Archive for April, 2022

Bar oder mit Karte???

„Bargeld ist geprägte Freiheit“
(Fjodor Michailowitsch Dostojewski)

Ja – es gibt sie tatsächlich: Bargeld-Obergrenzen bei Kaufabschlüssen. Geplant ist die EU-weite Umsetzung schon seit Jahren, doch konnten sich einige Staaten noch nicht zu diesem Schritt entscheiden. Keine Ober-grenzen in der Bargeldzahlung gibt es in Belgien, Luxemburg und Öster-reich, Einschränkungen in der Praxis etwa in Irland, Schweden, Finnland, Estland, Ungarn und Deutschland. So gilt zwischen Berchtesgaden und Flensburg: Bei Kaufgeschäften B2B bzw. B2C bis zu 5.000,- Euro, bei C2C bis zu 15.000,- Euro. Alles andere muss – wie in den anderen EU-Mit-gliedsstaaten mit Karte oder mittels Überweisung beglichen werden. Vorsicht übrigens: In Estland gilt: Bis zu 50 Geldstücke oder Banknoten unabhängig vom Wert – alles weitere kann verweigert werden!
Die Europäische Zentralbank EZB beschloss bereits am 4. Mai 2016 einen Produktionsstopp der 500,- €-Banknote, deren Ausgabe endete Ende des Jahres 2018. Nach wie vor zur Diskussion steht zudem die Abschaffung der 1- und 2-Cent-Münzen in der Eurozone. Doch auch hier kam es bislang zu keiner Einstimmigkeit, da v.a. befürchtet wird, dass auf 5 Cent aufgerundet würde, was einer Verteuerungswelle gleich käme – im Vergleich zur derzeitigen jedoch harmlos.
Ist das alles nicht etwa ein untrübliches Zeichen für die schleichende Abschaffung des Bargeldes? Einer Errungenschaft, die den Menschen vom Tauscher zum Käufer und Verkäufer machte und auch in den Ver-fassungen der Mitgliedsstaaten enthalten ist! Doch – eines nach dem anderen!
Aus dem Finanzministerium in Berlin heisst es, man wolle mit dieser Maßnahme der Kriminalität und dem Terrorismus die finanzielle Grund-lage nehmen. Klar, wird doch bei dunklen Geschäften Bargeld bevorzugt. Doch wird wirklich die Einführung einer Bargeld-Höchstgrenze den Geld-koffer oder das gut gepolsterte Geld-Kuvert ersetzen? Wohl kaum, schliesslich tue ich mir damit sehr schwer, die Kalaschnikoff meiner Kreditkartenfirma erklären zu können. Oder – welchen Zahlungsgrund gebe ich bei der Überweisung an, wenn ich ein halbes Kilogramm Kokain erworben habe? Möglich wäre, dass ich das Gewehr zum Knacken von Walnüssen brauche – dann wäre es ja wohl eine Dual Use-Ware und unterläge nicht dem Kriegswaffengesetz. Und das Kokain? Na ja – zum Streuen der ansonsten stets vereisten Einfahrt! Da bekommt der Spruch „…eine Strasse legen!“ gleich eine komplett andere Bedeutung.

„Das Vertrauen in eine Währung beginnt beim Bargeld!“
(Website der Deutschen Bundesbank)

