Archive for Feber, 2025

Bring‘ mir mal ’ne Flasche Bier, sonst sterb‘ ich hier!”

(Gerhard Schröder)

Als allererstes möchte ich heute mit einem alten Fehlglauben aufräumen:

“Wein auf Bier, das rat‘ ich Dir! †Bier auf Wein – lass‘ das sein!”

Ein wohl jeder kennt diese Binsenweisheit. Doch hat sie keineswegs mit der Verträglichkeit zweier alkoholischer Getränke zu tun – mischen ist immer schlecht. Nein, sie stammt aus dem Mittelalter und betraf den sozialen Wohlstand. Bier war das Getränk der Armen, Wein jenes der Reichen. Hatte es nun jemand geschafft, sich Wein leisten zu können, so sollte er auf seinen Wohlstand acht geben und nicht mehr zurückfallen! So – das lag mir schon lange auf dem Herzen – nun in’s Eingemachte!

Wasser, Malz, Hopfen und Hefe (Bayerisches Reinheitsgebot von 1516, verkündet am 23. April 1516 als Herstellungsvorschrift von Herzog Wilhelm IV. und seinem Bruder Herzog Ludwig X. im Schloss zu Ingolstadt – das älteste Verbraucherschutzgesetz der Welt) – und fertig ist des Deutschen und des Österreichers Lieblingsgetränk: Das Bier! Und doch schmeckt es so verschieden!!! Wirklich?

69,3 Millionen Hektoliter im Jahr 2023 – damit ist Deutschland noch vor Grossbritannien, Spanien und Polen der grösste Biermarkt Europas. 88 Liter pro Kopf – allerdings: Tendenz sinkend! Nach Angaben des Statis-tischen Bundesamt auch im 1. Halbjahr 2024 – und dies trotz Fuss-ball-Europameisterschaft (-0,6 Prozent gegenüber dem 1. HJ 2023).

Am meisten Bier getrunken wird in den Monaten Mai und Juni, am wenigsten im Januar. In Norddeutschland führt das Pils (”Zwischen Leber und Milz passt immer noch ein Pils!”), in Süddeutschland das Helle die Rangliste an. Daneben gibt es neben vielen anderen noch das obergärige Weissbier, Alt, Märzen, Schwarzbier, Kölsch uvam. Gross im Kommen sind auch alkoholfreie Produkte und Mischgetränke. Positiv hervorzuheben ist, dass die Bierindustrie nahezu vollständig beim umweltfreundlichen Mehr-wegsystem (mit Ausnahme der Dosen) geblieben ist.

Mehr als 1.500 Brauereien produzieren das heissbegehrte Gebräu. Die meisten davon sind allerdings Klein- und Kleinstbrauereien mit nur eingeschränktem Markt. Tatsächlich regieren sechs Grossbrauereien das Geschäft. Sie spielen am weltweiten Markt allerdings keine schwerge-wichtige Rolle. Apropos – weltweit: Diese drei grössten Braukonzerne produzieren nahezu die Hälfte aller Biere auf diesem Globus – schauen wir doch mal hinter die Kulissen!

.) Der Marktführer Anheuser-Busch InBev mit Sitz in Belgien stiess 2023 nicht weniger als 505,9 Mio Hektoliter aus, eine unglaubliche Zahl. In deutschen und österreichischen Gefilden ist der Konzern vor allen durch seine Marke Beck’s bekannt. Viele allerdings wissen nicht, dass auch Hasseröder, Diebels, Spaten, Franziskaner und Löwenbräu zum Konzern zählen. Na ja – bayrische Braukunst eben! Zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen betrug der Absatz 2023 6,6 mhl – Platz zwei.

.) Platz Zwei weltweit geht an Heineken. Die Niederländer schafften es auf 242,6 mhl anno 2023.

.) Und Bronze holte sich China mit den China Res. Snow Breweries und 111,51 Mio Hektolitern.

Weiters folgen Carlsberg (Dänemark), Molson Coors (USA/Kanada), die Tsingtao Brewery Group (China), die Asahi Group (Japan), BGI / Groupe Castel (Frankreich), Yanjing China und die Efes Group (Türkei).

(Info: BarthHaas GmbH & Co. KG – Hopfendienstleister)

Unter den weltweit 40 grössten Brauereien finden sich ingesamt sechs deutsche:

.) Die Radeberger-Gruppe KG gehört zum Oetker-Konzern. Mit 10,8 Mio Hektoliter ist sie die grösste deutsche Brauerei. Unter ihrem Konzernlogo werden etwa Marken wie Jever, DAB und Berliner Pilsner geführt. 1885 wurde aus der damaligen Aktienbrauerei ”Zum Burgkeller” die ”Radeberg Exportbrauerei”. 1952 schliesslich erwarb die Dr. August Oetker KG die Aktienmehrheit an der Binding-Brauerei – der Konzern wurde vorerst zur Oetker-, später dann zur Radeberger-Gruppe. Mit den Marken Freiberger, Allgäuer Brauhaus und Schöfferhofer Weizen, Selters und Tucher Bräu sowie Hasen-Bräu, Berliner Pilsner, Berliner Kind und Berliner Bürgerbräu ist die Gruppe Deutschlands grösstes Bier-Konglomerat (über ein Dutzend Brauereien). Weltweit schaffen es die Frankfurter auf Platz 22.

.) Oettinger verkaufte 2023 7,5 mhl (fast 2 Milliarden Flaschen und Dosen). An den Standorten Gotha, Mönchengladbach und Braunschweig werden nicht nur Biere, sondern auch Bier-Mix- und Erfrischungs-getränke produziert. Der Ursprung liegt im Fürstlichen Brauhaus im Jahr 1731, 1956 übernahm die Familie Kollmar den Betrieb. Der Leitsatz der Oettinger Getränke: Beste Qualität zu fairen Preisen. Auch einige Handelsmarken werden durch die Oettinger-Gruppe produziert. Im weltweiten Vergleich rangiert das Unternehmen auf Platz 25.

