Archive for März, 2025

Heilig’s Blechle!!!

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck meint:

„Die Ankündigungen der hohen Zölle auf Autos und Autoteile sind eine schlechte Nachricht für die deutschen Autobauer, für die deutsche Wirtschaft, für die EU, aber auch für die USA. Sie greifen in die globalen Lieferketten ein und werden auch US-Autos teurer machen. Preise werden in den USA weiter steigen.“

Etwas deutlicher wird die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen:

„Wir werden nun diese Ankündigung zusammen mit anderen Maß-nahmen, die die USA in den nächsten Tagen in Betracht ziehen, bewerten.“

Südkorea hat Notfallmassnahmen angekündigt, Kanada spricht von einem „direkten Angriff“ und auch Japan stimmt in den Chor mit ein:

„Wir legen alle Optionen auf den Tisch, um die effektivste Antwort zu finden!“,

so Japans Ministerpräsident Shigeru Ishiba.

Doch – das Thema Strafzölle auf im Ausland produzierte Autos kennen wir bereits! Schon 2018 verfolgte US-Präsident Donald Trump diese Pläne. Damals waren nicht alle in seinem Team damit einverstanden. Etwa Rex Tillerson – es kostete ihn den Job. Anlässlich seiner Entlassung schrieb Stefan Kornelius von der Süddeutschen Zeitung, dass es um Rex Tillerson als höchstwahrscheinlich schlechtesten US-Aussenminister nicht schade wäre, doch hatte er durchaus seine Berechtigung: „…als Korrektiv für den wohl schlechtesten Präsidenten in der Geschichte der USA“! Trump ist ein Populist und als solcher – das kennen wir von Vertretern der SVP in der Schweiz, der AfD in Deutschland und der FPÖ in Österreich – ein Krakehler und Tagespolitiker ohne Weitblick.

„Wenn die EU mit Kanada daran arbeitet, den USA wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, werden groß angelegte Zölle, viel größer als die derzeit geplanten, gegen beide verhängt!“

(Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social)

Posaunte er doch ehedem freudestrahlend bei einer Wahlkampf-veranstaltung in Pennsylvania in die Welt: „Wir werden Mercedes-Benz und BMW mit Zöllen belegen!“, so hat er wohl übersehen, dass BMW mit der Tochtergesellschaft BMW US Manufacturing Company LLC in Spartanburg/South Carolina seit 1994 mit 8.000 Mitarbeitern täglich rund 1.400 Fahrzeuge der Modelle X3, X4, X5, X6, X7 und XM selbst vorort fertigt – vom Z3 etwa wurden bis 2002 297.087 Exemplare in den USA hergestellt. Auch Mercedes produziert über die Tochter Mercedes-Benz U.S. International (MBUSI) in Tuscaloosa/Alabama die Modelle GLE, GLS und GLE Coupé sowie den Mercedes-Maybach GLS, aber auch den vollelektrischen EQE SUV, den EQS SUV und den Mercedes-Maybach EQS SUV. Daneben betreiben die Stuttgarter in Woodstock/Alabama auch ein eigenes Batteriewerk. Mercedes investierte an den Standorten rund 7 Millarden US-Dollar (darunter etwa 1 Mrd. für das Batteriewerk) und fertigte dort seit 1997 etwa 571.000 Stück der M-Klasse, danach auch die R- und GL-Klasse. Wertmässig zwei Drittel der verarbeiteten Teile stammen von US-Zulieferern, in beiden Werken arbeiten über 6.000 Mitarbeiter – mehr als 260.000 SUVs verliessen im Jahr 2024 das Fliess-band (seit 1997 mehr als 4,5 Mio Fahrzeuge). Mit einer Wertschöpfung 2017 von 1,5 Milliarden US-Dollar und einem Exportvolumen von 1 Milliarde jährlich ist das Unternehmen sogar der grösste Exporteur Alabamas, der zweitgrösste Automobil-Exporteur der USA. Somit geht es bei diesen beiden Unternehmen – sollten sie in Runde 2 Schaden aus den Plänen Trumps erleiden – um heimische Arbeitsplätze in zwei Bundesstaaten aus dem Süden der USA – aus dem Gebiet der Stamm-wählerschaft der Republikaner. Es ist also grösster Nonsens, wenn Trump mit der Einfuhr von Strafzöllen Autohersteller aus dem Ausland mit Standort in den USA schaden möchte.

Andere Studien hingegen zeigen auf, dass dies mit Vorsicht zu geniessen ist. So hat beispielsweise das CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen 2018 ausgerechnet, dass Strafzölle eine Mehrbelastung der deutschen Autoindustrie im US-Geschäft in der Höhe von 3 Milliarden Euro jährlich bedeuten würde – und BMW treffe es am meisten, da die in den USA produzierten Fahrzeuge „nicht gegen-gerechnet werden könnten“! Soll heissen, dass alle anderen Modelle (bei BMW beispielsweise auch der Mini) importiert werden müssen. Hierzu einige Zahlen aus 2017 für die Produktionen und Verkäufe in den USA:

– Audi

50.000 Fahrzeuge gebaut, 225.000 verkauft, 170.000 importiert, erwartet 655 Mio € Mehrausgaben

– BMW

370.000 Fahrzeuge gebaut, 350.000 verkauft, 250.000 importiert, erwartet 1 Mrd € Mehrausgaben

– Mercedes (inkl. Smart)

335.000 Fahrzeuge gebaut, 375.000 verkauft, 150.000 importiert, erwartet 600 Mio € Mehrausgaben

– VW

600.000 Fahrzeuge gebaut, 340.000 Fahrzeuge verkauft, 5000 importiert, erwartet 11 Mio € Mehrausgaben (Porsche zusätzlich 480 Mio € Mehrausgaben)

Auch VW lässt in Chattanooga bzw. Mexiko für den US-Markt produ-zieren. Mexiko ist ja vorerst bis Anfang April von den Trump’schen Strafplänen der generellen Strafzölle ausgenommen, da auch sehr viele US-Auto-Produzenten aufgrund der niedrigeren Löhne dort produzieren lassen. Ausserdem sind Mexiko und auch Kanada ja alsdann Mitglieder des nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA), doch soll auch das überarbeitet werden. Und zudem gibt es da noch die Free Trade Area of the Americas (FTAA) – die amerikanische Freihandelszone!

Aber – fairerweise muss erwähnt werden: Aus den USA in Europa importierte Fahrzeuge werden hierzulande mit einem Zoll von 10 % belegt! Die USA verlangten bislang für europäische Fahrzeuge nur 2,5 %. Etwas anders zeigt sich jedoch die Situation bei Lastwagen und Pickups – die USA verlangen 25 %, die EU hingegen nur 14 %. Ein ähnliches Prozedere auch bei Schuhen, Textilien und Erdnüssen.

Im Automobilbereich sieht Trump das grösste Problem.

