Wertschätzung – leider vergessen!!!

Schenke heute einem Fremden eines deiner Lächeln. Es könnte die einzige Sonne sein, die er den ganzen Tag sieht.

(Autor unbekannt)

In diesem heutigen Blog möchte ich mich einem Wort und einer Eigen-schaft annähern, die – so glaube zumindest ich – in unserer Gesellschaft weitestgehend in Vergessenheit zu geraten scheint: Der Wertschätzung!

Im Duden geblättert kommt man bei diesem Wort auf folgende Bedeutung: „Ansehen, Achtung; Anerkennung; hohe Einschätzung“. Die Wertschätzung ist somit eine Charaktereigenschaft, die jemand hat oder eben nicht. Allerdings ist sie erlernbar. Ein Umstand, den sich viele durch den Kopf gehen lassen sollten, denn mit der Wertschätzung kann so Manchem geholfen und vieles ermöglicht werden.

Ich habe vor kurzem einen Beitrag im Radio gehört, der mir zu denken gab. Eine Religionslehrerin sprach mit den Kindern über das Reinigungs-personal in der Schule. All die fleissigen Helfer, die nach dem Läuten der Schulglocken für saubere Gänge, Klassen und auch Toiletten sorgen. Der Lehrerin ist etwas gelungen, was eigentlich keiner Diskussion bedarf: Sie hat den Kindern beigebracht, dass jeder seinen Schmutz und Müll selbst wegräumen muss, damit es nicht andere Leute tun müssen. Menschen wie Du und ich, deren Arbeit aber meist nichts genügend wertgeschätzt wird, die auch kein hohes Ansehen in der Gesellschaft geniessen. Für viele ist es selbstverständlich, dass sie ein sauberes Gebäude betreten, daß die zerbrochene Flasche Wein im Supermarkt von jemand anderem aufgewischt wird, dass die Strassen gereinigt sind etc.. Die Kinder nun haben einen anderen Eindruck von dem Leben miteinander erhalten. Hoffentlich haben sie das auch mit nach Hause genommen. In Japan gehört es seit langem zur schulischen Erziehung, dass die Kleinen beim Sauberhalten des Gebäudes helfen – bei uns unvorstellbar!

„Ich wurde dazu erzogen, einen Hausmeister mit dem gleichen Respekt zu behandeln, wie einen Direktor!“

(Tom Hardy, britischer Schauspieler)

Tatsächlich gibt es Berufe, die aufgrund ihres schlechten Images nicht geschätzt und zumeist auch noch schlecht bezahlt werden. Neben der Reinigung zählen hierzu unter anderem die Müllabfuhr, Kanalreiniger, Pflegeberufe um nur einige zu nennen. Klar, dass sich hier niemand darum reisst, einer dieser Beschäftigungen nachzugehen – entsprechen-des Personal wird alsdann ständig gesucht.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigte in einer Studie auf, dass gerade im Dienstleistungssektor in jenen Berufen, die über kein gutes Image verfügen, die meisten sexuellen Übergriffe stattfinden. Ein Zeichen nicht vorhandener Wertschätzung für die Arbeit dieser Menschen und den Menschen selbst gegenüber. Ein Übergriff, völlig gleichgültig ob körper-lich, verbal oder gar sexuell ist stets eine Erniedrigung. Dazu zählt durchaus auch der Klaps auf den Po der Bedienung oder der ausrastende Kunde an der Kasse im Supermarkt. Menschen nehmen sich alles heraus, da sie der Ansicht sind, dass diese anderen Menschen da sind um sich für das Wohlbefinden ersterer zu bemühen. Der Kunde ist König!