.) Erst auf Platz 28 kommt mit der Paulaner-Gruppe der erste tatsächliche Bayer. 6,34 Mio Hektoliter – rund 4,5 davon in Deutschland. Mög-licherweise wurde vieles davon auf dem Oktoberfest in München verkauft, schliesslich ist der Konzern in drei Festhallen auf der Wies’n vertreten! Die Geschichte reicht bis in’s 17. Jahrhundert zurück und fand seinen Ursprung im Paulanerorden. Die Marken neben Paulaner: Fürstenberg, Höpfner, Kultbücher und Schmucker.

.) Die TCB Beteiligungsgesellschaft folgt auf Platz 30. Mit ihren Marken wie etwa Feldschlösschen (seit 2011) sowie der Gilde Brauerei und dem Frankfurter Brauhaus wurden 5,8 mhl verkauft. Der wohl jüngste Konzern – gegründet 2001 in Berlin.

.) Krombacher folgt mit 5,74 Mio auf Platz 31. Bekannt ist die Marke vornehmlich durch die Spots im Fernsehen. Daneben aber werden auch die Biere Eichener, Rhenania und Rolinck sowie Vitamalz gebraut. Das Unternehmen besitzt zudem die Vertriebsrechte für Schweppes, Dr. Pepper und Orangina. 1803 begann alles mit einer kleinen örtlichen Brau-Gaststätte. Der deutschlandweite Verkauf startete erst in den 1950er-Jahren.

.) Die zur Unternehmerfamilie Simon zählende Bitburger Braugruppe schliesslich landete mit 5,69 Mio Hektolitern auf Platz 32 (in Deutschland Platz 3). Gebraut werden neben Bit etwa die Marken Köstritzer, Licher, König sowie Wernesgrüner. Der Beginn lag im Jahre 1817, als der Braumeister Peter Wallenborn in Bitburg/Eifel seinen ersten Liter zapfte.

Die weiteren Grossen in Deutschland:

.) Warsteiner aus dem gleichnamigen Ort in NRW braut jährlich rund 3 mhl – auch unter den Marken Frankenheim, Herforder, König Ludwig und Paderborner. Seit der Gründung des Konzerns liegt das Unternehmen in den Händen der Familie Cramer.

.) Veltins wurde 1824 in Mischte/Sauerland gegründet. Auch dieser Betrieb ist ein Familienunternehmen. Gemeinsam mit Grevensteiner werden rund 2,5 mhl jährlich produziert.

.) Mit rund 2,4 Mio Hektolitern spielt auch der Carlsberg-Konzern in Deutschland im Spiel der Grossen mit. Vertreten zudem neben dem Zug-pferd mit den Marken Astra, Duckstein, Holsten und Lübizer.

In Österreich gibt es 347 Braustätten (inklusive der Hausbrauereien). Sie stiessen 2024 insgesamt 9,98 mhl des edlen Gebräus aus – auch hier mit der Tendenz sinkend (-3 % gegenüber 2023). Im Alpenland wird ebenfalls immer mehr alkoholfreies Bier konsumiert. Gebraut wird nach dem Codex Alimentarius Austriacus, dem Österreichischen Lebensmittelbuch.

Hier die grössten Braukonzerne:

.) Die Brau-Union gehört zur niederländischen Heineken-Gruppe und schluckte viele ehedem unabhängige Brauereien. Dementsprechend gross die Markenliste: Desperados, Edelweiss, Fohrenburger, Gösser, Heineken, Kaiser, Kaltenhausen, Linzer Bier, Piestinger, Puntigamer, Reininghaus, Schladminger, Schleppe, Schlossgold, Schwechater, Sol, Villacher, Wiesel-burger und Zipfer. Die Brau-Union wurde 1921 als “Braubank AG” gegründet. 1998 wurden die Österreichische Brau-Union und die Steirer-brau fusioniert – 2003 kaufte sich die Heineken-Gruppe ein. Nach Unter-nehmensangaben werden jährlich rund 5 Millionen Hektoliter produziert. Übrigens ist 2023 Bill Gates bei Heineken eingestiegen. Ob er sich nun regelmässig ein österreichisches Krügerl genehmigt, ist leider nicht bekannt.

.) Die Salzburger Stiegl-Brauerei wurde erstmals 1492 urkundlich erwähnt (“Das Haus bey der Stiegn”). Seit 1889 befindet sich das Brauhaus im Besitz der Familie Kiener. Zur Produktpalette zählen 24 Stiegl-Biere und -Mischgetränke, zwei Max Glaner’s, acht Hausbiere, ein Wildshuter und zwei Weizengold sowie ein Radler Zitrone.

.) Die Ottakringer-Brauerei befindet sich im 16. Wiener Gemeindebezirk. Müllermeister Heinrich Plank vom Stift Klosterneuburg erhielt 1837 die Braubewilligung. 1905 ging das Unternehmen an die Börse. Gustav Harmer übernahm 1938 das Unternehmen, 1986 schliesslich wurde die Ottakringer AG gegründet. Gebraut werden hier 24 Ottakringer Biere und Mischgetränke (darunter auch ein veganes), drei Gambrinus, zwei Hansy, sechs Gold-Fassl, sieben Kühles Blondes und zwei alkoholfreie Biere.

.) Die Privatbrauerei Hirt in Michldorf wurde erstmals 1270 erwähnt. Gebraut werden 19 Hirter-Biere und Mischgetränke.

.) Die Brauerei Murau ist mit ihren 14 Bieren und Mischgetränken alsdann ein fixer Bestandteil der österreichischen Bierkultur.

.) Ebenfalls auf eine lange Firmengeschichte kann die Privatbrauerei Zwettl zurückblicken. Seit 1708 (damals noch als “Preuer auf der Stiegn”) wird gebraut. 20 Zwettler Biere und -mischgetränke, sowie zwei Brandauers zählen zur Palette.

.) Die Zillertal-Bier Getränkehandel GmbH. befindet sich in Zell am Ziller. Im Jahr 1500 erhielt die Probstei “Polsingerhaus” in Zell am Ziller die Braubewilligung. Seit 1738 wurde am Standort Gerlosstrasse produziert, 2008 eine komplett neue Brauerei erbaut. 17 Zillertaler Biersorten und Mischgetränke werden inzwischen gebraut.