Seit 12. März bestehen schon Strafzölle auf Erzeugnisse aus Stahl und Aluminium in der Höhe von 25 % – „zum Schutz der nationalen Sicher-heit“! Damit trifft er die EU weitaus weniger hart als beispielsweise Brasilien und China. Und nun, ab dem 03. April also auch auf Autos.

Die EU führte bereits 2018 Zusatzzölle für US-Produkte ein, die bislang ausgesetzt waren – allerdings sollen diese ab 15. April wieder in Kraft gesetzt werden. Dies beträfe dann Waren bzw. Marken wie Harley Davidson, Jack Daniels, Levis, Marlboro, … – einzusehen im Anhang II der Durchführungsverordnung EU 2018/885 bzw. 2020/502: Waren aus Aluminium und Stahl, Lederwaren, Zucker, Rindfleisch, … – ja, auch meine heissgeliebten Erdnüsse werden dabei sein. Produkte im Gesamt-wert von rund 6,4 Milliarden Euro! Das bedeutet dann Krieg, Handels-krieg! Schliesslich hängen zigtausende Arbeitsplätze vom EU-Import amerikanischer Waren ab. Wie war das noch vor ein paar Jahren mit TTIP???

Etwas gelassener sieht es die Stahlindustrie in Deutschland. Hier werden vornehmlich Rohre für US-Pipelines exportiert – nachdem das Fracking-Geschäft aber dermassen eingebrochen ist, ist auch dieser Bereich rückläufig. Sollten die Exporte über den Atlantik ausfallen, tut’s zwar weh, verursacht aber keine wirklich grossen Hühneraugen, da die entsprechenden Unternehmen zudem aufgrund von Dumping-Verfahren, die bereits 2016 eingeleitet wurden, die Exporte stark gedrosselt oder gar gestoppt haben. Auch der grösste österreichische Stahlerzeuger, die voestalpine betont, dass nur rund 2-3 % des Umsatzes von Strafzöllen betroffen wären. Das Unternehmen lukriert etwa zwei Drittel ihres Stahlumsatzes mit den USA (1 Mrd. €) als lokale Produzenten in den USA selbst (Angaben: Wolfgang Eder, Ex-Vorstandsvorsitzender VOEST 2018).

Einzig: Der Umleitungseffekt wird zu Problemen führen. Jene Grobbleche, die nicht mehr in die USA exportiert werden, drängen auf den europäischen Markt. Und der kränkelt ohnedies seit Jahren schwer. ThyssenKrupp hat schon 2017 300 Arbeitsplätze in der Grobblech-produktion gestrichen. Grobbleche werden beispielsweise für die Motoren- oder Röhrenproduktion benötigt. Hier ist der Markt schon seit längerem heiss umkämpft, da diese in China und Korea unter den dortigen Produktionskosten eingekauft werden können. So werden Überproduktionen abgebaut, aber auch Konkurrenten vom Markt gewischt. Ist dies geschehen, werden die Preise wieder erhöht. Die EU unterdrückt das Prozedere seit Jahren durch Importzölle oder Anti-Dumping-Massnahmen. Im Vergleich zu den USA gehen die Europäer jedoch nur gegen einzelne Produkte (etwa nahtlose Edelstahlrohre) oder Staaten vor und begründen dies auch entsprechend. Trump rechtfertigt seine umfassende Massnahme mit „nationaler Sicherheit“ und geht gegen alle vor.

Hier ein kurzer Blick auf das Stahlimport-Ranking der USA nach Herkunftsländer (Zahlen: Census Bureau 2023): †Kanada: 6.885.000 Tonnen, Mexiko: 4.184.000 Tonnen, Brasilien: 3.942.000 Tonnen, Südkorea: 2.637.000 Tonnen, … ††Deutschland folgt auf Platz 6., China erst auf Platz 7.! Damit ist klar nachgewiesen, dass Trump nicht China an den Kragen will, er schädigt also vornehmlich die Handelsbeziehungen zu Verbündeten! Soll heissen, er will dadurch mehr rausholen. Und das hat wahrlich nichts mit der nationalen Sicherheit zu tun – auch wenn die Stahlindustrie in den USA schlecht dasteht – das aber ist hausgemacht!

Damit die EU dauerhaft hiervon ausgenommen wird, verlangen die USA noch mehr:

– Einfrieren der EU-Stahlexporte in die USA auf dem Niveau von 2017

– Erhöhung der Antidumping-Abgaben auf chinesischen Stahl

– Erfüllung der vereinbarten Rüstungsanstrengungen

Mein lieber Schorle – jetzt will Trump seine Waffengier auch in Europa durchsetzen!!!

Im Jahr 2018 schlug EU-Ratspräsident Donald Tusk von sich aus ein Frei-handelsabkommen wie TTIP mit den USA vor. Gottlob war dies nicht notwendig, hätte es doch den erneuten Start des ganzen Brimboriums bedeutet – mit noch höheren Auflagen durch die USA als damals bei den originalen TTIP-Verhandlungen. Und stets der Drohung im Hintergrund, dass die Stafzölle ja auch auf Europa ausgedehnt werden können. Diese Erfahrung machte 2018 auch die damalige EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström nach Ihrem ersten vierstündigen Gespräch mit dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer in Brüssel. Die Regierung Trump zeige mangelhaftes Entgegenkommen. Wieso hat Mr. Trump dann 2018, kurz vor der Deadline einen Zoll-Interruptus gemacht??? Und dass derartige Abkommen nur beschriebenes Papier sind, zeigte der US-Präsident ja vor Jahren schon am Beispiel Aluminium aus Brasilien Das Land am Amazonas gehört ebenso zur FTAA!

Nach unterschiedlichen Krisen-Treffen der europäischen Politiker aller Ebenen wurde eine deutliche Antwort auf die Handelspolitik der USA versprochen. Trump meinte einst, dass Handelskriege „gut und leicht zu gewinnen“ seien! Anderer Meinung war damals schon die US-Handels-kammer:

„Zölle könnten zu einem zerstörerischen Handelskrieg mit ernsten Konsequenzen für das US-Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen führen!“

(Thomas Donohue, Präsident der US-Handelskammer)

Derselben Meinung ist man auch heute beim Kieler Institut für Welt-wirtschaft (IfW):

„Auch wenn die Autoindustrie global sehr sichtbar ist und ein Zollsatz von 25 Prozent im historischen Vergleich sehr hoch ist – außerhalb Nordamerikas bleiben die gesamtwirtschaftlichen Effekte überschau-bar!“

(IfW-Ökonom Julian Hinz, Professor für Internationale Volkswirtschafts-lehre an der Universität Bielefeld).

Trump schneidet sich damit ins eigene Fleisch: Unzählige Produkte werden in den USA durch die Strafzölle im allgemeinen teurer werden, die Inflation steigen und die Konjunktur sinken.

