – hier wusste sich bereits Grossmuttern mit ihrem Kräuterkästchen zu helfen: Die leider nach wie vor eher verschmähten Brennesseln und der Bärlauch kamen häufig als Tee oder Suppe auf den Tisch. Beim Sammeln des Bärlauchs aber ist Vorsicht geboten, da er recht häufig mit dem Maiglöckchen verwechselt wird, das giftig ist. Der Bärlauch ist an der Blattunterseite matt und besitzt eine hervortretende Mittelrippe. Sein typischer Geruch ist kein alleiniges Erkennungsmerkmal! Das Maiglöckchen hingegen führt zu Atemnot, Herzrasen und schliesslich zum Herzstillstand. Auch mit dem „Aronstab“ wird Bärlauch häufig verwechselt – er ist zwar nicht giftig, doch sehr scharf und kann somit ein ganzes Gericht ungeniessbar machen.

Alsdann kennt auch die Homöopathie einige Mittelchen, wie Arsenicum album (hergestellt aus dem hochgiftigen, weissen Arsenik), Phosphorus (der sog. „Lichtträger“ – ebenfalls als elementarer Stoff giftig, jedoch ausserordentlich wichtig für den Körper) oder Causticum Hahnemanni (frisch gebrannter Kalk, verarbeitet mit Kaliumdihydrogensulfat – stark ätzend) – für all jene, die darauf schwören. Die Dosis macht das Gift – alle drei Mittelchen sind stark verdünnt!

Kommen Sie gut durch den Frühling und erfreuen Sie sich an der Pracht der Natur!!!

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Niemals wieder Krieg!!!

Die ersten Tage des soeben begonnenen Wonnemonats Mai waren mit Sicherheit die wichtigsten des 20. Jahrhunderts. Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg – Hitler und seine Schergen begingen entweder Selbst-mord oder wurden gefangen genommen. Europa lag zwar in Schutt und Asche, doch kam mit dem Ende der Nazis zumindest wieder ein Hoff-nungsschimmer auf. Grund genug, heute mal wieder einen History-Blog zu verfassen. Dabei möchte ich vornehmlich die Befreiungen wichtiger Städte in’s Auge fassen.

Die Schlacht um Berlin war sicherlich die blutigste und grauenvollste. Sie endete nach rund 14 Tagen am 02. Mai. Wie durch das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte Unterlagen beweisen, stiess die Rote Armee dabei auf erbitterten Widerstand, mit dem auch der Oberbe-fehlshaber der russischen Truppen in Deutschland, Marschall Georgij Schukow, nicht gerechnet hatte. In seinen Ausführungen schreibt dieser, dass jeder Straßenzug und jedes Haus erbittert verteidigt wurden. Dabei kamen über 170.000 Soldaten und zehntausende Zivilisten um’s Leben. Hitler hatte sich mitsamt seiner Frau Eva Braun bereits im Führerbunker umgebracht. Seine letzte Hoffnung, ein Durchbruch der 12. Armee nach Berlin fand nicht statt. Deren Oberbefehlshaber, Panzergeneral Walter Wenck, hatte die Aussichtslosigkeit erkannt und befreite anstatt dessen zersprengte Wehrmachtsverbände aus russischen Kesseln um sie in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft zu bringen.

Sechs Tage später, am 08. Mai 1945 kapituliert mit der Unterschrift von Generaloberst Alfred Jodl die Wehrmacht bedingungslos – der Zweite Weltkrieg ist – zumindest für Europa – beendet. Die ersten Verhandlungen für eine Übergabe der Stadt Berlin fanden am 01. Mai ab 03.50 Uhr statt, zwischen dem Generalstabschef Hans Krebs, Oberst von Dufving (Chef des Stabes des LVI. Panzerkorps) und dem sowjetischen Generalleutnant Wassili Iwanowitsch Tschuikow, der bereits mit der 62. Armee Stalingrad befreite. Stalin lehnte jedoch Verhandlungen ab – Berlin sollte bedingungslos kapitulieren. Dies lehnte der zu diesem Zeitpunkt noch lebende Goebbels ab. Erst nachdem sich dieser mit seiner Frau am 01. Mai selbst umgebracht hatte, wurde am 02. Mai um 01.00 Uhr ein Funk-spruch abgesetzt. Darin bat die deutsche Führungsspitze um die Einstellung der Kampfhandlungen. Am 02. Mai 1945 ordnete General Helmuth Weidling die Einstellung aller Kampfhandlungen an und unter-schrieb um 13.00 Uhr die Kapitulationserklärung. Die letzten Waffen wurden gegen 17.00 Uhr niedergelegt.