.) 1763 eröffnete Johann Mohr im Vorarlberger Dornbirn eine Brau-Gaststätte. Er nannte es damals “Zum Mohren”, weshalb die Brauerei auch den Namen (um politisch korrekt zu sein) nicht geändert hat. Heute befindet sich die Brauerei in Händen der Familie Huber. Gebraut werden 20 Biersorten und -mischgetränke. Täglich werden lt. Unternehmen in der hochmodernen Anlage 1.350 Hektoliter abgefüllt.

.) Die Braucommune Freistadt ist tatsächlich eine Kommune, an der die Bewohner der Stadt Freistadt im Mühlviertel beteiligt sind. Hier werden die Freistädter Biere (12 unterschiedliche) gebraut.

So – nach all dieser Schreiberei habe ich nun einen ordentlichen Durst bekommen! Übrigens – Bier ist in Maßen genossen eines der besten Elektrolyt-Getränke. Eignet sich also hervorragend nach dem Sport. Nicht umsonst haben auch die Mönche stets vor der Fastenzeit das Kloster-Bockbier gebraut, das die feste Nahrung grossteils ersetzen sollte. Wie sich allerdings der abendliche Choral in so mancher Bruderschaft anhört, möchte ich an dieser Stelle nicht begutäugeln!

Na denn: Prost!!!

Lesetipps:

.) Bier; E. Krug; Camicaze e.V.; Grin Verlag 2015

.) Bier – Die ersten 13.000 Jahre; Günther Hirschfelder/Manuel Trummer; Ebg Paperback in Herder 2022

.) Bier – Das Buch; Urs Willmann; Kampa Verlag 2019

.) Der ultimative Bierguide; Sünje Nicolaysen; Heyne 2018

.) Bier – Alles über den Durst; Comicaze e. V.; Volk Verlag 2016

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Die Show der Shows

Ganz Amerika fieberte seit Wochen auf ein Ereignis hin – auch hierzulande wurden massenweise Bier und Snacks eingekauft und die Plasma-TVs bzw. Beamer in den Party-Kellern oder Garagen zurecht-gerückt: In der Nacht von Sonn- auf Montag (09. auf 10. Februar) ist der LIX. Super Bowl über die Bühne gegangen – Kickoff war um 00.30 Uhr MEZ bzw. 17.30 Uhr Ortszeit. Dabei trafen im Caesars Superdome in New Orleans/Lousiana wie schon 2023 die Philadelphia Eagles auf die Kansas City Chiefs. Das Stadion ist die Heimstätte der New Orleans Saints.

Die Kansas City Chiefs verloren 2021 das Finale gegen die Tampa Bay Buccaneers (mit Tom Brady als Quarterback) mit 31:9, gewannen jedoch das Jahr zuvor mit 31:20 gegen die San Francisco 49ers. 2023 bezwangen die Chiefs die Eagles mit 38:35. Ein Jahr später war es ein 25:22 gegen die San Francisco 49er – ebenfalls für die Mannen aus Kansas. Heuer hingegen wendete sich das Blatt: Die Eagles deklassierten richtiggehend die Chiefs mit 40:22! Die Phillies gewannen zuletzt 2018 mit 41:33 gegen die New England Patriots.

In diesen Jahr gab es eine Premier: Unter den Zuschauern waren erstmals die derzeit bekanntesten US-Amerikaner – Präsident Donald Trump und Pop-Sängerin Taylor Swift. Beide wurden ausgebuht! Während Trump den Auftritt wohl aus PR-Gründen wählte und von einem tollen Finale sprach, war es für Swift ein rabenschwarzer Tag: Eigentlich wollte sie ihrem Freund Travis Kelce zum erneuten Sieg gratulieren – doch ging dieser für die Chiefs auf’s Feld. Sie sass übrigens neben Ex-Tennis-Star Serena Williams.

Der Super Bowl ist unumstritten die grösste Sportshow der Welt mit rund 800 Millionen TV-Zusehern bis ins hinterste Eck dieses Globusses, ja sogar bis ins Dorf Namenlos in Tirol!

Heute möchte ich allerdings weniger über Football berichten, obgleich sich zwei sehr attraktive Mannschaften gegenüber standen.

In den Wettbüros lagen zuvor beide Teams recht nahe beieinandern – mit leichtem Vorteil für die Eagles. Bei den Quoten für den wertvollsten Spieler lag allerdings der Star-Quarterback der Chiefs, Patrick Mahomes, haushoch vorne. Entsprechend seine Quote bei der MVP-Wette: 2.10, sein Gegenüber Jalen Hurts lag bei 4.50 (im Vergleich dazu Travis Kelce 17.00).

Diese Sportveranstaltung ist in allem etwas grösser, fulminanter und rekordverdächtig ohnedies.

Zur Geschichte:

Der Super Bowl ist das Finalspiel des Saisonsiegers der Western Conference gegen den Saisonsieger der Eastern Conference in der National Football League. Das erste NFL Championship Game wurde im Jahre 1932 zwischen den Chicago Bears und den New York Giants ausgetragen – die Bears gewannen mit 23:21. Der Super Bowl wie wir ihn heute kennen, fand erstmals 1967 statt, als der Sieger der NFL gegen den Sieger der neu gegründeten American Football League (AFL) antrat. Die beiden Ligen wurden 1970 fusioniert. Seither wird das Finale zwischen der American Football Conference und der National Football Conference ausgetragen. Gespielt wird stets in südlichen Bundesstaaten, da es klimatisch wärmer ist. Wer schaut sich schon gerne ein Game bei Schnee-treiben an. Bislang konnte noch nie eine Mannschaft ein Heim-Endspiel abliefern, also im eigenen Stadion spielen. Der Caesars Superdome war bereits achtmal Austragungsort des Football-Finales. Das Stadion wurde am 3. August 1975 eröffnet, Ende August wurde die 560 Mio teure Renovierung abgeschlossen. Das Fassungsvermögen liegt bei 73.208 Menschen – beim Super-Bowl jedoch sind stets rund 79.000 Zuschauer im Stadion. Während des Wirbelsturms Katrina diente es als Auffang- und Notlager der Bevölkerung. Im kommenden Jahr wird das Spiel der Spiele im Levi’s Stadium in Santa Clara/California ausgetragen werden, dem Heimstadion der San Francisco 49ers.