„Wenn die USA ihr Handelsdefizit reduzieren wollen, müssen sie die Amerikaner dazu bringen, härter zu arbeiten. Und sie müssen Reformen in Einklang mit der internationalen Marktnachfrage durch-führen, statt den Rest der Welt aufzufordern, sich zu ändern.“

(Leitartikel in der chinesischen Zeitung Global Times)

Die eigentlichen Pläne des Präsidenten: Das Handelsbilanz-Defizit mit China soll um rund 100 Milliarden Dollar reduziert werden (derzeit bei -295,4 Mrd. $). Deutschland etwa hat ein Handelsbilanzplus von 16 Mrd. Euro im Januar 2025 – das hat den Neid des Präsidenten geweckt. Doch: Trump wird sich nicht nur an China, sondern auch an der EU und Kanada die Zähne ausbeissen. Die Volksrepublik war 2017 mit nicht weniger als 636 Milliarden US-Dollar Einfuhren der wichtigste Handelspartner der Vereinigten Staaten. US-Exporte nach China erreichten gerade mal 375 Milliarden. Während zuletzt die chinesischen Exporte abflachten (nurmehr 3,2 %), legten die Importe um 6,5 % zu (Stand: Juli 2024). Somit arbeitet auch das Reich der Mitte an ein Handelsbilanzdefizit!

Aus der EU-Kommission heisst es, dass für die Einfuhr von US-Waren in die EU im Schnitt 3 % Zölle verlangt werden, die USA liegen bei 2,4 %. Damit hat Trump also die Rechtfertigung für seine Pläne verloren! Zu laut gebrüllt Löwe. Und wenn die Amis nun mehr für das von Ihnen heiss geliebte Red Bull bezahlen müssen, da das Aluminium der Dosen höher verzollt wird, fällt das ja auch wieder auf den kleinen US-Bürger zurück! Vorher besser kundig machen!!!

Lesetipps:

.) The Globalization Paradox – Why Global Markets, States, and Democracy Can’t Coexist; Dani Rodrik; Oxford University Press 2011

.) Internationale Wirtschaft – Theorie und Politik der Außenwirtschaft; P. R. Krugman/M. Obstfeld; Pearson Studium 2006

.) Volkswirtschaftslehre 2; Werner Lachmann; Springer-Verlag 1995

.) Makroökonomie; Olivier Blanchard/Gerhard Illing; Pearson Studium 2006

.) Auf Kosten der Freiheit: Der Ausverkauf der amerikanischen Demokratie und die Folgen für Europa; Josef Braml; Bastei Lübbe 2016

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Pollenallergie – ein Leben wie im Schlaf

Vor zwei Wochen hatte ich die bislang schwersten Tage dieses Jahres zu überstehen. Der Grund: Der Flug der Birkenpollen! Rote tränende Augen, rinnende Nase, Niesattacken und ständiger Husten aufgrund eines kratzenden Halses – nicht gerade sehr erquickend in der schönsten Zeit des Jahres, wenn die Natur in all ihrer Schönheit erwacht. Dabei hatte ich als Kind keinerlei Probleme damit – kam erst mit einem gewissen Alter. Doch warnen Forscher davor, die allergische Rhinitis nicht ernst zu nehmen.

Erwiesen ist etwa bereits der Umstand, dass Allergiker in der Schule oder bei der Arbeit mit einem Leistungseinbruch rechnen müssen (Schlaf-losigkeit mit Tagesmüdigkeit, verminderte Konzentration- und Lern-fähigkeit). Daneben ist inzwischen auch klar, dass sich Asthma bronchiale, das durch eine Pollenallergie ausgelöst wird, zu einer chronischen Erkrankung mit Atemnot entwickeln kann (bei rund 50 % der Heuschnupfen-Erkrankten innerhalb von fünf bis 15 Jahren). Zudem können sich die Nasennebenhöhlen entzünden und ein chronischer Husten entstehen. Auch ein anaphylaktischer Schock kann nicht ausge-schlossen werden.

Am 24. Juli 1906 veröffentlichte Clemens von Pirquet, ein Arzt aus Wien, einen Artikel in der Münchner Medizinischen Wochenschrift. Er beschrieb darin als erster das Krankheitsbild, das er als „Allergie“ bezeichnete. Heute zählt die Pollenallergie, ebenso wie etwa die Neurodermitis, zu den „atopischen Erkrankungen“. Die Allergieneigung wird vererbt, wobei Schadstoffe in der Luft die Heftigkeit der Erkrankung verstärken können. Nach Schätzungen der „Europäischen Stiftung für Allergieforschung“ (ECARF) leiden mehr als 30 % der europäischen Bevölkerung an einer Pollenallergie (20 Mio in Deutschland, in Österreich rund 16 %). Tendenz: Steigend! Der dadurch verursachte volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich auf rund 100 Milliarden €.

Der Heuschnupfen ist eine Abwehrmassnahme des Körpers auf Pollen, die entweder durch den Wind oder Insekten in der Luft verbreitet werden. Dabei können sie über hunderte Kilometer hinweg verfrachtet werden. Vor allem Getreide- und Gräserpollen, aber auch Birken-, Hasel- und Erlenpollen machen dabei im Frühjahr so manchem Menschen das Leben erdenklich schwerer – im Herbst ist es vornehmlich Ragweed (Wilder Hanf). Diese Unkrautart gedeiht zwar nicht in Deutschland oder Öster-reich, da sie mehrere lange Wärmeperioden benötigt, die Pollen werden jedoch aus den USA importiert oder gelangen durch den Wind in’s Land. Während Gräser für etwa acht Pollen pro Kubikmeter Luft verantwortlich sind, können es bei Ragweed bis zu 156 sein! Doch auch das Beifuß-blättrige Traubenkraut könnte nach einer Studie aus dem Jahr 2016 (erschienen in „Environmental Health Perspektiven“) zum großen Problem werden – die Zahl der Betroffenen könnte alleine in Europa von damals 33 auf etwa 77 Millionen steigen – vor allem in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Polen.

An sich ungefährlich, unterscheidet jedoch der Körper zwischen gefähr-lichen Krankheitserregern und diesen Pollen nicht und fährt deshalb das Immunsystem mit all seinen Erscheinungsmassnahmen hoch um den Eindringling abzuwehren. Verantwortlich dafür zeichnen Eiweiße an der Oberfläche der Pollen (Allergene). Auch Erreger wie Viren bestehen aus Eiweißen, weshalb der Körper mit der Produktion von Antikörpern reagiert. Diese wiederum regen die sog. „Mastzellen“ in den Schleim-häuten an, Entzündungsstoffe wie Histamin freizusetzen. Das führt zum Anschwellten, der Rötung und dem Juckreiz der Schleimhäute.

Sehr problematisch sind sog. „Kreuzallergien“, bei welchen der Betroffene auf Pollen und dadurch auch auf verschiedene Nahrungsmittel immu-nologisch reagiert. Birkenpollen-Allergiker können somit ebenfalls auf Äpfeln, Kirschen, Haselnüssen und Pfirsichen reagieren.