Bereits zuvor hatte sich Wien ergeben. Die Schlacht um die öster-reichische Hauptstadt dauerte vom 16. März bis zum 15. April. Am 06. April 1945 hatte das 39. Schützenkorps der 6. Armee unter General Tichonow und die 4. Gardearmee die 2. und 3. SS-Panzerdivision zurückgeschlagen. Das 21. Garde-Schützenkorps unter General Kozak und das 20. Garde-Schützenkorps unter General Birjukow drangen in Simmering und Schwechat in Wien ein. Mehrere deutsche Offiziere wollten Wien zur „Offenen Stadt“ erklären und damit kampflos über-geben. Dies scheiterte jedoch am Reichsstatthalter und Gauleiter Baldur von Schirach. Dieser liess durch den Volkssturm und die Hitlerjugend Barrikaden errichten. Erbitterte Kämpfe lieferten sich Teile der 3. SS-Panzerdivision mit der Roten Armee beim Wiener Arsenal. Vor allem auf Seiten der Sowjets gab es hohe Verluste. Auch in Wien kam es zu einem intensiven Häuserkampf um jeden Strassenzug. Bereits in den ersten Apriltagen hatten sich der Wiener Untergrund und einige Offiziere mit den Sowjets in Verbindung gesetzt. Sie wollten grössere Kämpfe und damit auch Schäden in der Stadt verhindern („Operation Radetzky“). Nachdem das Vorhaben verraten wurde, sind drei beteiligte Offiziere am 08. April an Strassenlaternen in Floridsdorf gehängt worden. Am Morgen des 13. April stürmten Einheiten der 7. Garde-Luftlande-Division vom Prater her kommend gemeinsam mit dem Schützenregiment 217 die Reichsbrücke. Von Schirarch hatte sich schon am 09. April zur 2. SS-Panzerdivision nach Floridsdorf geflüchtet und dann später abgesetzt. Er tauchte unter dem Namen Richard Falk in Tirol unter, stellte sich dann aber am 05. Juni 1945. Er erhielt in den Nürnberger Prozessen 20 Jahre Haft. Nach kurzen aber heftigen Kämpfen auf dem Gürtel zwischen der SS, der Wehrmacht und dem Volkssturm auf der einen sowie und der 4. Gardearmee auf der anderen Seite erklärten die Sowjets am 13. April um 14.00 Uhr die Kämpfe für beendet. Gegen Abend wurden allerorts die Waffen niedergelegt. Die West-Alliierten übrigens marschierten erst am 28. April über Tirol in Österreich ein.

Innsbruck blieb nahezu gänzlich von Kampfhandlungen verschont. Am 02. Mai hatte Gauleiter und Reichsstatthalter Franz Hofer in seiner letzten Rundfunkansprache betont, dass man den vorrückenden Alliierten im Gebirge, nicht jedoch in der Stadt erbitterten Widerstand leisten werde. Die Brücken wurden deshalb auf seinen Befehl hin nicht gesprengt. Hofers Alpenfestung erwies sich jedoch als Lug und Trug – er versuchte selbst nach der Kapitulation der Heeresgruppe C in Italien ohne grossen Schaden aus dem Krieg zu kommen. Auch die von ihm aufgestellten Standschützen, ein Tiroler Traditionsverband, kamen nicht mehr als Volkssturm zum Einsatz. Hofer war es auch, der verhindern wollte, dass sich die Reste der 19. und 1. Armee der Heeresgruppe G in Vorarlberg und Tirol verschanzen sollten. Dies jedoch ohne Erfolg. Allerdings waren diese Einheiten stark ausgedünnt und grossteils demoralisiert. Die 19. Armee wurde im Tiroler Oberland, die 1. Im Unterland eingesetzt. Über Vorarlberg kämpfte sich die 1. Französische Armee vor, über das Ausser-fern und Mittenwald drei Divisionen der 7. US-Armee. Die 103. Infanteriedivision der Amerikaner sollte Innsbruck einnehmen. In der Scharnitzer Klause standen sie 15- und 16-jährigen der Hitlerjugend „HJ Bann Innsbruck“ gegenüber. Nach deren Aufgabe ging es nahezu kampflos bis vor die Tore Innsbrucks.