Doch ist dies der Spiegel eines schlechten Charakters. Ein Zeichen mangelnden Respektes, da vieles im Umfeld nicht mehr funktionieren würde, wenn plötzlich derartige, „niederwertige“ Arbeit nicht mehr erledigt würde. Nichts ist selbstverständlich! Das sollte wohl ein Jeder berücksichtigen und an der Wertschätzung arbeiten, da gerade nach den Lehren des Christentums jeder Mensch gleich viel wert ist! Stimmen die Überlieferungen, dann hat es Jesus durch die Heilung eines Aussätzigen (Markusevangelium 1,40-48) oder der Sünderin Maria Magdalena, die den Jüngern die Auferstehungsbotschaft überbrachte (Johannes 20,11-18) demonstriert. Wer sich selbst als Christ bezeichnet, sollte durchaus ab und zu seine Werte in der Bibel nachlesen. Das Kastensystem nämlich entstammt dem Hinduismus, bei dem die unterste soziale Kaste der Shudras von den anderen drei Kasten (Brahmanen, Kshatriyas und Vaishyas) abwertend empfunden wird, da ihr Schicksal aus dem Dienen besteht und die Daliten gar ausserhalb des Kastensystems stehen – sie gelten als die „Unberührbaren“ und dürfen nicht mal angesprochen werden, obgleich sie eigentlich die Nachfahren der indischen Urein-wohner sind.

Es ist sehr einfach, anderen Menschen zu zeigen, dass man sie und ihr Tun schätzt. Wertschätzt! Mit Kleinigkeiten kann man anderen zu einem schöneren Tag verhelfen: Ein Lächeln, ein Dankeschön, ein Händedruck oder auch eine Umarmung. Vor allem aber sollte das Miteinander auf einer Ebene ausgetragen werden. Was bei vielen Haustieren gelingt (etwa das in die Knie gehen vor einem Hund), ist im menschlichen Umgang meist gar nicht möglich. Das sog. „Von-oben-herab-Behandeln“ zeigt dem Gegenüber stets, dass man diesem Menschen nicht wichtig ist. Ich etwa habe es mir angewöhnt, solche wichtige Menschen links stehen zu lassen oder sie gleich zu behandeln, wie sie es mir gegenüber zum Ausdruck bringen. Herrlich mitzuverfolgen bei sog. „Adabei-Sendungen“. Die wirklich Prominenten (A-Promis) sind zumeist sehr umgänglich, während ihre Kollegen aus den B-, C- und D-Lagern ständig ihre Bedeutung für die Gesellschaft aufzeigen müssen!

Selbiges gilt auch für die Verwendung des „Du“. Im deutschen Sprachgebrauch ist es eine Anrede, die Vertrautheit und Nähe vermittelt. Deshalb wird es im Bekannten- oder Verwandtenkreis verwendet. Spricht mich als Erwachsener hingegen ein Fremder mit „Du“ an, so spreche ich ihn auf derselben Ebene an. Das hat schon bei vielen Ärzten, Rechtsanwälten und Pfarrern für einen Moment der Überraschung gesorgt. Allerdings zeigt hierbei der Benimm-Führer von Adolph Knigge („Über den Umgang mit Menschen“) gewisse Grenzen auf. So z.b. bei älteren Menschen, Vorgesetzten, …

Nicht nur in einer Beziehung zeigen unregelmässige kleine Geschenke dem geliebten Menschen, wie wertvoll er für mich ist. Das gilt selbst-verständlich auch für andere. Die Gratulation zum Geburtstag, Hoch-zeitstag usw. beweist stets, dass an jemanden gedacht wird und dieser nicht in Vergessenheit geriet.

Erhält der Gegenüber ein Lächeln oder ein simples „Dankeschön“, so bemerkt er, dass er hat helfen können – es folgt der Ausstoss von Glückshormonen. Dabei ist das Lächeln als wertvoller einzuschätzen, da es in unserer Kultur als Zeichen der Sympathie bewertet wird. Jemand, der mir unsympathisch ist, wird niemals ein Lächeln erhalten. Auch das Lob fällt in diese Kategorie – es ist ebenfalls eine Steigerung des Danks.