Als Spieltermin fungiert zumeist der erste Sonntag im Februar – in den USA ist dies der Super Bowl Sunday – ein inoffizieller Feiertag. Eintritts-karten sind heiss begehrt – sie werden jedoch zwischen den NFL-Teams aufgeteilt: 17,5 % gehen jeweils an die Endspielteams, 5 % an die veranstaltende Mannschaft (heuer die New Orleans Saints) und 34,8 % an die restlichen NFL-Mannschaften. Einige wenige Karten werden durch die NFL selbst verlost.

Sechs Mal gewannen die Pittsburgh Steelers die Vince Lombardi Trophy – ein Pokal, der nach dem Trainer des ersten Super Bowl-Gewinners, den Green Bay Packers benannt wurde und eigens von Tiffany & Co ange-fertigt wird (Sterling-Silber, 3,5 kg schwer, 55 Zentimeter hoch). Preis: 25.000,- US-Dollar – für Football-Fans jedoch unbezahlbar. Sechs mal ging er an die New England Patriots und die Pittsburgh Steelers, gefolgt von den Dallas Cowboys und den San Francisco 49ers mit jeweils 5 Siegen. Zudem erhält der wertvollste Spieler des Abends (MVP) einen Extrapreis, die Pete Rozelle Trophy und jeder Spieler aus dem Siegerteam einen Ring aus Gold und Diamanten, den Super Bowl-Ring (Wert: Jeweils 5.000,- $). Auch sie haben einen unheimlichen Lieblingswert bei den Fans – so sollen einzelne Ringe bereits für eine sechsstellige Summe verkauft worden sein.

Bislang erfolgreichster Teilnehmer ist der Head Coach der New England Patriots, Bill Belichick, der acht dieser Finals für sich entscheiden konnte (2x Giants und 6x Patriots). Erfolgreichster Spieler ist der Quarterback Tom Brady mit sieben Ringen (6x für die New England Patriots, den letzten gewann er mit den Tampa Bay Buccaneers).

Bis zu 140 Millionen TV-Zuschauer sind an den US-amerikanischen TV-Geräten zuhause, bei Super Bowl-Parties oder in Clubs an den Fernseh-geräten versammelt – heuer waren es 127,7 Mio. Der übertragende TV-Sender war in diesem Jahr Fox – er verlangt für einen 30 Sekunden-Spot erstmals rund 8 Mio Dollar (rund 7,3 Mio € – im letzten Jahr waren es noch 7 Mio $). Werbespots werden eigens für dieses Event produziert. Der teuerste dieser Clips kam von Amazon („Mind Reader“) – 130 sec für 26 Mio Dollar.

Zwischen den beiden Hälften findet die Halbzeitshow statt. Hier gibt sich zumeist das Who is Who der Pop- und Rockmusik das Mikrophon in die Hand: Aerosmith, Bruce Springsteen, Lady Gaga, Michael Jackson, Prince, Rolling Stones, U2, … Heuer gab Rap-Superstar Kendrick Lamar sein Bestes. Die Nationalhymne „The Star-Spangled Banner“ sang der Singer/Songwriter Jon Batiste, der sich alsdann in die Liste grosser Stars einreiht: Whitney Houston, Mariah Carey, Lady Gaga, Alicia Keys, Pink oder auch Neil Diamond. Der Song „America the beautiful“ wurde von Lauren Daigle intoniert.

Der Super Bowl hat sich, wie überhaupt der US-amerikanische National-sport, zum Politikum entwickelt. Viele werden wohl noch jene Spieler vor Augen haben, die während des Abspielens der Nationalhymne knieten. Diese Aktion rief der bis zum Jahr 2016 bei den 49ers spielende Quarter-back Colin Kaepernick als Protest gegen die Unterdrückung der afro-amerikanischen Bevölkerung und die Polizeigewalt im Lande aus. Wieder-Präsident Trump forderte damals die Entlassung all jener Spieler, die sich diesem Protest anschlossen. Inzwischen müssen sich Spieler und Publikum positionieren. Allerdings auch die Promis, die die Halbzeitshow abliefern sollen. Angeblich sagten die Superstars Rihanna, Jay Z und Pink deshalb den Ritterschlag eines Auftritts vorerst ab – doch wie immer wieder zu sehen: Nichts ist für ewig! Auch Jennifer Lopez meinte vor fünf Jahren im Magazin „Variety“ mit einem ordentlichen Seitenhieb auf die Regierung Trump:

„Ich denke, es ist sehr wichtig für zwei Latino-Frauen in diesen Zeiten – in denen Latinos in diesem Land auf eine bestimmte Art und Weise behandelt oder gesehen werden – auf dieser Bühne zu stehen und zu zeigen, dass wir eine wunderschöne wertvolle Kultur haben, und in diesem Land etwas notwendiges beisteuern.“

Gegen Live-Proteste in der Halbzeitpause haben sich allerdings die TV-Sender seit dem Nippelgate-Skandal von Janet Jackson und Justin Timberlake im Jahre 2004 gesichert: Die Halbzeitshow wird zeitversetzt ausgestrahlt, damit derartige „Unannehmlichkeiten“, die nicht ins Bild passen, herausgeschnitten werden können. Auch haben selbstverständ-lich die Politiker die Gelegenheit und Zugkraft dieser Veranstaltung erkannt. So strahlte Fox bei seiner Live-Übertragung 2020 vor dem Spiel eine Rede Donald Trumps aus. Zudem buchte er zwei 30-Sekunder, der für die Demokraten startende Michael Bloomberg kaufte sich eine Minute – Kostenpunkt: 11 Millionen Dollar! Der Milliardär wird’s wohl aus seiner Portokasse beglichen haben.