Um den Heuschnupfen von einem Infekt (Erkältung) zu unterscheiden, sollte das Nasensekret genau begutachtet werden. Bei der Erkältung zeigt sich dieses gelblich, während es beim Heuschnupfen klar und wässrig ist. Die Allergie gegen die Ausscheidungen der Hausstaubmilbe hingegen führen vornehmlich zur Verengung der Atemwege („Obstruktion“).

In der Behandlung gilt die Drei-Säulen-Therapie:

– Vermeiden der Allergieauslöser

– Medikamente wie Antihistaminika zur Linderung der Symptome

– Immuntherapie zur Hypo- oder Desensibilisierung

Durch die Therapie kann das Risiko auf Asthma bronchiale („Etagen-wechsel“ von den oberen Atemwegen in die Lunge) auf 10-20 % gesenkt werden.

Allerdings erleichtern auch einige selbst durchgeführte Massnahmen das Leben etwas:

– Aufenthalt im Freien an Tagen mit starkem Pollenflug meiden – †Besonders gut sind Spaziergänge nach kräftigem Regen

– Rasen kurz halten – †Stets vor seiner Blüte mähen.

– Pflanzen Sie Lippenblütler wie Lavendel oder Salbei an – †Sie besitzen im Vergleich zur Birke oder der Haselnuss keine oder nahezu keine Pollen

– Fenster (auch im Auto) zum Lüften nur an belastungsarmen Tagen öffnen – †Ein Pollenfilter kann ansonsten helfen

– Gewaschene Wäsche nicht im Garten zum Trocknen aufhängen – †Die Pollen bleiben an der noch feuchten Wäsche kleben und werden so in’s Haus getragen

– Sonnenbrillen – †Viele der Pollen landen im Auge. Hier sortiert keine Schleimhaut vor, sie prallen direkt auf die Bindehaut und verursachen dadurch eine allergische Bindehautentzündung

– Tägliche Dusche und Haarewaschen – †Auch dabei geht es darum, die anhaftenden Pollen los zu werden – vor allem vor dem Schlafengehen

– Getragene Bekleidung nicht im Schlafzimmer lagern

– Hören Sie mit dem Rauchen auf – †Rauchen verschlechtert den Zustand der Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich bzw. der Nase

Ab einer Seehöhe von 1.500 m bzw. am Meer fliegen die wenigsten Pollen. Glücklich also jene Menschen, die ihren Urlaub während der drei Blüteperioden dort verbringen können:

.) Blüteperiode 1

Zwischen Februar bis April blühen vornehmlich die Bäume. Dabei dauert die lästige Birkenperiode von Mitte März bis Mitte April an.

.) Blüteperiode 1

Zwischen Februar bis April blühen vornehmlich die Bäume. Dabei dauert die lästige Birkenperiode von Mitte März bis Mitte April an.

.) Blüteperiode 2

Zwischen Mai und Juli blühen hauptsächlich die Gräser und das Getreide – beide sind botanisch miteinander verwandt

.) Blüteperiode 3

Zwischen Juli und September blühen die Kräuter, wie auch Beifuß und Ragweed

Für die Anamnese durch den Arzt ist ein geführtes Allergie-Tagebuch sehr hilfreich. Notieren Sie dabei die Symptome (Art, Dauer und Schwere), die Ernährung und etwaige Umwelteinflüsse. Dadurch lässt sich unter Herbeiziehung des Pollenflugkalenders das Allergen auch ohne Allergie-test erkennen. Dieser ist bei einer ärztlichen Diagnose hingegen unab-dingbar. Er setzt sich aus sog. „Provokationstests“ sowie der Abnahme von Blut zusammen. So weisen beispielsweise Allergiker einen erhöhten Immunglobinwert (IgE) auf, ein spezieller Antikörper, der zur Bekämpfung der Allergene gebildet wird. Beim Provokationstest (Hauttests wie etwa der Pricktest) werden Lösungsmittel mit den entsprechenden Allergenen auf die Haut getröpfelt und mit einer Nadel in diese eingeritzt. Durch die Rötung der Haut oder einer Quaddelbildung lässt sich das entsprechende Allergen ausfindig machen.

In der anschliessenden „Hyposensibilisierung“ (auch „Spezifische Immun-therapie“ SIT) wird dem Körper eine ständig steigende Dosis des Aller-gens verabreicht, sodass sich dieser langsam daran gewöhnt und mit keiner starken immunologischen Abwehr reagiert. Nur diese Massnahme bekämpft die tatsächliche Ursache. Die Therapie wirkt meist für rund 11 Jahre.

†Medikamentös werden alsdann nur die Symptome, nicht jedoch die Ursache selbst behandelt. So helfen Antihistaminika oder Mastzell-stabilisatoren gegen die Produktion des Histamins. Die können als Tabletten, Nasensprays oder auch Augentropfen eingeführt werde. Mittel gegen die Anschwellungen, wie Sympathomimetika oder Glukokortikoide, sollten hingegen nur für einen kurzen Zeitraum verwendet werden, da sie etwa die Nasenschleimhäute schädigen oder zu Diabetes mellitus führen.

Bleiben Sie gesund!

ACHTUNG:

Dieser Text dient nicht der Selbstbehandlung. Bei Heuschnupfen sollte auf jeden Fall der Hausarzt hinzugezogen werden!

Lesetipps:

.) Angewandte Allergologie; Johannes Ring; MMV Medizin Verlag 2003

.) Pollenallergie erkennen und lindern; Katharina Bastl, Uwe E. Berger; Manz 2015

.) Das Anti-Heuschnupfen Protokoll: Anleitung zur Ernährungsum-stellung, Darmsanierung und Entgiftung: Für ein Leben ohne Pollen-allergie, Allergie Tabletten und Nasenspray; Christian Kollitsch;‎ Independently published 2018

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Des Deutschen liebste Knolle – die Kartoffel

Ob als Salz-, Brat- oder Pellkartoffel, als Knödel (Klösse), Salat, Pommes oder in der eidgenössischen Rösti-Version – auch die Österreicher und Schweizer schwören auf die Erdfrucht. Manche zudem in Alkohol-Form (Wodka oder Aquavit) oder als Futtermittel.

Dabei stammt die Kartoffel eigentlich gar nicht aus Europa. Auf der Insel Chiloé fand man die ältesten Spuren – vor rund 13.000 Jahren. Weitere Landsorten wurden in den Anden (Argentinien, Bolivien, Chile, Peru und Venezuela entdeckt. Nach Europa kam sie vermutlich über die Kanarischen Inseln im 16. Jahrhundert. In Deutschland erfolgte der erste Anbau unter Ferdinand III. im Jahr 1647 in Oberfranken, in Österreich erschien bereits 1621 in Linz ein Kochbuch mit Kartoffelrezepten, geschrieben vom Benediktinerabt Caspar Plautz.

