Mit Erdbeeren gegen die Natur

Immer mal wieder stossen die Interessen der Landwirtschaft und jene des Umweltschutzes lautstark aufeinander. Der Landwirtschaft geht es dabei zumeist um den höchsten Profit, dem Umweltschutz um die Nachhaltig-keit! Leider bleibt die Natur in nahezu allen Fällen auf der Strecke! Nach-folgend nun ein Beispiel, wie erbittert dieser Streit verlaufen kann.

Der Naturpark Doñana im spanischen Andalusien ist eines der wohl grössten Feuchtgebiete Europas. Beziehungsweise war er das! Nein, nicht etwa aufgrund der verheerenden Waldbrände in diesem Jahr (auch Andalusien blieb davor nicht verschont!), sondern vielmehr wegen der Profitgier einiger weniger Grossgrundbesitzer.

Der „Coto de Doñana“ (wie er von den Einheimischen genannt wird) umfasst das Mündungsgebiet des Guadalquivir an der Atlantikküste Andalusiens. Im Jahre 1969 wurde er zum Nationalpark erklärt, 1994 zum UNESCO-Weltkulturerbe; geschützt sind 54.000 Hektar „Marismas“ (zeitweise überschwemmte Gebiete, sie trocknen im Hochsommer aus – zurück bleiben kleine Lagunen und Bachläufe) sowie die umgebenden weiteren 68.900 Hektar – eine wahrhaft riesige Fläche. Tourismus ist hier nur in sehr sanfter Form möglich um dadurch Fauna und Flora zu schützen. Vor allem die Zugvögel nutzen die Doñana als Zwischenstopp für ihre Flugreise aus Nordeuropa nach Afrika. Daneben finden sich hier aber auch Binsen, Heide- und Laichkräuter, Korkeichen, Schirmkiefer, Stechginster, Strand-Alant und -hafer, Wacholder, Weiden, Wein, Zis-trosen und vieles andere mehr. Diese pflanzliche Vielfalt wiederum bietet auch dem Tierreich einen reich gedeckten Essenstisch: Zirka 250 Vogel-arten (wie Reiher, Löffler, Purpurenten und Ruderhühner, aber auch der Iberische Kaiseradler) nisten im Naturschutzgebiet. Auf dem Boden begegnen sich beispielsweise der Pardelluchs (Lynx pardinus), Pferde, Maurische Landschildkröten, Wildschweine und Hirsche.

Ein wahrhaftes Paradies also für Pflanzen und Tiere, aber auch beobach-tenden Menschen. Doch – an Letzterem scheitert es zumeist: Der Touris-mus an der Costa de la Luz ist nicht immer sanft, ein Dammbruch bei der Mine Los Frailes 1998 beförderte über 5 Mio Kubikmeter mit Arsen, Blei und Zink kontaminierten Schlamm in den Fluss Guadalquivir. Ansässige Bauern verhinderten durch das schnelle Aufschütten von weiteren Dämmen das Schlimmste. Dennoch beliefen sich die Kosten der Umwelt-schäden auf über 175 Mio €. Der Bergwerkskonzern übernahm nur rund ein Fünftel davon!

