Glück – ein seltenes Gut

„Die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten.“
(Siegmund Freud)

Nach einigen Blogs mit politischem, technologischem und naturwissen-schaftlichem Hintergrund, möchte ich heute mal ein Thema philoso-phisch/neurologisch angehen: Was ist Glück?!
Ist es Glück, beim Lotto zu gewinnen? Ist es Glück, im Urlaub einen freien Liegestuhl am Pool zu ergattern? Oder ist es gar Glück, vor dem herannahenden Auto noch rasch wegspringen zu können?! Gibt es überhaupt Glück und Glücksmomente?
Für viele hat das Wort „Glück“ eine andere Bedeutung. Für die meisten Jugendlichen ist Glück möglichst viele Follower zu haben, für Erwachsene die Rechnungen zahlen zu können, für Senioren gesund zu sein! Glück neurologisch erklärt ist relativ einfach, meint zumindest der klinische Neurologe Christof Kessler in seinem neuen Buch „Glücksgefühle“. Im „Belohnungs- und Motivationssystem“ des Gehirns entsteht der Eindruck „Gut gemacht!“. Nun erfolgt die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin, das uns all die vorhergegangenen Anstrengungen vergessen lässt! So können viele Marathonläufer nach dem Überqueren der Ziellinie noch weiterlaufen – die meisten sind überglücklich, dass sie das Ziel erreicht haben und merken in diesem Augenblick nicht, dass der Körper dieses Mal mehr ramponiert wurde, als im letzten Lauf. Diese Mischung aus Stolz und glücklich sein motiviert unheimlich, damit dieses Gefühl erneut erreicht werden kann. Auch Alkohol und Drogen können ein solches Glücksgefühl vorspielen, doch ist in den meisten Fällen danach, das Loch, das sich im Kater auftut, umso tiefer. Dadurch dauert auch die Erinnerung an diesen Glücksmoment wesentlich kürzer an als bei einer natürlichen Glückssituation, ohne Starthilfe.
Solche Augenblicke des Glücks sind in unserer schnelllebigen Welt sehr selten geworden. Deshalb boomen die Glücksratgeber und Glücks-seminare. Da jedoch jeder etwas anderes unter Glück versteht, ist es nicht wirklich ganz einfach, eine stets geltende Formel ausfindig zu machen. Eines jedoch sollte sich jeder zu Herzen nehmen: Teile Deine Projekte in kleinere Module. Dadurch ist es einfacher, Glück zu verspüren, das dann die Motivation für das nächste Modul bringt. Die Produktion von Dopamin nimmt übrigens mit zunehmendem Alter ab.
Viele Menschen sprechen von Glück, wenn sie ausgeglichen und zufrieden durch’s Leben gehen. Kann nicht geleugnet werden, obgleich es neurologisch etwas anderes ist. Schliesslich steckt mit dem Serotonin ein anderes Hormon dahinter. Es regt zudem eine etwas andere Hirnregion an, nämlich jene, die für das Gleichgewicht der Gefühle und somit die emotionale Regulation verantwortlich zeichnet. Zufriedenheits-glück ist alsdann etwas anderes als das Glück. Oftmals spielt dabei die Lebensweise eine ganz entscheidende Rolle. Glücksforscher haben entdeckt, dass eine gesunde Ernährung und viel Sport für ein grösseres Zufriedenheitsglück sorgen als Fastfood und Couching. Bevölkerungs-studien zur Depression haben aufgewiesen, dass vornehmlich die mediterrane Ernährung mit viel Obst, Fisch und Gemüse sowie wenig Fleisch vielen Depressionen vorbeugen kann. Auch dieses andere Glück lässt sich allerdings manipulieren. So ist die Vorstufe des Serotonins, das Tryptophan, in vielen Nahrungsmitteln enthalten: Hühnereier, Nüsse, Sojabohnen und schliesslich der Schokolade. So manch Eine(r) verhilft sich mit v.a. der Schokolade über einen depressiven Moment hinweg. Im zunehmenden Alter kann jeder die Grundzufriedenheit verbessern: Durch die Anzahl der kleinen Erfolgserlebnisse. Deshalb bezeichnet es die Hirnforschung als extrem wichtig, sich auch im Alter geistig zu fördern, weiter zu lernen.
Zu vieles Denken macht unglücklich! Eine wissenschaftlich untermauerte Feststellung. Allerdings kann unser Gehirn nicht so ohne weiteres „abgeschaltet“ werden. Auch während des Schlafens denkt jeder Mensch weiter – einerseits zur Verarbeitung des Erlebten, andererseits werden Planungen für die Zukunft durchgeführt („Stimulus-unabhängiges Netzwerk“). Untersuchungen ergaben, dass spezielle Meditations-techniken tatsächlich das Denken stoppen können. Andere entspannen aber auch bei Musik oder einem guten Buch.