Die Kartoffel (Solanum tuberosum) gehört zur Familie der Nacht-schattengewächse und ist eigentlich giftig! 2022 wurde sie zur Giftplanze des Jahres gewählt, giftig allerdings sind nur die grünen Teile und die Keimlinge, die keinesfalls gegessen werden sollten. Die Knolle ergrünt bei Tageslicht – verantwortlich dafür zeichnen vornehmlich die beiden Glykoalkaloide Solanin und etwas weniger Chaconin. In rohem Zustand ist die auch als Grund- oder Erdbirne bzw. Tüffke bezeichnete Pflanze unge-niessbar.

Alleine in Deutschland wurde 2024 eine Rekordernte von 12,7 Mio Tonnen gefeiert; in Österreich waren es 693.642 to, in der Schweiz 359.600 to im Jahr davor. Weltweit sind es rund 370 Millionen Tonnen – hört, hört: Der grösste Produzent ist einmal mehr China! Damit ist die Kartoffel, von der es rund 7.000 Sorten gibt, eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Durchaus verdient somit auch das durch die Generalver-sammlung der Vereinten Nationen erklärte Internationale Jahr der Kartoffel 2008. Und nun hat eine Studie zudem bewiesen, dass die Kartoffel ausserdem noch sehr gesund ist. Forscher aus Norwegen haben in einer Langzeitstudie über den Zeitraum von 33,5 Jahren nachgewiesen, dass jene Probanden, die regelmässig zur Kartoffel griffen, ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und somit auch eine höhere Lebenserwartung vorzuweisen hatten. Über 77.000 Personen haben sich an dieser wissenschaftlichen Untersuchung beteiligt. Sie haben während des Studienzeitraumes pro Woche im Schnitt 13 Kartoffeln gegessen. Veröffentlicht wurde die Studie im ”Journal of Nutrition”. Allerdings ist die Zubereitung ein ganz entscheidender Faktor. In Norwegen werden Kar-toffeln vornehmlich gekocht. Damit dürfte dies auch die beste Anwen-dung sein. Gekochte Kartoffeln weisen einen niedrigen glykämischen Index auf – das bedeutet, dass die Glukose nur langsam an den Blut-kreislauf weitergegeben wird (Traubenzucker beispielsweise marschiert unmittelbar als Blutzucker weiter). In diesem Zusammenhang spricht man auch von ”guten Kohlenhydraten”. Dies sind langkettige Kohlenhydrate, die längere Zeit verdaut werden müssen. “Schlechte Kohlenhydrate” finden sich etwa in zuckerhaltigen Snacks und Speisen, die die Glukose rasch an den Blutkreislauf weiterleiten, dabei nur kurzfristig sättigen und danach einen Heisshunger hervorrufen. Ferner ist die Kartoffel auch sehr nährstoffreich. Sie enthält viele Ballaststoffe, Kalium und Vitamin C und viele andere Mineralstoffe und Vitamine bzw. Provitamine.

Alsdann verfügen die Kartoffeln über rund 80 % Wasseranteil und nur wenigen Kalorien. Das ist etwa beim Reis oder den Nudeln nicht der Fall. Deshalb eignen sich die Erdäpfel auch für Diäten.

Wie nun können all diese Vorzüge in der Kartoffel erhalten werden? Die Schale schützt die Inhaltsstoffe. Deshalb stets ungeschält kochen oder noch besser dämpfen. Gilt im Übrigen für jedes Gemüse! Dabei bleiben besonders die Vitamine und Mineralstoffe am besten erhalten.

All diese Vorzüge gelten nicht für Pommes oder Chips – sie enthalten durch das Frittieren sehr viel Fett!

Zum Thema Süsskartoffel (Ipomoea batatas): Der lateinische Ausdruck deutet bereits darauf hin, dass die beiden Pflanzen nicht miteinander verwandt sind. Vielmehr hat die Süsskartoffel ihren Namen aufgrund des ähnlichen Aussehens und Verwendung.

Na denn – Mahlzeit!!!

Lesetipps:

.) Landtechnik; Horst Eichhorn; Ulrmer 1999

.) Praktische Einführung in die Pflanzenmorphologie – Teil 1; Wilhelm Troll; Gustav Fischer Verlag 1954

.) Spezieller Pflanzenbau; Hrsg.: Klaus-Ulrich Heyland; Ulmer 1996

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Das Märchen von der Gleichberechtigung

Der 08. März wird alljährlich als “Internationaler Weltfrauentag” gefeiert! Leider ist er heute wichtiger denn je – doch dazu gleich mehr.

1908 in den USA eingeführt, setzte er sich schon recht bald weltweit durch. Ursprünglich am 19. März, wurde er später auf den 08.03. vorverlegt. Dieser Tag soll an die Ungleichheit und Gewalt gegen Frauen erinnern und die Gleichberechtigung der Geschlechter einfordern. Eigentlich beschämend, heisst es doch in den meisten demokratischen Verfassungen, dass alle Menschen gleich sind – nicht nur vor dem Gesetz. Das war und ist nicht überall der Fall – auch bei uns nicht. Frauen-rechtlerinnen (und nicht nur diese!) kämpfen nach wie vor um die Gleich-stellung. Ein Blick zurück in die Geschichte:

Erst 1918 wurde in Österreich das allgemeine Wahlrecht für Frauen eingeführt, in deutschen Landen zu Beginn des Jahres 1919. In Neuseeland, Australien und Finnland etwa war es zu diesem Zeitpunkt bereits selbstverständlich – in Neuseeland beispielsweise seit 1893! Die Schweiz war naturgemäss etwas langsamer – 1971 bundesweit, in einigen Kantonen sogar noch später. So bedurfte es eines Bundesgerichts-entscheides, dass Frauen im Kanton Innerrhoden-Appenzell ab 1990 zur Wahlurne schreiten durften – entgegen eines Mehrheitsentscheides der Männer.

In Mitteleuropa wurde seither viel erreicht, doch bewegt sich die Politik leider wieder zurück. So fordern die vielen Rechtsaussen-Parteien die Rückkehr der Frauen an den heimischen Herd. Nichtsdestotrotz – wirtschaftlich und finanziell muss noch vieles getan werden. Dies zeigt der Global Gender Gap-Report des Weltwirtschaftsforums jedes Jahr von neuem auf. In dieser Studie werden die Unterschiede im Einkommen für die gleiche Arbeit zwischen Mann und Frau in 150 Ländern dieser Erde dargestellt (Verdienstabstand – “Gender Pay Gap”). Nach Angaben der Statistik Austria verdienten im Jahre 2023 Frauen in der Privatwirtschaft im Alpenland um 18,3 % pro Stunde brutto weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen. Gottlob verringert sich dies: So waren es 2013 noch 4 % mehr. In Deutschland belief sich dieser Gender Pay Gap 2024 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf 16 % (auch hier ein Minus von 2 % gegenüber des Vorjahres). In der Schweiz waren es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2022 9,5 %. Ein paar Vergleiche aus der EU (ebenfalls aus dem Jahr 2022!):

Lettland 19 %

Rumänien 4 %

Italien 2 %

An diese ungleichen Einkommensverhältnisse soll auch der “Equal Pay Day” (EPD) hinweisen. In Deutschland heuer am 07. März, in Österreich am 25. Februar – allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschied-lich: In Wien etwa am 16. Januar, in Vorarlberg am 14. März. Doch was bedeutet dieser ganz besondere Tag, der inzwischen in nahezu jedem Land der westlichen Hemisphäre als Mahndatum gelten soll? In Österreich gar zweimal – in der islamischen Welt hingegen undenkbar!