Die Geldkoffer wird man so rasch nicht abschaffen können! Das wird dem Bela Rabelbauer sicherlich gefallen! Der damalige Geschäftsmann aus dem österreichischen Bundesland Vorarlberg hatte im Namen eines Bürgerforums der Österreichischen Volkspartei in deren Klubräum-lichkeiten im Parlament in Wien einen Geldkoffer mit 4 Mio Schillingen übergeben. Es sollte die erste Anzahlung für den Ankauf eines National-ratmandates sein. Das alles geschah am 17. September 1979; erst ein Jahr später deckte der Journalist Peter Pelinka in der damaligen sozial-demokratischen Arbeiterzeitung den Skandal auf. Heute lebt Rabelbauer in Ungarn – nach nicht weiter recherchierten Quellen einem Land der Geldkoffer. Auch ich wanderte einst mit einer runden Million öster-reichischer Alpendollar quer durch Innsbruck, als ich die Vorverkaufs-stellen für ein Grosskonzert abrechnete. Es war schon ein etwas mulmiges Gefühl. Mehr weh tat aber danach der Blick in den wieder leeren Koffer: Da war nur kurz zuvor noch ein Vermögen drinnen!!! Ergo: Kein Krimineller oder Terrorist wird sich von seinem bisherigen Geschäftsgebahren abbringen lassen, weil die Regierung einen Blick auf alle grösseren Kaufgeschäfte werfen will. Nach einer Studie der deutschen Bundesregierung wird alleine in Deutschland Schwarzgeld im Wert von rund 100 Milliarden € sauber gewaschen (bei einem prognostizierten Umsatz der Schattenwirtschaft 2022 in der Höhe von 326 Milliarden Euro). Im vergangenen Jahr wurden 14.785 Fälle von Geldwäsche bzw. Verschleierung unrechtmässig erlangter Vermögenswerte aufgedeckt – nur in Deutschland! Daran wird sich aber wohl auch mit einer Bargeld-obergrenze nichts ändern. Sollte also künftig Bernie Ecclestone in Berlin eine Wohnung für seine Tochter suchen, wird er die wohl nicht mehr wie einst direkt mit dem Geldköfferchen erledigen können. Hat sich aber offenbar kurz danach von selbst erledigt, nachdem sich der ehemalige Formel I-Mogul öffentlich über die Verschwendungssucht seiner Töchter Tamara und Petra brüskierte. Dennoch müssen viele Oligarchen derzeit tief in die Portokasse greifen, da ihre Konten gesperrt sind.
In Frankreich liegt die Obergrenze bei 1.000,- €, in Italien wurde sie erst von 1.000,- auf 3.000,- € erhöht, zum 01. Januar 2022 jedoch wieder auf 1.000 € gesenkt. Offenbar gab es zu viele schlechtverdienende Politiker. Übrigens – nach Angaben des deutschen Zolls muss eine Bargeldsumme ab 10.000,- € beim innereuropäischen Grenzübertritt auf Anfrage mündlich angezeigt werden („Anzeigepflichtiges Bargeld bzw. gleichgestellte Zahlungsmittel“). Das war selbstverständlich mit 500,- €-Scheinen im Kuvert wesentlich angenehmer für die Sakko-Tasche als nun mit der nächst niedrigeren 200,- €-Banknote (Delle im Jackett). Das erkannte 2016 auch der seinerzeitige Präsident der Europäischen Zentral-bank (2011-2019) und nunmehrige italienische Ministerpräsident Mario Draghi:

“Die 500-Euro-Note wird immer mehr als ein Instrument für kriminelle Aktivitäten gesehen!“

