Agrarpatente – irgendwann hört der Spass auf!
Samstag, Juni 28th, 2025Ein durchaus umstrittenes und damit heisses Thema, über das ich heute informieren möchte: Patente auf Tiere und Pflanzen! Angeschnitten habe ich dieses Thema bereits im meinem Text über die alten Sorten. Der damalige Saatgut-Riese Monsanto (heute zur deutschen Bayer AG gehörend) wollte damals Patente auf all seine Produkte, sodass die weltweite Landwirtschaft praktisch nurmehr die von ihm hergestellten Waren benutzen und dafür natürlich Lizenzen bezahlen sollte. Das wäre das Ende von Eigenzüchtungen und damit auch der alten Sorten gewesen.
Was aber hat sich seither geändert? Vieles, gleichzeitig aber eigentlich doch nichts! Ein kleines Beispiel? Am 15. Oktober 2024 wurde der Einspruch von „Keine Patente auf Saatgut“ gegen das Patent auf kälte-toleranten Mais der Firma KWS (EP 3380618) zurückgewiesen, obgleich Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Pflanzensorten in der EU nicht zulässig sind. KWS hatte das Patent im Jahre 2016 angemeldet, um damit auch Mais in nördlicheren Regionen anbauen zu können. Das ist alsdann die Begründung des Europäischen Patentamtes (EPA): Das Verbot ist nur auf Patente anzuwenden, die nach dem 01. Juli 2017 ange-meldet wurden! Sehr schwer zu verstehen!
Gegenbeispiel: Am 30. Oktober 2018 widerrief das EPA in München den Patentschutz auf ein Patent, das 2013 auf den „Super-Brokkoli“ von Monsanto (EP 1597965) erteilt wurde. Dieser Brokkoli ist eine besonders langhalsige Pflanze, damit sie besser geerntet werden kann. Schon 2014 protestierten Patent-Gegner vor dem EPA und überreichten 75.000 Unterschriften. Gemeinsam mit einem Konkurrenten Monsantos legten sie Einspruch gegen das Patent ein und erhielten Recht.
„Der Widerruf des Patents erfolgt als Konsequenz der Umsetzung dieser Regelung in die Praxis.“
(Rainer Osterwalder, Pressesprecher des EPAs)
Im Speziellen geht es dabei um die Erteilung von Patenten auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung. Dennoch hatte das EPA bis November 2018 rund 80 solcher Patente erteilt (Pflanzen und Produkte daraus). Soll heissen, wenn der Kleingarteninhaber oder Bio-Bauer ohne der Hilfe der Gentechnik eine neue Züchtung präsentiert und diese als Patent anmelden möchte, so sollte dies rechtmässig eigentlich nicht möglich sein. Diese Regelung aber gilt nicht für gentechnische Änderungen in der Züchtung – diese sind nach wie vor patentierbar. Der angesprochene US-Konzern jedoch ist selbstverständlich bekannt für seine konventionellen Züchtungen! Hätten sie damals die gentechnische Veränderung einge-standen, so wäre dies unter den Patentschutz gefallen. Doch: Gentech-nisch veränderte Pflanzen und deren Produkte müssen in der EU eindeutig gekennzeichnet sein. Stellt sich nun die Frage, wieso dieser Brokkoli als konventionelle Züchtung patentiert wurde?!
Zurück zum kältetoleranten Mais! Er stammt angeblich tatsächlich aus der konventionellen Züchtung! Das Unternehmen spricht von „Zufallsmuta-genese“ – die gentechnisch relevanten Anlagen wurden in bereits existierenden Pflanzenlinien entdeckt, die schon seit längerer Zeit zur Züchtung eingesetzt werden. Stellt sich hier erneut eine Frage: Wieso wurde der spezielle Mais patentiert, wenn er aus konventioneller Züchtung stammt?!
Und jetzt kommt der Knackpunkt: Besteht kein Patent, so können Züchter ohne Problem auf Züchtungsmaterial (Saatgut) zurückgreifen – das ist das „Züchterprivileg“. Und nun sind wir wieder dort, wo Monsanto damals die EU haben wollte: Dem Saatgut-Monopol! Besteht ein solches Agrar-Patent, so dürfen Zuchtunternehmen, aber auch kleine Garten-Züchter nurmehr auf das Saatgut des Patentträgers zurückgreifen und müssen selbstverständlich dafür bezahlen.
Grietje Raaphorst-Travaille vom niederländischen Zuchtunternehmen Nordic Maize Breeding bringt die Problematik auf den Punkt:
„Vermutlich wurden diese Pflanzen bereits jahrelang zur Zucht eingesetzt, bevor das Patent angemeldet wurde. Es scheint jetzt unklar, ob Pflanzen mit diesen Erbanlagen auch in Zukunft zur Zucht frei verwendet werden können. Wir können unsere Sorten nicht einmal nach den speziellen Genabschnitten durchsuchen, weil sogar die entsprechenden Nachweisverfahren patentiert wurden. Derartige Patente können der konventionellen Züchtung den Boden unter den Füßen wegziehen.“
Soll heissen, dass Züchter, die dieses Saatgut seit Jahren verwenden, plötzlich dafür bezahlen müssen – möglicherweise gar rückwirkend! Ansonsten ist der weitere Anbau – und damit auch die weitere Gewinnung von Saatgut – verboten und zieht sehr hohe Strafen mit sich!
Im Jahr 2024 erteilte das EPA 20 neue Patente auf konventionelles Saatgut – wie ist das möglich? Insgesamt sind rund 1.300 Pflanzensorten von derartigen Patenten betroffen, die es eigentlich gar nicht geben dürften.