Der „Equal Pay Day“ ist in diesem Falle jener Tag, bis zu dem Frauen statistisch gesehen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen kostenlos arbeiten. Es gibt auch eine Herbstversion – hier lautet dies: Ab dem Frauen kostenlos bis Jahresende ihrem Brotjob nachgehen. Männer haben also nach wie vor mehr Geld auf dem Lohnzettel stehen als ihre Kolleginnen mit vergleichbarer Qualifikation in vergleichbaren Jobs! Hallo? Wir schreiben das Jahr 2025!!!

Dieser Missstand ist auch als „Geschlechter-Gehaltsschere“ bekannt. Der EU-Indikator lag 2023 bei 12 %!

https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Gender_pay_gap_statistics

Eine Schande für reiche Industriestaaten, die eigentlich diesen Gleich-heitsgrundsatz jeweils in der Verfassung/dem Grundgesetz verankert haben.

Dass gar nichts getan wird, stimmt nicht: Es wird zu wenig und zu lang-sam für gleiche Bezahlung unternommen!

“Lohndiskriminierung ist ungerecht und schwächt unsere Gesellschaft als Ganze. †Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern ist ein zentrales Verfassungsversprechen, das es endlich einzulösen gilt.”

(Alain Berset, Generalsekretär des Europarates)

Der Equal Pay Day wurde bereits 1966 in den USA eingeführt; organisiert durch das „National Committee on Pay Equity“ (NCPE), dem unter-schiedliche Frauenorganisationen, die Gewerkschaften uvam. angehören. Der Hintergrund: Damit sollte, drei Jahre nach dem Beschluss der Gleich-behandlung durch die US-Regierung, auf die ungerechte Ungleich-behandlung der Frauen, insbesondere aber der afro-amerikanischen Frauen hingewiesen werden. Auf dem europäischen Kontinent waren 3.800 Frauen im belgischen Herstal die ersten: Sie legten am 16. Februar 1966 ohne Vorwarnung die Arbeit nieder. Eigentlich sollte der Streik nur einen Tag lang dauern – daraus wurden aber 12 Wochen. 2007 folgte Deutschland mit der “Red Purse Campaign” nach Vorbild der USA, wonach mit roten Taschen auf die Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz hingewiesen werden sollte, ein Jahr später kam der EPD. Die Eidgenossen setzten ihn erstmals 2009 fest – dort trat am 01. Juli 2020 ein Gesetz zur besseren Durchsetzung der Lohngleichheit in Kraft. In Österreich wurde der Equal Pay Day erstmals im Jahr 2010 berechnet (ein Jahr später auf Initiative der EU-Kommission in Europa) – damals lag er beim 29. September, 2022 beim 30. Oktober – 2024 beim 01. November. Diese auf der nationalen Einkommensdifferenz berechnete Zahl wird vom Jahr abgezogen – ob hinten oder vorne ist eigentlich gleichgültig. Hinten jedoch erweckt einen sensibleren Eindruck! Am 06. Juni 2023 trat eine neue EU-Richtlinie in Kraft, die bis 2026 derartige Lohnunterschiede transparenter machen und damit abschaffen soll. Definiert werden alsdann “gleiche” und “gleichwertige” Arbeit. Enthalten ist zudem die Pflicht zu Einkommensberichten (auch in kleineren Unternehmen) und eine Aufschlüsselung der durchschnittlichen Gehälter. Arbeitnehmer-Vertretungen fordern die sofortige Umsetzung der Richtlinie – nicht so eilig hingegen haben es naturgemäss die Arbeitgeber.

Die Ursachen für diese Ungleichbehandlung sind vielfältig: Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit als Männer (Haushalt, Kindererziehung, Ehrenamt,…), haben zumeist eine geringfügige oder Teilzeit-Beschäftigung (“Care-Beschäftigung” für die Familie), arbeiten oftmals in Niedriglohn-Branchen, haben schlechtere Aufstiegschancen, erhalten tatsächlich ein geringeres Gehalt, …!

Was kann veranlasst werden? Neben dem Meinungswechsel der Chefs bedarf es auch eines Ausbaus von Kinderbetreuungs-Einrichtungen, Ganztags-Schulen etc., sodass Frauen nach der Karrenz wieder in’s Berufsleben einsteigen bzw. Vollzeit arbeiten können. Die Handhabung der letzten Jahrzehnte führt automatisch im letzten Lebensabschnitt vieler Frauen zur Altersarmut. Davon sind vor allem alleinstehende Frauen betroffen.

Den verantwortlichen Sozialpolitikern der DACH-Länder sei deshalb etwa Island an’s Herz gelegt: Verpflichtende Papa-Karenz, Wochenends- und Nacht-Kitas (für die Schichtarbeiter) und nahezu gleiches Gehalt bei gleicher Arbeit für Frau und Mann per Gesetz. Island lag übrigens 2024 im EU-Gehaltsscheren-Vergleich bei 9 %.

Doch neben diesen wirtschaftlichen Unterschieden sollte man sich nicht nur am Weltfrauentag vor allem über die Themen Femizide und Gender-Medizin Gedanken machen. Der 08. März ist also nicht wirklich ein “Feiertag”, sondern vielmehr ein “Mahntag”!

Lesetipps:

.) Gender Pay Gap – Vom Wert und Unwert von Arbeit in Geschichte und Gegenwart; Hrsg.: Rainer Fattmann; Dietz 2023

.) Arbeit, Entlohnung und Gleichstellung in der Privatwirtschaft; Hrsg.: Hans-Böckler-Stiftung; edition Sigma 2010

.) Frauen auf dem Sprung. Wie junge Frauen heute leben wollen. Die Brigitte-Studie; Pantheon 2009

.) Sieben Jahre Equal Pay Day – Eine Forderung wird zur Kampagne; Hrsg.: BPW Germany; BWV Berliner Wissenschafts-Verlag 2015

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Artensterben – so schafft sich die Menschheit selbst ab

„Der Mensch verursacht gerade das größte globale Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier!“

(Eberhard Brandes, WWF-Deutschland)

Während sich die Politiker auf der ganzen Welt noch streiten, ob es denn nun einen Klimawandel gibt, ob dieses oder jenes Mittelchen gesund-heitsgefährdend oder wer für den ganzen Schlamassel verantwortlich ist, hat das stille Sterben schon längst begonnen. Ich befasste mich an dieser Stelle bereits mit dem Sterben alter Arten und der Insekten – nachdem ich jedoch immer wieder hören muss, dass mein Gegenüber im Gespräch das nicht gewusst hat oder dachte, dass es nicht so schlimm ist, möchte ich anlässlich des diese Woche beendeten „Weltnaturgipfels“ (Biodiversitäts-konferenz COP 16) in Rom nochmals mit aller Vehemenz betonen, dass für viele Arten ein „Zurück“ zu spät ist. Der deutsche NABU weist darauf hin, dass aufgrund der „Lebensraumzerstörung, Landnutzungswandel, Umweltverschmutzung, Klimaänderung und der Verbreitung invasiver Arten“ das Artensterben derzeit um 1.000 mal grösser ist als biologisch normal.