Rund 6.000 Medienvertreter berichten jedes Jahr über diesen Super Bowl-Sunday vorort. Im vergangenen Jahr übertrug CBS das Spektakel, im Jahr zuvor Fox. In Deutschland und Österreich liegen die Übertragungsrechte bei RTL.

Ran präsentierte für all jene, die sich für den Montag nicht freinehmen konnten, ein Relive des Spektakels. Den Livestream (wahlweise auch mit Original-Kommentar) gab es bei DAZN oder Mike Morton hat bereits Super-Bowl-Erfahrung – aber als Spieler. 1999 war er Linebacker bei den Los Angeles Rams, die gegen die Tennessee Titans gewannen. direkt bei der NFL – hierfür ist jedoch ein NFL Game Pass erforderlich.

Apropos Travis Kelce: 2023 standen sich er und sein Bruder Jason gegen-über. Damals meinte Travis, dass ihre Mutter die eigentliche Gewinnerin des Super-Bowls wäre:

„Ein cooles Szenario – unsere Mutter kann nicht verlieren!“

Beide Kelce-Brüder wurden von demselben Mann in die Liga geholt: Der Head-Coach der Chiefs, Andy Reid, verpflichtete 2011 Jason Kelce nach Philadelphia, zwei Jahre später dann Travis für Kansas City.

„Ich habe in beide Zeit investiert. Ich fühle mich also wie ein Teil der Familie!“

Jason Kelce beendete am 4. März 2024 seine Karriere, nachdem er 13 Jahre lang für die Philadelphia Eagles kickte.

Doch steht und fällt im American Football das Spiel mit den Quarter-backs, den Spielmachern der Teams. Mit Jalen Hurts steht bei den Eagles ein Starvertreter seines Könnens im Mittelpunkt. Er lieferte mit seiner Mannschaft eine geradezu grandiose Saison ab und kam durch einen überzeugenden 23:55-Sieg gegen die Washington Commanders im AFC-Finale in den Superbowl. Hurts spielte im College Football für Oklahoma und Alabama, während der Highschool wurde er zum „Most Valuable Player“ gewählt. Seit 2020 steht er in Diensten der Phillies. Als Senior warf er in den letzten vier Saisonen 14.667 Yards-Pässe (darunter 85 Touch-down-Pässe) und rannte für 3.133 Yards-Laufpässe (darunter 55 Touchdowns). Auf der anderen Seite steht Patrick Mahomes. Mahomes spielte bei Texas Tech College Football. Seit 2017 steht er in Diensten bei den Chiefs – sein Vertrag wurde anno 2020 bis 2032 verlängert – bis dahin könnte dieser ihm die Summe von 503 Mio Dollar einbringen. Bei den Chiefs warf er seit seinem NFL-Debut 32.352 Yards-Pässe (darunter 245 Touchdowns) und 2.243 Yards-Laufpässe mit 14 Touchdowns. Doch war er auch im Baseball sehr erfolgreich: So warf er für die Whitehouse Highschool einen No Hitter mit 16 Strikeouts. In der Saison 2013/14 wurde er zum Maxprep-Athlet des Jahres gewählt.

Insgesamt leiten acht Schiedsrichter das Spiel – der „Referee“ (Haupt-schiedsrichter) war in diesem Jahr Ron Torbert. Er wurde bereits 2021 zur Super Bowle berufen – damals siegten die Los Angeles Rams über die Cincinnati Bengals. Torbert übrigens ist selbst im Besitz eines Super Bowl-Ringes: 1999 gewann er als Linebacker mit den Los Angeles Rams gegen die Tennedssee Titans.

Nicht nur hierzulande melden sich viele am folgenden Montag nach dem Spiel krank – in den USA ist das nahezu gang und gebe (+6 % – viele erscheinen zwar zur Arbeit, sind jedoch nicht ansprechbar!). Und das verdrücken die Amerikaner vor, während und nach dem Spiel: 1,25 Milliarden Chicken Wings, 120 Millionen Liter Bier, 14.000 Tonnen Chips und 4.000 Tonnen Popcorn – mit anderem macht dies rund 10 Milliarden US-Dollar, die sich Herr und Frau Smith landesweit zum Highlight des Jahres gönnen. Übrigens machen die Pizza-Lieferdienste mit rund 11 Mio Pizzen rund ein Drittel ihres Jahresumsatzes an nur diesem einen Tag.

Etwas teurer geht’s im Stadion her. Während die Karten regulär in der NFL-Verlosung für 600,- Dollar erhältlich sind, kosten sie am zweiten Markt schon mal zwischen 5-6.000,- Dollar – die teuersten gar das Zehnfache.

Link:

www.nfl.com

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Ist Georgien ein Teil Russlands?

Ähnlich wie derzeit in Deutschland und Österreich wird auch in Georgien nahezu täglich demonstriert! Allerdings unter anderen Vorzeichen. Wäh-rend die Menschen in Deutschland und Österreich gegen den steigenden Einfluss von rechts in der Politik auf die Strasse gehen, machen dies die Georgier gegen eine bereits bestehende Regierung. Sie wurde zwar gewählt – allerdings bescheingten ausländische Wahlbeobachter eine starke Einflussnahme Russlands bei diesem Urnengang. Doch hierzu mehr etwas später.

Die Geschichte Georgiens geht bis in die Steinzeit zurück. Im Ort Dmanissi wurde 1992 durch die deutsche Archäologin Antje Justus aus Mainz ein Schädel gefunden, der die Geschichte des Homo erectus auf dem europäischen Kontinent offenbar zu seinem Ursprung führt. Möglicherweise wurde Europa vor 1,85 Mio Jahren von den aus Afrika stammenden Menschen über Georgien bevölkert. König David schuf die erste staatliche Einheit, bis zur Regentschaft von Königin Tamar im 13. Jahrhundert erlebte Georgien mit dem sog. „Goldenen Jahrhundert“ seine Blütezeit. Danach zerfiel es in viele Kleinstaaten. Es folgte später eine abwechselnde Regentschaft der Osmanen und Perser. Zar Alexander I. schickte 1722 Truppen und eroberte den Nordkaukasus. 1786 begann der russisch-türkische Krieg, 1801wurde Georgien in das Zarenreich eingegliedert.