Am Fernpass gab es bei starkem Wintereinbruch am 01. und 02. Mai die heftigsten Kämpfe in Tirol. Dort hatten sich 1.200 Mann der 19. Armee der 44. Infanteriedivision in den Weg gestellt. Erst der 2. Umgehungs-versuch gelang den Amerikanern, die mit Hilfe von österreichischen Soldaten aus dem Tiroler Widerstand durchbrachen. Inzwischen hatte sich in Innsbruck unter Dr. Karl Gruber der Widerstand formiert. Am 02. Mai nahmen Stosstrupps die Wehrmachtskasernen und die Gendarmerie-kaserne in Innsbruck ein. Auf der Hungerburg wurde General Johannes Böheim, der Kommandeur der Divisionsgruppe Innsbruck-Nord, mitsamt seines Stabes festgenommen. Dieser hatte bereits mit den Amerikanern über eine Kapitulation verhandelt. In der Nacht zum 03. Mai kämpfte sich Ludwig Steiner zu den Amerikanern vor und informierte diese, daß sie in Innsbruck mit keinerlei Gegenwehr zu rechnen hätten. In der Stadt selbst gab es immer wieder Schießereien des Widerstands mit versprengten Wehrmachtssoldaten und Mitgliedern der SS. Als die 103. Amerikanische Invanteriedivision („Cactus-Division“) kampflos gegen Abend in Innsbruck einrückte, wurde sie von begeisterten Menschenmassen mit Fahnen und Blumen empfangen.

„Die Kaktus-Männer konnten kaum ihren Augen trauen. Es war wie die Befreiung von Paris. Der Jubel war ungeheuer. Männer, Frauen und Kinder schrieen den einmarschierenden Truppen Begrüßungsworte zu und streuten ihnen Blumen.“

(Kriegsberichterstatter der 103. Infanteriedivision)

In Frankfurt/Main trafen die US-Truppen auf keinerlei Widerstand. Die strategisch wichtige Stadt lag nach nicht weniger als 75 Luftangriffen in Schutt und Asche. Wehrmachts-Pioniere hatten am 26. März alle Brücken gesprengt – einzig die Wilhelmsbrücke (heute: „Friedensbrücke“) war noch intakt – über sie gelangten am 29. März die Amerikaner in die Innenstadt. Die Bevölkerung hauste zum grössten Teil in ihren Kellern, von den Häusern war v.a. in der Innenstadt nicht mehr viel übrig geblieben. Die 5. US-Infanteriedivision und die 6. US-Panzerdivision gehörten zu den Truppen der 3. US-Armee unter General George Patton. Sie war am 23. März bei Oppenheim über den Rhein vorgestossen. Schon am 24. März hatten die 300 Mann des Volkssturms kapituliert und Darmstadt kampflos übergeben. In Frankfurt selbst hielten sich nurmehr rund 1.000 Mann des Volkssturms und kampfunerfahrene junge Soldaten unter Generalmajor Friedrich Stemmermann auf. Gauleiter Jakob Sprenger hatte sich schon Tage zuvor nach Thüringen abgesetzt. Er flüchtete schliesslich nach Tirol, wo er sich kurz vor der Festnahme durch die Amerikaner selbst vergiftete. Vor seiner Flucht hatte er noch den „Kampf bis zum letzten Blutstropfen“ befohlen. Der Oberbefehlshaber West, Albert Keßel-ring, hatte daraufhin den Kommandeur des Grenadierregiments 57 aus Marburg, Oberstleutnant Erich Löffler, nach Frankfurt beordert. Als dieser am 27. März in der Taunusanlage 12, der Frankfurter Kommandantur, eingetroffen war, zerfetzte eine Granate den kompletten ersten Stock des Gebäudes. Dabei starb auch Löffler. Stemmermann geriet schwer verletzt in US-Kriegsgefangenschaft. Er hatte nach der Ablösung auf ein Auto vor dem Gebäude gewartet.