Bis zu 58.000 Tierarten verschwinden derzeit pro Jahr. Ich überlasse es gerne Ihren Rechenkünsten: Gegenwärtig gibt es noch 5 bis 9 Millionen – weltweit. Am wohl eklatantesten wirkt sich die Rodung des Regenwaldes aus. Satelliten-Messungen haben ergeben, dass alleine im Jahr 2023 weltweit 37.000 Quadratkilometer nahezu unberührter Regenwald gerodet wurden. Im Waldbericht der FAO (State of the Worlds Forest 2020) ist von 4,2 Mio Quadratkilometern zwischen 1990 und 2020 die Rede (nicht nur Regenwald!) – die Fläche Deutschlands mal 12!!! Die meisten Regenwald- Bäume wurden für Palmölplantagen gefällt! Dadurch geht nicht nur ein wichtiger Teil der grünen Lunge unseres Planeten verloren! Unzähligen Tierarten wie Säugern, Vögeln, Insekten, Amphibien etc. wird damit auch der natürliche Lebensraum genommen. Sie werden schlichtweg ausgerottet. So etwa auf der Insel Borneo. Den Palmölplantagen fiel nahezu der gesamte Regenwald zum Opfer – übrig blieb nur der Lambir-Hills-Nationalpark im Westen der Insel. Zogen früher unzählige grosse Schildhornvögel hier ihre Flugrunden, so sind nurmehr ganz wenige davon heute noch zu beobachten. Auch Flughunde oder Gibbons wird man vergeblich suchen. Derzeit gibt es dort nurmehr Tiere mit einem geringeren Gewicht als einem Kilogramm – sie finden in dem Park noch Nahrung. Dabei war der Wald über Jahrzehnte hinweg eine der artenreichsten Regionen dieser Erde. Oder: In den latein-amerikanischen (Süd- und Mittelamerika) Regenwälder leben rund 70 % aller Tier- und Pflanzenarten dieser Erde. Die Rodung v.a. des Ama-zonas-Regenwaldes nimmt erschreckende Ausmaße an!

„Die Belege sind unbestreitbar: Die Zerstörung der Artenvielfalt und der Ökosysteme hat ein Niveau erreicht, das unser Wohlergehen mindestens genauso bedroht wie der durch den Menschen verursachte Klimawandel.“

(Robert Watson, IPBES)

Über das grosse Insektensterben, nachgewiesen durch die Studie des Entomologischen Vereins Krefeld, in dem die Biomasse der in Natur-schutzgebieten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Branden-burg fliegenden Insekten über 27 Jahre hinweg erfasst wurde, habe ich an dieser Stelle bereits berichtet!) – auch Vögel finden keine Nahrung mehr. Kurz angeschnitten habe ich zudem die Korallen im Blog zum Anstieg des Meeresspiegels. Dies wurde nun auch wissenschaftlich aufgezeigt: In der Studie der University of Queensland/Australien heisst es, dass das Great Barrier Reef immer mehr abstirbt: 2024 wurde eine Sterblichkeitsrate von bis zu 72 Prozent aufgezeigt! Verantwortlich dafür zeichnet haupt-sächlich das Ausbleichen der Steinkorallenstöcke („Korallenbleiche“). Die Korallen geben Algen ab – zurück bleibt ein weisses Kalkskelett.

Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einer „ökologischen Krise“. Wälder als immens wichtiger Wasserspeicher fallen der Axt zum Opfer, Feuchtgebiete werden trocken gelegt, Grünflächen versiegelt. Durch den Klimawandel gibt es vermehrt trockenere und heissere Sommer und wärmere, frostarme Winter. Eigentlich wären wir alle auf das dort gespeicherte Wasser angewiesen.

Im Jahre 2010 wurde der „Strategische Plan für Biodiversität 2011-2020“ von mehr als 190 Ländern dieser Erde unterzeichnet. Das Überein-kommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity CBD) ist eigentlich verbindlich und hätte zu mehr Naturschutz und nach-haltiger Nutzung der natürlichen Ressourcen führen sollen. Geschehen ist freilich nicht wirklich viel. Letzte Ernüchterung etwa brachte die Vogel-zählung des NABUs in diesem Winter in Deutschland: Weniger Spatzen, Meisen und Amseln! Bei letzteren gab es gar ein Minus von 18 %. Immer weniger Vögel und immer weniger Arten!

Dabei werden in diesem Plan die 20 Handlungsziele bis 2020 („Aichi-Ziele“ der 10. Bioviversitätskonvention von 2010 in Nagoya) im Bericht zur Tagung dezidiert aufgezählt, wie etwa:

  • Halbierung des Verlustes von natürlichem Lebensraum
  • Stopp der Überfischung
  • Schutz von 17 % Land- und 10 % Meeresfläche
  • Widerstandsfähige Öko-Systeme
  • Einstellung umweltschädlicher Subventionen …

Heuer konnte kein wirklicher Kompromiss gefunden werden – obgleich der Konferenzpräsidentin Susana Muhamad aus Kolumbien mehrere Text-vorschläge vorlagen – einer gar von den BRICS-Staaten, welchen auch China und Russland angehören.