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges erklärte sich Georgien für unabhängig. Dies wurde auch von den kommunistischen Machthabern in Moskau vor-erst anerkannt – allerdings nur für drei Jahre. Während der Bolsche-wistischen Oktoberrevolution wurde das Land in die Sowjetunion einge-gliedert. Zwischen 1930 und 1950 erfolgten die stalinistischen Säuberungsaktionen – rund 30.000 Georgier fielen diesen zum Opfer oder verschwanden in Gulags.

Im Jahr 1990 schliesslich erfolgte die nächste Unabhängigkeitserklärung. Der Regierung unter Swuad Gamsachurdia gelang es jedoch nicht, eine staatliche Einheit zu bilden. Sein Nachfolger Eduard Schewardnadse schuf eine Autokratie. Er wurde 2004 durch den von vielen hochgelobten Hoffnungsträger Micheil Saakaschwili abgelöst. Schewardnadse erhielt zum Abschied Rosen – daher auch die Bezeichnung der „Rosen-revolution“. Doch auch Saakaschwili schuf eine Autokratie. 2008 schliess-lich revoltierten die Provinzen Abchasien und Südostessetien – es kam zu einem militärischen Konflikt, der nach wie vor andauert. Das öster-reichische Aussenministerium gibt für diese Regionen ein „Hohes Sicher-heitsrisiko“ (Sicherheitsstufe 3) aus und warnt vor Reisen. In diesem Zusammenhang griff Russland Georgien aus der Luft, am Boden und über das Schwarze Meer aus an – ein klarer Verstoss gegen das Völkerrecht. Der Kreml erkannte zudem die abtrünnigen Provinzen als unabhängige Staaten an. Dies führte zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Tiflis und Moskau. Zwischen 2012 (mit dem Ende der zweiten Amtszeit von Saakaschwili) und 2024 folgten insgesamt drei Minister-präsidenten (Bidsina Iwanischwili, Georgi Margwelaschwili und zwei Perioden lang Irakli Gharibaschwili). Letzterer trat am 29. Januar 2024 zurück – sein Nachfolger wurde Irakli Kobachidse.

Im März 2022 stellte Georgien angesichts des russischen Einmarsches in die Ukraine den Antrag auf einen Beitritt zur EU! Seit der Unabhängig-keitserklärung 1990 näherte sich zudem das Land der NATO an und wurde in den Europarat aufgenommen.

Nun zu den Demonstrationen: In der Nacht vom 22. auf den 23. November 2003 gingen rund 100.000 Menschen auf die Strasse, um gegen einen Wahlbetrug von Eduard Schewardnadse zu demonstrieren. Dies zeigte Wirkung – Schewardnadse wurde ab-, Surab Schwania von der Parlamentspräsidentin Burdschanadse als interimistischer Regierungschef eingesetzt. Die folgenden Wahlen gewann Saakaschwili. Auch gegen ihn begannen die Proteste anno 2007. Zu Beginn des Jahres 2023 schliesslich starteten die Demonstrationen gegen die Regierungspartei „Georgischer Traum“ aufgrund der geplanten Einführung eines Registers für „ausländische Agenten“ (als Vorbild diente dabei das russische Gesetz über ausländische Agenten. Am 11. Mai demonstrierten erneut Zehn-tausende in Tiflis gegen das Gesetz, das aber trotzdem drei Tage später durch das Parlament beschlossen wurde. Staatspräsidentin Salome Surabischwili kündigte an, dieses nicht unterzeichnen zu wollen und setzte einen Hilferuf gen Westen ab. Trotzdem trat das Gesetz im Juni desselben Jahres in Kraft – eine Mehrheit im Parlament wies das Veto der Staatspräsidentin zurück. Am 26. Oktober 2024 ging Kobachidse als eindeutiger Sieger hervor. Ihm wird jedoch Wahlbetrug und eine massive Einflussnahme Russlands in die Wahl vorgeworfen. Russlands Kriegs-treiber Putin hatte vor den Wahlen ganz offen damit gedroht, erneut gegen Georgien vorgehen zu wollen, wenn nicht der prorussische Kandidat gewählt würde. Seither gehen nahezu jeden Tag tausende Menschen auf die Strasse. Als die Regierung im November des letzten Jahres ankündigte, die Beitrittsverhandlungen zur EU bis 2028 aussetzen zu wollen, wurden es von Tag zu Tag mehr. Nach Umfragen befürworten bis zu 80 % der Georgier diesen Beitritt. Die Regierung geht seither mit schwer bewaffneten Polizisten, Wasserwerfern und illegalen Schläger-trupps brutal gegen die Protestierenden vor.

Den Demonstranten fehlen die Stimmen! Anführer, die Strukturen in die Demonstrationen bringen. Sobald sich allerdings jemand zu laut zu Wort meldet, wird er verhaftet. Eine dieser lauter werdenden Stimmen war die Gründerin der unabhängigen Zeitung „Batumelebi“ und des Online-Portals Netgazeti, Msia Amaghlobeli. Als sie am 11. Januar des Jahres ein Plakat aufhängen wollte, wurde sie festgenommen, wenig später jedoch wieder auf freien Fuße gesetzt. Als sie während einer Protestaktion erneut verhaftet wurde, ohrfeigte sie in der Polizeiwache den Polizeichef von Batumi, Irakli Dgebuadze. Ihr blüht nun eine Haftstrafe von vier bis sieben Jahren. 14 europäische Staaten haben bereits über ihre Bot-schaften ihre Freilassung gefordert.

Inzwischen gehen die Säuberungen in der staatlichen Verwaltung weiter. Tiflis bezeichnet sie offiziell als „Reorganisation“ – allerdings werden interessanterweise nur jene entlassen, die sich kritisch äussern oder eine Petition gegen die Aussetzung des EU-Beitritts unterzeichnet haben.

Es liegt also sehr viel im Argen in Georgien!