„Das Sozialprodukt ist wichtig, doch es kann niemals erfassen, wie glücklich ein einzelner Mensch ist!“
(Bruno Frey)

Was also macht uns wirklich glücklich? Sorgen Sie für die täglichen Glücksmomente. Kleinere Aufgaben, die nach Abschluss mit Dopamin belohnt werden. Ist die Aufgabe zu gross, beginnt wieder das Denken nach einer Gesamtlösung. Der Glücksforscher Bruno Frey schaffte sich nicht wirklich viele Freunde, als er meinte, dass Kinder nicht unbedingt ausschlaggebend für das Glück sind. Auch das Geld ist nicht entscheidend. Beides kann zu einem Teil dazu beitragen. Bei Befragungen geben die Skandinavier und die Schweizer immer wieder an, die glücklichsten zu sein. Die Deutschen folgen auf der Skala mit 7-8 Punkten von 10 weiter hinten. Am Ende finden sich die Franzosen, Amerikaner und Italiener. Frey erstellte hierauf aufbauend eine Liste von Glücksfaktoren:

.) Soziale Vernetzung
Der ständige Austausch mit wirklich guten Freunden, Bekannten und der eigenen Familie ist für Frey der wohl wichtigste Glücksfaktor. Ausserdem hilft ein gutes vertrauliches Gespräch unter Freunden die Seele wieder freizuschaufeln
.) Gesundheit
Kranke Menschen sind zumeist nicht glücklich. Die körperliche und geistige Gesundheit ist eine wichtige Glücksvoraussetzung.
.) Materielle Sicherheit
Arme Menschen müssen zu viel bei allem an die Kosten und das Geld denken. Am glücklichsten sind jene, die von ihrem Einkommen gut und sorgenfrei leben können. Zuviel Geld jedoch ist ein Glückskiller.
.) Gesellschaftliche Faktoren
Am glücklichsten sind kinderlose Menschen, die in einer dezentralen Demokratie leben und einer selbständigen Arbeit nachgehen. Hinzu kommt die Eigenschaft, geben zu können und möglicherweise noch im Ehrenamt tätig zu sein. Menschen mit Kindern müssen sich weitaus mehr Gedanken über ihre finanzielle Situation, andere Wohnverhältnisse, ein grösseres Auto und schlaflose Nächte machen.
Viele Glücks-Trainer und Mental-Coaches bemühen sich, Menschen das offenbar verlernte Glücklichsein zurückzubringen. Gute Nachricht: Es ist machbar! Der ausschlaggebende Faktor ist die positive Einstellung. Nicht jedem ist es vergönnt, in seinem Traumberuf tagtäglich Glücksgefühle zu erleben. Dafür gibt es leider zu wenige Hotels an Traumstränden, die man managen könnte. Dennoch ist die Zufriedenheit im Beruf und die Glücksmomente während der Arbeit immens wichtig, da sie auch in’s Privatleben einspielen. Es besteht also eine immens wichtige Wechsel-wirkung. 20.000 Arbeitnehmer haben Jan-Emmanuel De Neve und George Ward von der London School of Economics europaweit im Rahmen der Studie „Happiness at Work“ befragt. Das Ergebnis: Mitarbeiter sind zufriedener und glücklicher, wenn sie selbst mitentscheiden und unter-schiedlichen Tätigkeiten nachgehen können. Chefs, welche die Stärken ihrer Mitarbeiter nicht einzusetzen wissen, sind keine guten Chefs! Kommt noch ein gutes Betriebsklima und das Gefühl hinzu, einen sicheren Job zu haben, so sind die Grundbausteine für zufriedene Arbeitnehmer gelegt. Sie nehmen in weiterer Folge quasi das Zufriedenheitsglück aus der Arbeit auch in ihr Privatleben mit, das für eine ausgezeichnete Work-Life-Balance sorgt. Dem verleihen sehr viele Glücksforscher einen sehr hohen Stellenwert. Andere wie De Neve/Ward sehen die Work-Life-Balance darin, wenn nach der Arbeit noch möglichst viel Elan für private Unternehmungen übrig bleibt. Welcher Typ sind Sie? Geschafft nach dem Job und ab auf die Couch? Freuen Sie sich darauf, nach der Arbeit noch mit den Kindern gemeinsam Fussball zu spielen? Lassen Sie nach der Arbeit die Sause so richtig abgehen? Oder gehen Sie auch gerne auf ein Feierabend-Bierchen mit Kollegen oder Freunden?
Glück zeigt sich für jeden anders! Doch in einem sind sich Glücksforscher einig: Ein zentraler Faktor ist die Charakterstärke! Das lasse ich nun einfach so im Raume stehen!

Gestatten Sie mir abschliessend zwei Fragen:
1. Wann waren Sie das letzte Mal wirklich glücklich (Dopamin)?
2. Sind Sie mit ihrem Leben generell zufrieden (auf einer Skala von 1 für nein bis 10 für ja) (Serotonin)!
Gibt es Nachholbedarf? Auf was warten Sie – es ist Ihr Glück! In Bhutan ist Glück wertvoller als alles Geld!

Lesetipps:

.) Ins Glück stolpern. Suche dein Glück nicht, dann findet es dich von selbst; Daniel Gilbert; Goldmann Verlag 2006
.) Lebenskunst und Moral. Oder macht Tugend glücklich?; Otfried Höffe; Beck 2007
.) Glück. Was ist das?; Günther Bien; Knecht 1999
.) Wo geht’s denn hier zum Glück. Meine Reise durch die 13 glücklichsten Länder der Welt und was wir von ihnen lernen können; Maike van den Boom; Fischer Krüger 2015
.) Psychologie des Glücks. Ein Handbuch; Anton Bucher; Beltz 2009
.) Glücksvorstellungen. Ein Rückgriff in die Geschichte der Soziologie; Alfred Bellebaum; Westdeutscher Verlag 1997

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