Hamburg schlenderte haarscharf an einer kompletten Zerstörung vorbei. Ende April 1945 stand die 7th Armoured Division 15 km vor der Hanse-stadt. Diese britische Division hatte sich ihre Sporen im Afrika-Krieg erworben – daher auch die Wüstenspringmaus im Emblem der Panzer-division) und war an der Landung in der Normandie beteiligt. Zuvor hatten die Streitkräfte von der Insel die Lüneburger Heide erobert, das KZ Bergen-Belsen am 15. April befreit – Lüneburg selbst hatte sich am 18. April kampflos ergeben. Bremen verteidigte sich bis auf den letzten Mann, die Stadt glich einem grossen Trümmerhaufen – die Verluste auf beiden Seiten waren sehr hoch. Am 27. April schliesslich ist auch hier der Krieg nach großem Blutvergießen vorbei. Hitler hatte Hamburg zur Festung erklärt und den Kampf bis zum bitteren Ende befohlen. Am 22. April beginnen mit der Aufstellung von Panzersperren die Vorbereitungen hierzu. 20.000 Soldaten und der Volkssturm sollten die Stadt vor den Briten retten. Den Oberbefehl hatte Hitlers Stellvertreter, Großadmiral Karl Dönitz. Kampfkommandant Alwin Wolz jedoch erkannte die Sinnlosigkeit und kapitulierte, wodurch er die Reste Hamburgs retten konnte. Neben dem Hafen standen auch die Phoenix-Werke unter ständigem britischen Artillerie-Beschuss. Dort wurden die Reifen für die Wehrmachtfahrzeuge hergestellt. Zudem befand sich hier ein Lazarett, in dem auch britische Kriegsgefangene medizinisch behandelt wurden. Stabsarzt Hermann Burchard konnte dessen Generaldirektor Albert Schäfer überzeugen, die Stadt zu retten. Nach der Genehmigung durch Wolz gingen die beiden am 29. April mit einer weissen Fahne den royalen Truppen entgegen. Offiziell durften die Soldaten (Burchard und Kampfkommandant Wolz) nur über die Rettung des Lazaretts Verhandlungen führen. Albert Schäfer hingegen überreicht dem britischen Captain Thomas Martin ein Schreiben mit dem Inhalt einer möglichen kampflosen Kapitulation. Darin wurde auch erwähnt, daß sich Gauleiter Karl Kaufmann „vernünftig“ verhalte. In der Antwort forderte Generalmajor Lewis Lyne die kampflose Kapitulation Hamburgs. Schäfer hatte dieses Schreiben in seinem rechten Schuh versteckt. Er überreichte es am 30. April Wolz. Dieser besprach sich mit Gauleiter und Reichsstatthalter Kaufmann, der in die kampflose Übergabe der Stadt angesichts der aussichtslosen Situation einwilligte. Am 3. Mai marschierten britische Truppen in Hamburg ein. Allerdings hing tatsäch-lich alles an einem seidenen Faden: Mit einem Tag Verspätung wurde der Selbstmord Hitlers über den Reichssender Hamburg bekannt. Nun sollte Kampfkommandant Wolz abgelöst werden. Dieser beorderte, nachdem er davon in Kenntnis kam, am 1. Mai zwei Wehrmachtsoffiziere zur Überbringung der Kapitulationserklärung. Grossadmiral Dönitz erfuhr über die Zeitung davon. Doch willigte er, nachdem die Briten Lübeck und die Amerikaner Wismar eingenommen hatten, als Stellvertreter Hitlers wider Erwarten ein. Hamburg musste seit dem Sommer 1943 ganze 190 Luftangriffe überstehen – nahezu kein Mauerstein stand mehr auf dem anderen. Kampfkommandant Wolz begab sich am Abend des 2. Mai zu Generalmajor Lyne und unterschrieb am darauffolgenden Morgen die Kapitulationsurkunde. Nach einer Rede von Gauleiter Kaufmann im Reichssender Hamburg, die die Bevölkerung der Stadt von der bevor-stehenden Besetzung durch die Briten informieren sollte, übergab Wolz am 3. Mai um 18.25 Uhr Hamburg an den britischen Brigadegeneral John Michael Sperling. Kaum vorzustellen, was mit Hamburg geschehen wäre, hätten nicht Wolz, Schäfer und Lindsay klaren Kopf bewahrt. Wolz war übrigens zwei Jahre lang in britischen Kriegsgefangenschaft. Danach erwarb er einen Bauernhof in Bayern; Schäfer wechselte in die Handels-kammer.

Der 8. Mai sollte deshalb nicht nur als Gedenktag für das Ende des Zweiten Weltkrieges in die Geschichtsbücher eingehen. Er sollte vielmehr als Heldengedenktag für all jene gefeiert werden, die den Mut und die Intelligenz aufbrachten, sich kampflos zu ergeben. Sie retteten dadurch viele Städte und Gemeinden vor deren Auslöschung und verhinderten weiteres Blutvergiessen in der Zivilbevölkerung. An Frauen, Kindern und alten Menschen. Es ist zudem ein Tag der Befreiung! Nicht von dem bösen Deutschen oder Österreicher. Viele gehorchten nur den Befehlen, da sie ansonsten selbst exekutiert worden wären. Es ist die Befreiung von einem menschenunwürdigen Regime, das niemals wieder eine solche Macht bekommen darf. Dabei spielt das politische Lager (rechts oder links) keine Rolle!

Der 8. Mai sollte zudem als Feiertag für ein friedliches, gemeinsames Europa begangen werden. Ob West oder Ost, Süd oder Nord! Europa hatte noch nie in seiner Geschichte eine dermaßen lange Ära des Friedens. Lasst uns deshalb auch weiterhin an einem grenzüberschreitenden, demokratischen Miteinander arbeiten! Wer aus der Geschichte nichts gelernt hat („Ein Fliegenschiss!“), sollte nicht die Zukunft eines Landes beeinflussen können!

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