Im August 2021 bot jemand auf Ebay einen 500,- €-Schein für 1.000,- € an – er schaffte es auf 54 Beobachter – los bekam er ihn jedoch nicht. Im Vergleich zu einem Mitbewerber, der ihn für 520,- € los wurde. Wie der Schein übergeben wurde, ist nicht bekannt. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank waren mit Stand 22. Juli 2021 noch 500 €-Banknoten im Gesamtwert von 145 Milliarden Euro im Umlauf
Mal ganz ehrlich: Ich vermeide den Besitz derart grosser Scheine. Muss jemand ganz schön lange arbeiten für, doch verloren ist auch er sehr rasch. Umso grösser ist dann die Schadensumme. Ausserdem kann damit sowieso nicht überall bezahlt werden. Etwa in Luxemburg. Dort aber waren lange Zeit die meisten dieser Scheine im Umlauf! Die Deutsche Bundesbank versucht unterdessen zu beruhigen: Der Umtausch von D-Mark (Banknoten und Münzen) steht nicht zur Diskussion! Schliesslich befinden sich noch 369.000 1.000-Mark-Geldscheine der Serie BBk I (erste Serie der 1957 gegründeten Deutschen Bundesbank) im Umlauf (Stand: Januar 2022). Sie erzielen derzeit ein Höchstgebot von 550,- € bei Sammlern – auch wenn Anbieter weit über 2.000,- € dafür haben möchten. Offenbar gelten die rotbraunen Banknoten noch in sehr vielen Haushalten als Notfallreserve. Schliesslich kamen im Jahr 2016 gerade mal 22.175 zum Produzenten zurück, seither werden es von Jahr zu Jahr weniger. Trotzdem befinden sich noch DM-Banknoten im Wert von 5,75 Milliarden DM und Münzen für rund 6,6 Milliarden Deutsche Mark im Umlauf (Stand: Januar 2022 – Angaben Dt. Bundesbank). In Österreich sind es Banknoten im Wert von 3,1 Milliarden und Münzen im Wert von 3,9 Milliarden Schillingen (Stand: Januar 2021 – Angaben Österreichische Nationalbank).
Die 500er-Scheine machten nur etwa 3 Prozent aller Euro-Banknoten aus – deren Gesamt-Wert aber lag bei 306,8 Mrd. € – nur der Wert des 50ers war 2016 mit 419,9 Mrd. € grösser. Wird nun Geld in diesem Ausmass vom Markt genommen, könnte das durchaus einem Schritt in Richtung Deflation gleichkommen.
Wer glaubt, dadurch die Kriminalität eingrenzen zu können, dürfte auf dem falschen Dampfer sitzen. Der Schein ist nach wie vor gültiges Zahlungsmittel. Eine Eigenstudie zeigte allerdings, dass nicht überall damit bezahlt werden kann (wie übrigens nach seiner Einführung auch). Banken jedoch sind zu dessen Annahme verpflichtet. Dass jedoch das „Millieu“ grosse Mengen an 500ern umgetauscht hat, ist bis heute nicht bekannt: Einerseits muss die Bank zuvor informiert werden, wenn grössere Geldmengen abgehoben oder umgetauscht werden, da nicht mehr viel Bargeld in den Geldinstituten aufbewahrt wird. Andererseits – wer Bargeld in Höhe von 1.000,- € umtauscht, muss sich ausweisen können (Geldwäschegesetz 2008 Deutschland). Die Daten werden mit einer Terrorismus-Datenbank verglichen. Zudem wird ab einem Betrag von 12.500 (in Deutschland) bzw. 10.000,- € (in Österreich) ohnedies genauestens auf Geldwäsche hin überprüft und Meldung erstattet (in Österreich etwa nach dem Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz). Wenn Sie also beispielsweise als Österreicher in Deutschland ein Auto im Wert von 12.501,- € erworben haben, wird Ihre Überweisung dokumentiert, da sie auf Geldwäsche hin überprüft wird. So argumentiert auch der deutsche parlamentarische Staatssekretär MdB Dr. Michael Meister. Er betont, dass sehr viele Luxuslimousinen in Deutschland von Menschen gekauft werden, die extra zu diesem Zweck aus dem Ausland anreisen! Und siehe da – der meiste dunkle Geldfluss findet durch Anwälte und Notare auf Treuhand- und Anderkonten statt – da werden Sie geholfen!

“Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert!“

Als damals der Euro eingeführt wurde, waren noch Ein-Pfennig- und Fünf-Groschen-Münzen in Deutschland und Österreich offizielles Zahlungsmittel. Als es hiess, dass sich mit der Euro-Einführung alles verteuerte, was von den Befürwortern massivst abgestritten wurde, wurde auch kein Bedacht mehr auf die ganz kleinen Summen gelegt. Wer kümmert sich heute denn schon um eine am Boden liegende 1-Cent-Münze??? Dabei sind dies – für all jene, die nach der Währungs-Umstellung geboren wurden – 2 Pfennige oder rund 27 Groschen! Nun sollen die Ein- und Zwei-Cent-Münzen aus dem Verkehr gezogen werden. Die Beträge seien zu gering und die Münzen somit nur ein Hindernis im Zahlungsverkehr. Ausserdem sei die Herstellung und In-Umlauf-Bringung teurer als der tatsächliche Wert. So kostet die 1 Cent-Münze in ihrer Herstellung 1,65 Cent! Na ja – immerhin sind EU-weit 36,7 Mrd. Ein-Cent-Münzen und 28,2 Mrd. Zwei-Cent-Münzen (Stand: 2019) im Umlauf. Deutschland hatte zu Beginn des Euros immense Probleme mit den beiden Kupfermünzen – jedes Geschäft frohlockte, wenn mit Kupfer bezahlt wurde. Nun ja – ich würde mal so sagen: Selber schuld! Die Preispolitik mit 9,99 oder 18,98 € führt zu ständigem Bedarf dieser Münzen, da nicht jeder Kunde Trinkgeld gibt. In einer Umfrage der EU-Kommission sprachen sich im letzten Jahr 67 % der 17.700 Befragten für die Abschaffung aus – in Österreich gar 76 %. Allerdings sei erwähnt, dass derartige Befragungen jedes Jahr durchgeführt werden. In fünf EU-Staaten wird bereits auf 5 Cent aufgerundet: Belgien, Finnland, Irland, Italien und Niederlande. Dort wird auf- oder abgerundet – allerdings nicht, wie wir es in der Schule gelernt haben (bis 5 ab-, ab 5 aufrunden), sondern kaufmännisch: 1, 2, 6 und 7 abrunden, 3, 4, 8 und 9 aufrunden. Bekannt ist das aus dem niederländischen „Afronden (ähnliches auch in Belgien, Irland und Finnland). Die Idee entstand, da Banken immer mehr Gebühren verlangen, wenn Händler mit den Münzen zum Einzahlen oder Eintauschen kommen (1 bis 10 % des Geldbetrages oder Mindestspesen von bis zu 10 €). Ob dann allerdings wirklich immer auch abgerundet oder anstelle dessen in der Preiskalkulation besser aufgerundet wird, wodurch es erneut zu einer Verteuerung des Warenkorbs kommt, möchte ich nun mal einfach so im Raume stehen lassen. Schliesslich wurde dies obwohl eindeutig bei der Euro-Einführung nachgewiesen, immer wieder massivst bestritten. Ein entsprechender Radiobeitrag von mir über die Preisentwicklung bei Obst und Gemüse nach der Einführung des Euros sorgte für einen Sturm der Entrüstung im Einzelhandel. Daneben kommt es ja durchaus offiziell zu Mehreinnahmen, die am Fiskus vorbeige-schmuggelt werden. Denn – nur mal theoretisch – ich preise eine Ware anstelle mit 8,92 (abrunden) mit 8,93 (aufrunden) aus, so gerät das angestrebte Gleichgewicht zwischen ab- und aufrunden zugunsten der Mehreinnahmen aus dem Gleichgewicht!
Aber was soll’s: Bargeld wird es ohnehin nicht mehr sehr lange geben! Zumindest, wenn es nach der Meinung von Deutsche Bank-Ex-Chefs John Cryan geht, der das Thema beim Weltwirtschaftsforum 2016 in Davos auf den Tisch brachte und dabei auch viele hochrangige Unterstützer fand. Unter Ihnen – na no net – Mastercard-CEO Pawel Rychlinski. In vielen Ländern wird bereits schon auch nur der Kaffee im Café mit Karte bezahlt. Skandinavien etwa. In Dänemark (gehört nicht zur Eurozone) druckt die Notenbank beispielsweise mangels Nachfrage auch keine Banknoten mehr! Muss man sich durchaus fragen: Wofür gibt’s dann noch eine Notenbank??? Ein Paradies für die Plastikkarten-Hersteller – ein Horror für Datenschützer. Einerseits gab es zuletzt immer wieder Kreditkarten-Datenpannen, andererseits kann jederzeit nachvollzogen werden, wo sich wer aufgehalten hat („Bewegungsprofil“) und was gekauft wurde. Der gläserne Konsument wird also noch durchsichtiger. Zudem verdienen die Banken und Kreditkartenunternehmen bei jeder Bezahlung mit Karte mit. Schliesslich verlangen sehr viele unter ihnen Geld für die Buchungszeilen oder Bankomat-Gebühren.