Tja – und dann sind da auch noch die Wasserdiebe. Die Provinz Huelva liegt direkt an der Grenze zu Portugal. Von hier aus startete Kolumbus 1492 seine folgenschwere Reise nach Amerika. Heute sind dort beinahe nurmehr gigantische Plastik-Städte zu finden: Gewächshäuser oder -zelte (wie auch immer Sie es haben möchten!) für den Anbau von Erdbeeren. Statistisch gesehen kommt fast jede dritte europäische Erdbeere aus dieser Region (in Spanien gar 98 %!). 100.000 Arbeitsplätze und über 11 % der Wirtschaftsleistung prallen mit voller Wucht auf den Naturschutz-park. Die Aufzucht der heiß begehrten Frucht erfordert enorm viel Wasser. Über 2000 Brunnen wurden im Naturschutzgebiet illegal erschlossen. Wurden einige versiegelt, kamen an anderer Stelle weitere hinzu. Die andalusische Landesregierung wollte sie legalisieren, aller-dings kam diesem Plan die spanische Zentralregierung zuvor. Am 27. November 2023 einigten sich Landes- und Zentralregierung nach lang-wierigen Streitereien auf eine Begrenzung des wild wuchernden Erdbeer-anbaus und somit der ungezügelten Wasserentnahme aus dem Natur-schutzgebiet. Jeder Erdbeerbauer, der für die nächsten 30 Jahre auf Forstwirtschaft umstelle, soll pro Hektar für fünf bis zehn Jahre 10.000 Euro erhalten. Das Land bleibt jedoch im Besitz des Bauern. Der derzeitige Marktpreis für einen Hektar mit erschlossenem Brunnen liegt bei 140.000 €, mit illegalem Brunnen bei 14.000 €. Jene Bauern, die nicht umstellen möchten, müssen auf klimaresistentere Erdbeersorten umstellen und erhalten „nurmehr“ 1.000 € pro Hektar an Förderungen. Zudem sollten zahlreiche Brunnen versiegelt werden. Während es der andalusischen, rechtsgerichteten Regierung um die Wirtschaft geht, sagt Madrid immer öfters „No“! So hat etwa der der Oberste Spanische Gerichtshof (Tribunal Supremo – TS) die Ausbaggerung des Guadalquivir verhindert. Doch auch in Andalusien gibt es inzwischen Widerstand. So verhinderte im Jahr 2020 der Oberste Andalusische Gerichtshof (El Tribunal Superior de Justicia de Andalucía – TSJA) die unterirdische Lagerung von Erdgas im Naturschutzgebiet. Auch wurden illegale Wasserentnehmer abgestraft. So gab es im September 2023 erstmals durch das Strafgericht 14 von Sevilla eine Haftstrafe von jeweils dreieinhalb Jahre und eine Entschädigungszahlung von zwei Mio € für fünf Geschwister, die jahrelang illegal Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Naturschutzgebiet abgezapft hatten. Deren Familie besitzt 456 Hektar Land im Naturpark und eine Genehmigung dür die Wasser-entnahme aus festgeschriebenen Brunnen in einem Ausmaß von 3,4 Mio Kubikmeter pro Jahr. Das aber war ihnen nicht genug. So entnahmen sie über mindetsens zehn Jahre hinweg „mit voller Absicht und bei klarem Wissen“ das Doppelte an Wasser (etwa im Jahre 2009) und betrieben zudem noch weitere illegale oder öffneten versiegelte Brunnen (2015). Andere Bauern mussten Notschlachtungen durchführen, da dem Vieh wegen der Trockenheit keine Weiden mehr zur Verfügung standen. Vor Gericht betonten sie, man habe dem sterbenden Naturpark dadurch nur einen Gefallen gemacht. Zwei Jahre später standen 250 weitere Landwirte oder Agrarbetriebe (198 davon aus der Region Huelva) und eine der reichsten Adelsfamilien Spaniens vor den Richtern. Den Blaublütlern wurde ebenso vorgeworfen, für deren Orangen- und Olivenplantage (200 ha) über rund ein Jahrzehnt aus bis zu acht Brunnen illegal Wasser abgepumpt zu haben. Die Generalstaatsanwaltschaft warnte im März dieses Jahres davor, Unternehmen und öffentliche Organe in Andalusien bei illegalen Wasserentnahmen verfolgen zu wollen. Andalusiens Landesregierung wollte die Bewässerungsrechte um 1.400 Bauern erweitern. Die „alten Familien“ berufen sich dabei auf uralte Rechte. Übrigens – die Regierung in Sevilla hatte auch die Wasserentnahme bei Granada genehmigt – für Mineralwasser-Lizenzen und alteingesessene Landwirte und Stierzüchter. Die Folge: Zigtausende Menschen in Anda-lusien müssen seit Monaten durch Tankwagen mit Trinkwasser versorgt werden. Noch lange nicht genug: Aus den Armenvierteln von Sevilla (etwa dem Campo de Gibraltar) wird zudem Trinkwasser in die Touristenhoch-burgen an der Costa del Sol gepumpt.