Lesetipps:

.) Georgien zwischen Eigenstaatlichkeit und russischer Okkupation. Die Wurzeln des Konflikts vom 18. Jahrhundert bis 1924; Philipp Ammon; Klostermann 2019

.) Georgien: Nationale Opposition und kommunistische Herrschaft seit 1956; Jürgen Gerber; Nomos 1997

.) A History of Georgia; Nodar Lomouri; Sarangi Publishers 1993

Links:

www.bmeia.gv.at

www.auswaertiges-amt.de

tiflis.diplo.de/

www.bpb.de/

www.goethe.de

osteuropa.lpb-bw.de

www.daad.de

www.giz.de

www.fes.de

www.kas.de

ge.boell.org

www.freiheit.org

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Die tödliche Gefahr aus dem Wasserhahn

Im Juli 2012 sorgte eine Schlagzeile in München für einigen Aufruhr – und dies deutschlandweit! „Duschverbot im Münchner Olympiadorf“. Auslöser war eine Trinkwasseruntersuchung nach der Trinkwasserrichtlinie der EU (aktuell: Richtlinie (EU) 2020/2184 „Qualität von Wasser für den mensch-lichen Gebrauch“) bzw. der heutigen „Trinkwasserverordnung vom 20. Juni 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 159, S. 2)“ in der damaligen Version. In Öster-reich konnte ich auf die Schnelle in der noch gültigen „Trinkwasser-verordnung“ (BGBl. II Nr. 304/2001) keine entsprechenden Bestimmungen entdecken (sollte ich fehl gehen – bitte Mail an mich, dann wird dies sofort korrigiert!). Die mikrobiologischen Untersuchungen betreffen hier vornehmlich den Gehalt von Coli-Bakterien bzw. Enterokokken, Pseudo-monas aeruginosa sowie Clostridium perfringens, nicht jedoch Legio-nellen! In Deutschland muss das Trinkwasser in allen öffentlichen und gewerblich genutzten Gebäuden seit dem 01. November 2011 regelmässig auf den Gehalt etwaiger „kolonienbildender Legionellen“ hin unterschucht werden. Zu diesen Gebäuden zählen auch Mietshäuser.

Zurück in die Gegenwart: Zu Beginn des Jahres erkrankten im öster-reichischen Bundesland Vorarlberg fünf Menschen an den Erregern, drei davon mussten gar auf der Intensiv-Station behandelt werden. Alle fünf stammen aus dem Bezirk Bregenz, ansonsten besteht kein Zusammen-hang zwischen den Fällen. Im Spätsommer letzten Jahres wurden in drei Wohnanlagen im Hamburger Stadtteil Dulsberg besorgniserregende knapp 16.000 sogenannte koloniebildende Einheiten (KBE) je Milliliter (ml) Legionellen gemessen – der Grenzwert liegt bei maximal 100 KBE/100 ml! Das Problem sei seit 2019 bekannt, der Vermieter allerdings habe stets nur kurzfristige Massnahmen ergriffen (etwa sterile Filter für die Duschköpfe), heisst es. Auch in Schwanewede im Landkreis Osterholz in Niedersachsen läuft nach wie vor der Kampf gegen die Erreger in Sporthallen und Schulen.

Legionellen sind immer im Trinkwasser enthalten. Während sie im Magen abgetötet werden, können sie in einer gewissen Konzentration einge-atmet durchaus tödliche Folgewirkungen haben. Wasserdampf, eine Klimaanlage, ein Whirlpool oder Zimmerbrunnen (Einatmung als Aerosol) sind zumeist die auslösenden Faktoren. Auch im Olympischen Dorf in München wurde die durch die EU-Trinkwasserrichtlinie 98/83 vorge-gebene Grenze von 100 kolonienbildenden Einheiten in 100 Milliliter Trinkwasser überschritten – in 320 Haushalten des Olympischen Dorfes in München durfte damals die Dusche nicht mehr verwendet werden. Das sollte in Hamburg durch die Duschköpfe vermieden werden.

Die stäbchenförmigen Krankheitserreger lösen bei schwachem Immun-system die sog. „Legionellose“ aus. Sie kann zwei unterschiedliche Krankheitsbilder aufweisen:

– das an sich harmlose Pontiac-Fieber

– die Legionärskrankheit mit tödlicher Lungenentzündung

Im Jahr 2011 wurden am Robert-Koch-Institut nicht weniger als 639 Legionellose-Fälle gemeldet. Doch gerade das Pontiac-Fieber wird öfters als normale Influenza oder grippaler Infekt verkannt. Deshalb dürfte die Dunkelziffer noch weitaus höher liegen. Grund zur Panik besteht deshalb jedoch nicht – durch die regelmässigen Untersuchungen werden immer wieder solche Meldungen in die Medien kommen. Nicht etwa weil die Legionellen zunehmen, sondern vielmehr weil wesentlich mehr kontrolliert wird.

Das heimische Trinkwasser unterliegt grösstmöglichen Reinheits-kontrollen. Es ist wahrscheinlich jene Flüssigkeit, die am meisten auf ihre Qualität hin überprüft wird. Trotzdem kann ein Krankheitserreger niemals völlig ausgeschaltet werden: Die Legionella pneumophila. Das Wasser fliesst in den Trinkwasserleitungen mit einer Temperatur von nur +8 Grad Celsius. Der Erreger vermehrt sich allerdings nicht oder nur sehr langsam unter einer Temperatur von +20 Grad. Damit sind Durch-lauferhitzer und Boiler die wirklichen Brutstätten der Legionellen. Nur die Erhitzung auf über +60 Grad lässt die Keime nach einigen Minuten absterben (bei +71 Grad innerhalb von 3 Minuten). Die Bakterien lagern sich in Form von Biofilmen in Rohren, Wasserhähnen und auch Dusch-köpfen an. Bei +36 Grad fühlen sie sich am wohlsten.