Nach wie vor werden Agrarsubventionen an industrielle Mastbetriebe vergeben, an Ackerbauern, die Glyphosat und Obstbauern, die Neonico-tinoide einsetzen. Nach Angaben des Pestizidatlases 2022 der Heinrich Böll-Stiftung wurden 30.000 Tonnen Pestizide alleine auf deutschen Äckern ausgebracht, in Österreich waren es 3424,1 Mio to, weltweit sind es jährlich rund 4 Mio to (30 Prozent davon Insektizide, nahezu 50 % Herbizide). Ja – so pervers es ist: Hierzulande ist die Landwirtschaft hauptverantwortlich für das Artensterben. Zu dieser Erkenntnis gelangte einmal mehr die Studie der „Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services“ (IPBES), die anlässlich der Biodiver-sitätskonferenz in Paris präsentiert wurde und unter Mitarbeit auch des deutschen Helmholtz-Zentrums für Umweltschutz in München entstand. Kritisiert werden von Experten auch an sich sinnvolle Projekte, wie Biogas-Anlagen. Insgesamt laufen derzeit 2.737 derartige Anlagen im Freistaat Bayern mit einer Leistung von nahezu 1.500 Megawatt. Zwischen 2005 und 2021 gab es insgesamt 523 Betriebsstörungen bei Biogas-Anlagen. Bei vielen davon wurden Gewässer teils derart schwer in Mitleidenschaft gezogen, sodass auf geraume Zeit jegliches pflanzliche, aber auch tierische Leben dort unmöglich ist. Nicht nur Fische wie etwa die Bachforelle sind auf gutes Wasser und intakte Flüsse angewiesen, auch die Insekten benötigen diese. Durch die Intensivlandwirtschaft kann sich zudem der Boden nicht mehr erholen, durch die Überdüngung mit Gülle werden viele Pflanzen und Tiere schlichtweg vergiftet. Und nun der Schock: Die Diversität intensiv-landwirtschaftlich genutzter Fläche und auch der mono-kulturellen Bebauung von Ackerflächen ist um bis zu 80 % niedriger als jene in Städten.

„Wir leben in einer Endzeit exponentiellen wirtschaftlichen Wachstums im begrenzten System Erde und verwandeln die vielfältige Welt in eine große einheitliche Fabrik. In eine Agrarfabrik, eine Fabrik-Fabrik, eine Wohn-Fabrik und eine Konsum-Fabrik in der zunehmend übersättigte Menschen immer unzufriedener werden.“

(Axel Mayer; Ex-Geschäftsführer BUND)

Apropos Gewässer: Nachdem die Fliessgeschwindigkeit sinkt, besteht die zunehmende Gefahr der Verschlammung der Bäche und Flüsse. Ganz zum Nachteil der sog. „Kieslaicher“, wie Bachsaibling, Äsche, Regen-bogenforelle oder den Neunaugen.

Während die IPBS-Konferenz im November in Kolumbien noch gescheitert ist, konnten sich die Telnehmer dieses Mal in Rom zumindest auf die Finanzierung einigen. Am Ende stand fest, dass die Industriestaaten für den Erhalt der Ökosysteme in ärmeren Ländern bereits ab heuer 20 Milliarden, ab 2030 dann 30 Milliarden Dollar bezahlen sollen. Die welt-weiten Ausgaben werden sukzessive steigen und bis 2030 mindestens 200 Milliarden Dollar ausmachen.

In den kommenden Jahrzehnten könnten zwischen 500.000 bis 1 Million Arten von unserem Planeten verschwinden. Wissenschaftler sprechen vom „6. Massiven Artenverlust“, und dies in solch rasender Geschwindigkeit wie nie zuvor. Der 5. Massive Artenverlust fand übrigens vor etwa 66 Millionen Jahren statt. Ursache damals war der Einschlag eines riesigen Asteroiden.

Dabei gab es bereits Warnungen: Im Jahr 2005 durch das Millennium Ecosystem Assessment der Vereinten Nationen beispielsweise. Hier wurde dringendst zu einer Umkehr geraten! Allerdings ist nichts geschehen.

Die Umweltorganisation WWF veröffentlicht in regelmässigen Abständen den Living Planet Report. Erschreckend das Ergebnis zum Artensterben: Seit 1970 gingen die Bestände an Wirbeltieren um mehr als 50 % zurück, in manchen Teilen Lateinamerikas sogar um nahezu 90 %. Auch bei den Wirbellosen (den Insekten etwa) sieht es nicht besser aus.

„Solange wir Tiere in Ökosystemen weiter als irrelevant für diese Grundbedürfnisse halten, werden Tiere die Verlierer sein.“

(Joshua Tewksbury, Direktor des Smithsonian Tropical Research Institute von der Rice University Houston/Texas in einem Fachartikel des Magazins „Science“)

Wie nun wirkt sich all das auf den Menschen aus? Ein Beispiel möchte ich Ihnen stellvertretend für viele weiteren nennen: Wird ein Acker oder eine Obstplantage aufgrund Insektizid-Einsatzes schädlingsfrei, werden auch die natürlichen Fressfeinde, wie Vögel oder andere niedrige Wirbeltiere weiterwandern oder zugrunde gehen. Dies kann aber zu einer Massen-vermehrung von Schädlingen führen, die die komplette Ernte zerstören können. Besonders gefährlich sind in diesem Zusammenhang zudem eingeschleppte Arten, sog. Neophyten und Neozoen, wie die Kirsch-essigfliege oder der Asiatische Marienkäfer, der eigentlich zur Schildlaus-bekämpfung geholt wurde, jedoch auch vor Weintrauben keinen Halt macht. Insgesamt wird die Zahl dieser nicht regionalen Eindringlinge auf nicht weniger als 12.000 Spezies geschätzt – rund 10 % der heimischen Arten. US-amerikanische Mathematiker und Biologen berechneten den ökonomischen Wert der Fressfeinde. Er beläuft sich auf nicht weniger als 4,5 Milliarden US-Dollar – jährlich!

Daneben gibt es grosse Auswirkungen bei der Bestäubung so mancher Pflanzen. Besonders pervers: Jene, die am meisten auf die natürliche Bestäubung durch Bienen, Hummeln etc. angewiesen sind, spritzen auch die meisten Insektizide! Lobend erwähnt sei in diesem Zusammenhang das Artenschutzgesetz Bayerns, das auf die Bürgerinitiative „Rettet die Bienen“ zurückzuführen ist. Was ausserhalb Bayerns offenbar unmöglich ist, wurde hier durch den dortigen Landtag sogar noch intensiviert, ausgebaut und per Gesetz verabschiedet. Nutzniesser davon sind natürlich die Honigbienen, allerdings in weitaus grösserem Umfang die Wildbienen und Schmetterlinge, falls es sie noch gibt!!!

Eines aber sollte sich jeder durch den Kopf gehen lassen: Wir alle brauchen die Natur! Wenn vielleicht auch nicht körperlich unmittelbar, so auf jeden Fall psychisch!!!

Filmtipps:

.) Darwins Alptraum; Hubert Sauber; F/ B/ AU, 2004

.) Menschen gegen Monster (3 Folgen); BBC 2005

Lesetipps:

.) Das Ende der Artenvielfalt; Wolfgang Engelhardt; Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011

.) Nach der Natur: Das Artensterben und die moderne Kultur; Ursula K. Heise; Suhrkamp Verlag 2010

.) Das grosse Insektensterben – Was es bedeutet und was wir jetzt tun müssen; Andreas H. Segerer/Eva Rosenkranz; bekomm Verlag 2018

.) Die Menschheit schafft sich ab – Die Erde im Griff des Anthropozän; Harald Lasch/Klaus Kamphausen; Knaur 2018

.) Unsere Vögel: Warum wir sie brauchen, wie wir sie schützen können; Peter Berthold; Ullstein Hardcover 2017

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