Schätzungen im Rahmen von Untersuchungen der Organisationen WWF, Greenpeace und Ecologistas en Acción gehen davon aus, dass in den Jahren 2022/23 etwa 4.000 Hektar (rund 4.800 Fussballfelder) illegal bewässert wurden. Die Folge: Trockengelegte Sümpfe, Baumsterben und die Abwanderung von Tierarten.

Durch die enorme Wasserentnahme ist der Grundwasserspiegel im Naturpark Doñana in den letzten Jahren um 50 % abgesunken. Die Hauptlagune des Doñana war seit Herbst 2022 bis zum Winter 2023/24 nahezu ausgetrocknet. In dieser Zeit, aber vor allem im März 2025 kam es zu schweren Regenschauern mit bis zu 145 Liter auf den Quadrat-meter. Der Boden war zu trocken, um die Regenmengen aufzunehmen – es gab verheerende Überschwemmungen. Allerdings war es noch nicht genug, warnen Experten. Um den Grundwasserspiegel wieder ansteigen zu lassen, wären mehrere Jahre mit so viel Regen über’s Jahr verteilt notwendig. Die zunehmende Hitze und Trockenheit sorgen vermehrt für Waldbrände, die auch an dem Naturpark nicht spurlos vorüber gehen. So wurden etwa 2017 Teile des Naturparks durch ein Feuer verwüstet, das vom Brand einer Firma ausging: Dort wurde Holzkohle hergestellt.

Auch Brüssel hatte längst reagiert. So verurteilte der Europäische Gerichtshof Spanien im Jahre 2021, den Naturpark besser vor „über-mässiger Wasserentnahme“ zu schützen. Später ermahnte auch die Europäische Kommission das Land, sich an diesen Urteilsspruch zu halten, als die andalusischen Pläne publik wurden. Allerdings leider nicht aus eigenen Stücken! 262.728 Unterschriften von Ecologistas en Acción, Salvemos Doñana, SEO/BirdLife, Wemove und dem World Wildlife Fund (WWF) waren dafür verantwortlich!

Alle Bemühungen der spanischen Zentralregierung sind dennoch gescheitert. Die letzte Lösung kostete sehr viel Geld: Das Land kaufte den umgebenden Naturpark auf. Dieser lag zuvor in der Aufsicht des Landes, die Marismas hingegen unter jener des Saates.

Die Schuld trifft auch die Konsumenten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In der erdbeerlosen Zeit der Monate Januar bis März kommen fast ausschliesslich Erdbeeren aus Huelva in die Supermärkte. Übrigens sind viele dieser Früchte noch zusätzlich durch die Abgase der Öl-Raffinerie von Huelva kontaminiert – auch wenn diese in Gewächs-häusern aufwachsen. Im Frühjahr übergaben die Organisationen Foodwatch und Campact 250.000 Unterschriften, wobei die Handels-konzerne Edeka, Lidl und andere aufgefordert wurden, auf diese Erdbeeren zu verzichten. Die beiden Diskonter Aldi und Lidl wollten an ihren Lieferanten festhalten, von Rewe und Edeka gab es keinerlei Reaktionen hierauf. Sollten Sie also unbedingt in dieser Zeit Erdbeeren benötigen, so möchte ich Ihnen tiefgefrorene Erdbeeren aus heimischer Erzeugung ans Herz legen. Damit lösen Sie mehrere Problem mit einem Schlag: Regionale Wertschöpfung (Sie unterstützen damit heimische Erdbeerbauern), keine langen Anfahrtswege über tausende von Kilometern (geringerer CO2-Fussabdruck) und die Region des Naturparks Doñana hat endlich wieder genügend Wasser. Am besten jedoch wäre, sie kochen und backen wie unsere Vorfahren: Mit regionalem und v.a. saisonalen Obst und Gemüse!!!

Links:

Leave a Reply


WP Login