“Es wird ernst mit der Enteignung!“
(Daniel Stelter im manager magazin am 26.01.2015)

Stelter betont, dass ein derartiges Bargeld-Verbot ausschliesslich jene treffen würde, die nur ganze wenige Möglichkeiten haben, in andere Ver-mögenswerte umzusteigen – die Unter- und Mittelschicht! Der Spar-strumpf unter dem Kopfkissen wird hingegen immer mehr bei schlechteren Zeiten der Bank vorgezogen. So stieg etwa während der Weltfinanzkrise 2008 der Bedarf an Bargeld stark an.
Klar gegen die Abschaffung des Bargeldes hat sich auch die Deutsche Bundesbank ausgesprochen. So meinte etwa das Vorstandsmitglied Thiele bei einem Vortrag in Stuttgart am 13. Oktober 2015:

„Ich möchte es hier ganz deutlich sagen: Die Deutsche Bundesbank lehnt die Forderung nach einer Abschaffung des Bargelds ebenso ab wie Restriktionen für die Bezahlung von Waren und Dienstleistungen mit Bargeld.“

Auch der österreichische Nationalbank-Präsident Ewald Nowotny hat sich bereits im Herbst 2015 klar gegen die Abschaffung von Bargeld ausge-sprochen:

“Wir sind absolut gegen irgendeinen Zwang in der Frage, was ich als Zahlungsmittel verwende.“

Fakt ist: Der Bürger müsste dann sein komplettes Vermögen auf einem Konto bei der Bank lagern. Damit erhielten EZB und die Bundesbank, aber auch das Finanzministerium einen Freifahrtschein betreffs regulatorischer Zugriffe. Senkt etwa die EZB den Leitzins unter Null, so muss der Kontoinhaber sogar Zinsen dafür bezahlen, dass sein komplettes Vermögen beim Geldinstitut seines Vertrauens „am Arbeiten“ ist! Ökonomen finden diese Tatsache durchaus interessant, ist doch der Konsument gezwungen, Vermögen wieder rasch auszugeben oder zu investieren. Das würde „die Volkswirtschaft kräftig stimulieren“ (Peter Bofinger)! Jedoch – habe ich nun kräftig investiert, verfüge auch über festangelegtes Eigentum, habe jedoch kein Geld auf dem Konto, muss ich überziehen, was den Banken wieder kräftig Überziehungszinsen bringt! Der Verlierer ist und bleibt also die kleine Frau/der kleine Mann – der Gewinner immer seine Bank! Parplus – schon mal überlegt, was geschieht, wenn hierzulande ein Fall „Zypern“ geschieht? Also eine Quasi-Enteignung der Sparer passiert! Und schwub – ist fast alles weg, weil wieder einer der doch so gut ausgebildeten Geldmanager in eine Blase investiert hat, die leider geplatzt ist. Dafür aber erhält er noch eine gute Provision! Die Konkursrichter würden sich über Arbeit nicht beklagen können.
Und – wenn wieder damit argumentiert wird, dass ohne Bargeld keine bezahlte Kriminalität oder Schwarzarbeit mehr Sorgen bereiten dürfte: Der US-Dollar oder die britische Pfund wird sicherlich nie als Bargeld abgeschafft, da beide Wirtschaftssysteme einfach die Druckmaschinen starten, wenn sie Geld brauchen. Ergo steigen die Schwarzzahler auf andere Währungen um! Nicht zu vergessen sind natürlich die Steueroasen oder Offshore-Konten. Gabriel Zucman (französischer Ökonom) schätzte das nicht deklarierte, weltweite Buchgeld auf die unglaubliche Summe von 5,8 Billionen €, nachBerechnungen der OECD 11,3 Billionen US-Dollar; nach Berechnungen des Tx Justice Networks gar 32 Billionen US-Dollar. Diese Gelder liegen in der Schweiz, auf den Bahamas oder in Singapur etc.
Tja und zuguterletzt die Cent-Sucher an der Kasse des Supermarktes! Mir ist aufgefallen, dass ich an ebensolchen meist länger warten muss, wenn mit Karte bezahlt wird, als mit Bargeld! Zudem kann ein Supermarkt zusperren, wenn keine Verbindung zum Karten-Unternehmen besteht!