Die Legionärskrankheit wurde erstmals 1976 im Bellevue Stanfort-Hotel in Philadelphia diagnostiziert, als amerikanische Kriegsveteranen während eines Kongresses nach dem Duschen daran erkrankten. 180 von 4.400 Delegierten hatten sich infiziert, bei 29 verlief dies tödlich. Die erste bekannte Legionellen-Epidemie in Deutschland wurde 2010 im Raum von Ulm bekannt: 64 Infizierte und 5 Todesopfer. Gerade bei älteren Menschen, die über ein nicht mehr dermassen starkes Immun-system verfügen, können die Erreger zu Lungenentzündungen und Nervenversagen führen. Die Sterblichkeit liegt bei 10 bis 20 % und wird damit als „erheblich“ eingestuft.

Die Prüfungen nach der Trinkwasserrichtlinie müssen jährlich von akkreditierten Probenehmern durchgeführt werden. Dabei werden 250 Milliliter Wasser in eine zuvor sterilisierte Kunststoffflasche gefüllt. Zuvor wird die Wasserquelle mit 70 %-igem Ethanol gereinigt und nach der Einwirkzeit auf höchster Wassertemperatur für einige Minuten laufen gelassen. Erst dann erfolgt die Probenentnahme. Innerhab von 12 Stunden wird die Analyse der Probe vorgenommen. Dies gleich in drei-facher Hinsicht: Zwei natürliche Proben auf Nährboden in Petrischalen und einmal als Kontrollprobe. Hier wird das Wasser durch eine Filter-membran, Druck und chemischen Zusätzen insofern zerlegt, dass nurmehr die Legionellen übrig bleiben. Nach einer Woche bei 36 Grad Celsius haben sich in den meisten Fällen Kolonien aus einem Bakterium gebildet. Liegen diese im Rahmen des Erlaubten, ist dies gut so. Ansonsten muss das gesamte Leitungssystem des entsprechenden Gebäudes kurzfristig mit über 70 Grad heissem Wasser gespült werden. Betroffen davon sind „Speicher-Trinkwassererwärmer oder zentrale Durchfluss-Trinkwassererwärmer von mehr als 400 Liter und/oder drei Liter in jeder Rohrleitung zwischen dem Abgang des Trinkwasser-erwärmers und der Entnahmestelle“. Wird diese Regelung vernachlässigt, drohen hohe Strafen und im Ernstfall zivilrechtliche Schadensersatz-klagen.

Legionellen sind stäbchenförmige Bakterien, die zur Familie der Legionellaceae zählen. Geisseln (subpolare Flagellen) ermöglichen die Beweglichkeit der Erreger. Derzeit sind 48 Arten und 70 Serogruppen bekannt, die sowohl im Süss- als auch im Salzwasser vorkommen. Die Legionella pneumophila kann auch die lebensgefährliche Legionärskrank-heit auslösen. Sie äussert sich mit folgenden Verlaufserscheinungen: Unwohlsein, plötzlich auftretendes hohes Fieber, Kopf-, Brust- und Gliederschmerzen, Husten, Durchfall und Verwirrtheit. Einher geht eine Lungenentzündung und schliesslich ein Organversagen. Die Inkubations-zeit beläuft sich auf 2-10 Tage. 15 bis 20 % der Infektionen verlaufen tödlich. Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich in Deutschland 500 bis 2.000 Menschen auf diese Weise sterben – oftmals bleibt die eigentliche Ursache, die Legionellose dabei unerkannt. Das Pontiac-Fieber hingegen verläuft ebenfalls fiebrig und grippeähnlich, klingt jedoch nach nur wenigen Tagen wieder ab. Rund 100.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich daran.

Sich vor diesen Legionellen zu schützen ist sehr schwer. So sollte Trinkwasser immer kalt gehalten werden. Brauchwasser (zum Duschen etwa) sollte auf mindestens 60 Grad aufgeheizt werden (Rücklauf-temperatur mindestens 55 Grad). Gerade bei Geothermen (also Anlagen, die über Erdwärme heizen) bzw. Wärmepumpen sollte der Boiler regel-mässig auf über 60 Grad erhitzt werden (Strom). Nachteil: Raschere Verkalkung des Leitungssystems! Auch der Einsatz von Ultrafiltrations-Membranen wäre sehr förderlich – sie filtern die Legionellen aus. Die Bestrahlung mit ultraviolettem Licht (Aachener Konzept) schafft zudem Abhilfe. Daneben kann eine chemische Dauer- (geringe Konzentration) oder Stossdesinfektion (mit beispielsweise Wasserstoffperoxid) von Chemikalien in hoher Konzentration durchgeführt werden. Danach muss eine Spülung erfolgen. Recht neu ist auch die Membranzellenelektrolyse. Dabei wird durch elektrochemische Aktivierung Natriumhypochlorit erzeugt. Chemische Massnahmen sind jedoch immer mit hoher Genauigkeit und nach DIN-Vorschriften durchzuführen. So verbietet etwa die Trinkwasserverordnung eine prophylaktische Desinfektion mit Chemikalien. Zuguterletzt sei hier noch das Anstandsgewirke erwähnt. Durch die Anbringung spezieller silberhaltiger Textilien in wasser-führenden Systemen werden Metallionen in Mikroorganismen übertragen, die ein Anhaften eines Biofilmes und damit eine Kolonienbildung verhindern.

Trinkwasser ist in unseren Breitengraden der wichtigste Schatz. Unter Berücksichtigung auch nur kleinerer Massnahmen ist es auch die gesündeste Flüssigkeit, die wir zu uns nehmen können. Zudem noch kalorienarm bzw. gar -frei. Der Mensch kann mehrere Tage ohne Nahrung überleben – jedoch nur kurz ohne Flüssigkeit!

Lesetipps:

.) Legionellen in Trinkwasser-Installationen Gefährdungsanalyse und Sanierung; Arnd Bürschgens; DIN E.V. 2024

.) Legionellenprävention in Trinkwasser-Erwärmung; Fünfgeld Liv; VDM 2013

.) Legionellenrisiken in Verdunstungskühlanlagen und Kühltürmen Ursachen und Vermeidung; Christoph Sinder/Meinolf Gringel ua.; DIN Media Praxis 2019

.) Legionella: Infections and Pathology; Charlotte Ortiz; States Academic Press 2022

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