„Das Europäische Patentamt und die Saatgut-Industrie zerstören mit diesen Patenten die Grundlagen der europäischen Pflanzenzucht. Noch nie war der Zugang zu konventionell gezüchteten Pflanzensorten so stark durch Patente behindert wie heute!“
(Johanna Eckhardt von Keine Patente auf Saatgut!)
Bereits 2023 erteilte das EPA 20 Patente auf Pflanzen konventioneller Züchtungen – dabei u.a. Gurken, Mais, Melonen, Paprika, Raps, Spinat, Tomaten und Weizen. Nach Angaben von „Keine Patente auf Saatgut!“ waren etwa folgende Unternehmen die Nutzniesser davon: Nunhems/BASF, Enza Zaaden, KWS, Rijk Zwaan, Seminis/Bayer und ChemChina/Syngenta. Der österreichische Verein Arche Noah erklärt, wie dies möglich ist: Damit eine Patentierung umgesetzt werden kann, werden in der modernen Gentechnik mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas spezielle Merkmale konventioneller Pflanzen kopiert. Diese Patente, die dann mit Hilfe der Gentechnik erzielt wurden, beschränken sich jedoch nicht nur auf die Gentechnik sondern – wie bereits kurz angesprochen – auch auf die Erfolge der konventionellen Züchtung durch Zufallsmutationen. Jene Züchter müssen dann Lizenzgebühren entrichten, obgleich die Züchtung möglicherweise sogar von ihnen selbst gemacht wurde. Ansonsten ruft der Richter.
Sehr peinlich ist in dieser Hinsicht das Moratorium des EPAs zur Prüfung von Patenten auf Pflanzen und Tiere. Nachdem das EU-Patentamt 2018 bemerkt hatte, dass widersprüchliche Entscheidungen bei der Prüfung von Saatgut gefällt worden sind, wurden die Prüfungen derartiger Patentanträge ab Anfang 2019 ausgesetzt. Ein Jahr später allerdings hob der Präsident des Europäischen Patentamtes, António Campinos, diese Aussetzung auf, obgleich nach wie vor viele Unklarheiten bestanden. Im Mai 2020 bestätigte die Grosse Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes, dass Pflanzen und Tiere aus herkömmlichen Züchtungs-verfahren nicht patentiert werden dürfen. ÄHM!? 2018 wurden Einsprüche etwa auf Patente durch herkömmliche Züchtung der Firma Carlsberg (Gerste und Bier) abgewiesen. Dem Schreiberling dieser Zeilen sei hierzu das Zitat eines Bibelspruches erlaubt: „ …, sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23:34, Lutherbibel 1912).
„Das Patentrecht wird sonst dazu missbraucht, um sich Kontrolle über die Landwirtschaft und die Grundlagen unserer Ernährung zu verschaffen.“
(Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuer-liche Landwirtschaft AbL)
Und damit wieder zurück zum Anfang: Das Urteil, wonach Patente, die vor dem 1. Juli 2017 eingereicht wurden, nicht beeinsprucht werden können, ist kontraproduktiv! Damit bleibt eine Vielzahl der Patente, die eigentlich widerrechtlich zugelassen wurden, bestehen. Hier müsste das EPA von amtswegen tätig werden und das Patent neu überprüfen.
Die vorhergehende Umweltministerin Österreichs, Leonore Gewessler (Grüne), sieht den Alpenstaat federführend in der EU – zumindest in dieser Problematik auf dem durchaus richtigen Weg:
„ … fortschrittliche Regeln, die Patente auf Leben verhindern und sicherstellen, dass die heimische Landwirtschaft geschützt ist”
Applaus hierzu kommt etwa von Saatgut Austria, aber auch der Arche Noah:
„Die österreichische Bundesregierung zeigt mit dem neuen Patentrecht vor, wie ein wirksamer Ausschluss von der Patentierbarkeit aussieht. Österreich wird damit Vorreiter in Europa!“
(Volker Plass, Geschäftsführer von Arche Noah)
Ende vergangenen Jahres wurde durch die deutsche Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ein Gutachten vorgelegt, das am 9. Dezember 2024 auch dem EU-Parlament vorgestellt wurde. Es kommt zu dem Schluss, ob entsprechende Vorlagen des EU-Parlaments und des EU-Ministerrates real überhaupt umsetzbar sind. „Keine Patente auf Saatgut“ begrüsst im Grossen und Ganzen den Vorstoss der deutschen Grünen, kritisert jedoch dabei, dass internationale Verträge abgeändert werden müssten, um ein solches Ziel zu erreichen – so beispielsweise das „Europäische Patentübereinkommen“ (EPU). Hier gehe das Gutachten zu wenig differenziert vor, wodurch erneut zu viele rechtliche Spielräume offen blieben. Ohne einen solchen weiteren politischen Schritt bleibt es wohl vorerst bei Lippenbekenntnissen, wie etwa dem 2. Patenten-Vorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft zu neuen Gentechniken vom 6. Februar 2025, in dem nach Meinung des AbL mehr den Wünschen und Vorstellungen der Patentinhaber und Konzernen entsprochen wird, als jenen der mittelständischen Pflanzenzüchter.
Links:
- www.no-patents-on-seeds.org/de
- www.kein-patent-auf-leben.de/
- www.arche-noah.at
- www.fian.at
- www.patentamt.at
- www.bdp-online.de/de
- www.abl-ev.de
- www.saatgut-austria.at
- nordicmaize.com/
- www.oxfamnovib.nl/