Clients do not come first. Employees come first. If you take care of your employees, they will take care of your clients!“

(Richard Branson)

Vor allem bei Geschäftsterminen ist Pünktlichkeit ein absolutes Muß. Schiesslich zeigen notorische Zu-spät-Kommer, dass sie von dem Anderen nicht wirklich viel halten. Kein gutes Zeichen für eine geschäftliche Beziehung. Auch wenn der Betreffende eigentlich damit zeigen will, wie wichtig er selbst ist, so geht dies als Schuss nach hinten los. Es untermauert vielmehr, dass dem Unpünktlichen nichts an der Zeit des Anderen liegt, die er mit sinnlosem Warten verbringen muss.

Apropos geschäftlich: In wichtigen Gesprächen ist ständiger Blickkontakt und das Anreden mit dem Namen des Anderen Gold wert. Ebenso ein Zeichen der Wertschätzung des Gegenübers.

Der Händedruck ist mit Vorsicht zu geniessen. In unserer Kultur gilt er als ein Zeichen der Freude, jemanden persönlich treffen zu können. Man holt ihn praktisch durch das Handreichen in den eigenen persönlichen Bereich. In der sozialen Interaktion werden vier Distanzen ausgewiesen:

1.) Die öffentliche Distanz (mehr als 4 m)

2.) Die soziale Distanz (1,5 – 4 m)

3.) Die persönlich Distanz (0,6 m – 1,5 m)

4.) Die intime Distanz (weniger als 0,6 m)

Das Reichen der Hand überbrückt somit die beiden unterschiedlichen persönlichen Distanzen, während die herzliche Umarmung bereits in die Intimzone des Einzelnen reicht und somit tatsächlich nur bei guten Bekannten angewendet werden soll, da dies nicht jeder mag. In anderen Kulturen oder auch Religionen hingegen wird das Händeschütteln abge-lehnt. Im Islam etwa soll der Prophet Mohammed gesagt haben, dass er Frauen nicht die Hand gebe. Gleiches gilt auch für das orthodoxe Juden-tum. In beiden Fällen soll die körperliche Annäherung zwischen Mann und Frau vermieden werden. Auch im Hinduismus erfolgt zwischen Mann und Frau kein Händedruck, dafür zwischen zwei Männern ein beid-armiger. In Japan ist der Händedruck verpönt, dort begrüsst man sich mit einer Verbeugung. In China ist ein starker Händedruck unerwünscht, hier gibt man sich leicht und kurz die Hand und verbeugt sich! Die Verbeugung ist für die Länder im Fernen Osten durchaus ein Zeichen der Wertschätzung, in der westlichen Kultur hingegen eher ein Zeichen des Respekts, der Unterwürfigkeit, also einer Steigerung der Wertschätzung.

Im digitalen Schriftverkehr gilt es als Wertschätzung, wenn als Alternative zu „MfG“ (mit freundlichen Grüssen) wechselnde Grussformeln am Ende einer Mail oder einer Message verwendet werden.

Sie sehen also, mit welch geringen Mitteln gezeigt werden kann, dass ein Mensch etwas wert ist. Doch – wie bereits erwähnt – obliegt es einzig und allein dem Charakter eines Menschen, dies auch anzuwenden. Deshalb möchte ich heute mit einem Zitat von Jean-Jacques Rousseau schliessen, das mir sehr an’s Herz gewachsen ist:

Der Charakter offenbart sich nicht an großen Taten; an Kleinigkeiten zeigt sich die Natur des Menschen.“

Lesetipps:

.) Wertschätzung. Die inspirierende Kraft der gegenseitigen Achtung; Anselm Grün; Herder Verlag 2017

.) Gelebte Wertschätzung. Eine Haltung wird lebendig; Barbara Mettler-von Melbom; Kösel Verlag 2007

.) Wertschöpfung durch Wertschätzung; Hrsg.: Frieder Dünkel/Andreas Tietze/Peter Zängl; Nomos 2011

.) Mehr Wertschätzung für Dich und Deine Arbeit; Szilvia van Gerrevink; 2017

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