Auch ich bin der Meinung, dass der Mensch durch eine etwaige Abschaffung des Bargeldes nicht nur finanziell geschädigt, sondern massivst in seinen Grundrechten eingeschränkt wird. Schliesslich kann sich wohl jeder selbst entscheiden, ob Frau die Behandlung im Nagel-Studio bzw. Mann den Einkauf bei Beate Uhse anonym mittels Bargeld oder für jeden sichtbar mit Karte bezahlt!

“Zum einen schützen Barzahlungen die Privatsphäre der Bevölkerung. Dass davon auch weniger rechtschaffene Personen profitieren, ist kein Grund, die ehrlichen Bürgerinnen und Bürger immer gläserner werden zu lassen.“
(Carl-Ludwig Thiele, ehemaliges Vorstandsmitglied der Dt. Bundesbank)

Links:
www.ecb.europa.eu
www.bundesbank.de/
www.zoll.de
www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de
www.eu-verbraucher.de
www.oenb.at
www.evz.de
www.oeropa.at

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Kakao – die Götterspeise

Ich denke mir wohl, bei der Entdeckung der Kakaobohne und der Erfindung der leckeren Produkte daraus, dürfte der Liebe Gott seine Finger im Spiel gehabt haben! Oder war es gar der Teufel?! Als ich vor kurzem mit einer ganz lieben Freundin gesprochen habe, meinte sie plötzlich mitten im Gespräch, dass sie am Tag zuvor eine dermassen Wut bekam – sie habe glatt eine ganze Tafel Schokolade gegessen hatte! Die Frau ist Sportlerin und weiss somit, wieviele Kalorien diese kleine/grosse Sünde hat! Eine komplette Tafel! Ich darf hier erwähnen, dass im Hause Stock eine Tafel das Aufmachen nicht überlebt! Schliesslich könnte sie ja nach dem Öffnen schlecht werden, oder?!
Aber – Spass beiseite – rund 1000 Kalorien bei 200 g Schokolade gehören dann auch wieder runtertrainiert, ansonsten wird wohl jeder bald schon sehen, wie gut man es sich mit den kleinen Belohnungen gehen lässt! Völlig egal, ob mit gesunder Vollmilch bei so manchen Kinderprodukten gegen das schlechte Gewissen geredet wird. Jeder Bundesdeutsche konsumiert jährlich rund 9,2 kg Schokolade. Das sind wieviele Trainings-einheiten pro Kopf? All jenen, die so oder so ihre Finger nicht davon lassen können, kann ich mitteilen, dass sie künftig bei einem anderen Hobby empfindlich kürzer treten müssen, da sich Kakao nach einer Tal-fahrt im November des letzten Jahres nun weiter verteuern wird. Aber eins nach dem anderen.
Eine Studie der Columbia University zeigte bereits im Jahr 2014 auf, dass Kakao eine mehr als positive Wirkung auf die kleinen grauen Zellen des Menschen hat. Verantwortlich dafür – so berichtet zumindest die Zeit-schrift „Natura Neuroscience“ 2015 – sind die in der Kakaobohne enthaltenen Flavonoide. In der Studie erhielten 37 erwachsene Personen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren jeweils ein ganz spezielles Kakao-getränk am Tag. Die Versuchsgruppe mit einem höheren Anteil an Kakao, die Kontrollgruppe mit einem wesentlich geringeren Anteil. Vor und nach drei Monaten wurden Gedächtnistests durchgeführt, bei welchen die Versuchsgruppe wesentlich besser als vor der Versuchsreihe und im Vergleich zur Kontrollgruppe abgeschnitten hatte. Um dem Alzheimer-Forscher und Leiter der Studie Scott A. Small Glauben zu schenken: Die durchschnittlichen Gedächtnisleistungen eines 60-jährigen vor dem Test sind jenen eines 30-40-jährigen nach dem Test gewichen.
Ergo: Mit Kakao kann altersbedingtem Gedächtnisverlust entgegengewirkt werden. Durchgeführte Scans am Gehirn zeigten eine wesentlich bessere Durchblutung des Gyrus dentatus, dem für die Erinnerung zuständigen Teils des Hippocampus. Nicht zu verwechseln mit Gyros dentalus – das ist eine griechische Speise, nach deren Genuss möglicherweise ein Besuch beim Zahnarzt erforderlich ist. Sollten Sie nun ganz entzückt zur Schokolade greifen, muss ich Sie leider enttäuschen: Diese Pflanzen-inhaltsstoffe gehen bei der Produktion der heiss begehrten Riegel nahezu komplett verloren. Das angesprochene Getränk ist eigens für diese Testreihe gemixt worden und beinhaltete nicht weniger als 900 Milli-gramm dieser Flavonoide (ein Schoko-Riegel hat gerade mal 40 mg). Auch wenn dies nicht auf Alzheimer-Patienten umgelegt werden kann, so zeigt die Studie zumindest, dass eine Ernährungsumstellung durchaus auch auf das Ober-Stübchen wirken kann – das Zentrale Nervensystem nascht sozusagen mit!
Zum selben Ergebnis gelangt übrigens eine Studie von Catarina Rendeiro (University of Birmingham) und Monica Fabiani bzw. Gabriele Gratton von der University of Illinois aus dem Jahr 2020. Flavinoide beeinflussen den Sauerstofftransport im Blut, sodass als erstes das Gehirn besser damit versorgt wird. Es gibt sie in vielen Früchten, Gemüsesorten, dem Grünen Tee und auch im Kakao. In der zweiten Studie sollte die Wirkung der Flavanolen (einer Untergruppe der Flavinoiden) untersucht werden. Im Speziellen von Epigallocatechingallat (EGCG) und den Oligomeren Proanthocyanidine (OPC). Die Studie wurde an 18 gesunden Nicht-rauchern in zwei Phasen durchgeführt. In der ersten erhielten sie flavanolreichen Kakao, in der zweiten flavanolarmen. Welcher zum Einsatz kam, war den Probanden nicht bekannt. Danach wurde die Atmungsluft auf bis zu 5 % Kohlendioxid-Gehalt angereichert (normale Luft liegt bei 0,04 % CO2). Der höhere Anteil an CO2 führt zu einem verstärkten Blutfluss, damit v.a. das Gehirn mit mehr Sauerstoff versorgt werden kann. Überprüft wurde der Blutfluss mit der Nahinfrarotspektroskopie – besonders der frontale Cortex zeigte enorme Veränderungen. Hier wird das Verhalten und Entscheidungsbewusstsein verarbeitet. Die Studienteilnehmer mussten zudem kognitive Aufgaben meistern. Bei 14 der 18 Teilnehmern funktionierte die Sauerstoffversorgung nach dem flavanolreichen Kakao nahezu dreimal besser als nach dem Verzehr des flavanolarmen.
Doch – das ist noch lange nicht alles! Wenn Sie sich heute entscheiden, geben wir noch eines drauf: Das Blutkreislaufsystem: So verbessern die Flavonoide die Elastizität der Adern. Das wiederum wirkt sich positiv auf den Blutdruck aus (wird gesenkt), wodurch das Risiko eines Schlag-anfalles verringert wird. Zudem wird der Kreislauf stimuliert. Auch die anderen Bestandteile wie Histamin, Magnesium, Neurotransmitter etc. wirken sehr positiv, die ebenfalls enthaltenen Antioxidantien fangen die freien Radikale ein. Norman Hollenberger von der Harvard-University bescheingte durch die Resultate seiner Studien, dass sich Kakao positiv gegen Hirnschlag, Herzinfarkt, Krebs und Diabetes bewährt.
Vorsicht allerdings bei Hunden und Katzen: Für sie kann der für den Menschen unbedenkliche Inhaltsstoff Theobromin giftig sein!

Der Kakao ist bereits seit Jahrhunderten in Verwendung. Schon die alten Mayas und Azteken („Theobroma cacao“ – ein Geschenk des Gottes Quetzalcoatl und somit heilig) verwendeten ihn, wo auch der Name „Cacao“ herrührt. Sie brauten aus den Kakaobohnen ein verdammt scharfes Getränk, das sie als Stimmungsaufheller verwendeten. Wahr-scheinlich zeigte man sich gleich mal heiterer, wenn man diesen Pansch nicht trinken musste! Durch die Spanier nach Good Old Europe gebracht, mischte man das gemahlene Pulver mit Zucker und hatte ein feines Getränk für jene soziale Schichten, die sich dies leisten konnten. Hier sollten auch die Kakao-Fans beachten, dass der natürliche Kakao gerade mal 3 % Zuckergehalt aufweist, während der industriell gewonnene auf-grund des hohen Zuckergehaltes so eklatant auf die Hüften schlägt. Im Kakao sind rund 300 Basisstoffe enthalten – die wichtigsten sind:
54,0 % Kakaobutter (Fett)
11,5 % Eiweiß
9,0 % Cellulose
7,5 % Stärke und Pentosane
6,0 % Gerbstoffe (z. B.: Tannin) und farbgebende Bestandteile
5,0 % Wasser
2,6 % Mineralstoffe und Salze
2,0 % organische Säuren und Geschmackstoffe
1,2 % Theobromin
1,0 % verschiedene Zucker
0,2 % Koffein
Ist somit eigentlich ein wirklich gesundes Nahrungsmittel – allerdings mit vielen Kalorien. 100 g Kakaopulver bringen es auf rund 350 Kalorien. Je nach Entölungsgrad kann dieser Wert jedoch schwanken – stark entölt sind es gerade noch 250 Kalorien. Im Vergleich dazu haben 100 g Schokolade rund 500 Kalorien. V.a. Frauen greifen gerne zur Schokolade, da die vorhin beschriebene stimmungsaufhellende Wirkung durch das ebenfalls enthaltene Serotonin und das Dopamin erzielt wird.
Viele Frauen (und immer mehr Männer) verwenden aber auch unbewusst die fettige Kakaobutter. Sie schmilzt bereits bei Körpertemperatur und hinterlässt eine wunderbar weiche Haut. Deshalb wurde schon vor einiger Zeit auch die Kosmetik-Wirtschaft auf sie aufmerksam und greift auf sie beispielsweise bei der Herstellung von Lippenbalsam, Lotionen, Gesichts-masken, Crèmes und Seifen zurück. Dies beruht auf den Erkenntnissen der Universität Münster, die nachweisen konnte, dass sich das sog. „CocoHeal“ (N-Phenylpropenoyl-L-aminosäureamide) mehr als günstig auf das Wachstum der Hautzellen und gegen die Faltenbildung auswirkt.
Aber zurück zum Kakao, dem wichtigsten Grundstoff für die Schokolade-Herstellung. So verleiht er dieser nicht nur das entsprechende Aroma. Allerdings ist die Produktion nicht wirklich ganz einfach, da die Kakao-frucht nach ihrer Ernte geöffnet wird und gären muss (Fermentation). Hierbei stoppt der Alkohol die Keimung der rund 50 Kerne pro Frucht, die dadurch an Bitterstoffen verlieren. Der Kakaobaum ist übrigens ein dünner Unterholzbaum mit schwertartigen Blättern, der am besten um den 20 nördlichen und südlichen Breitengrad (Amazonasgebiet) herum gedeiht. Vier Sorten werden unterschieden, wobei der Criollo (Kreolen-kakao) der Edelste ist. Daneben gibt es noch den Forastero (Fremdlings-kakao) sowie die Kreuzungen Trinitario und Nacional. Der normale Konsum-Kakao gehört zuhauf der Forastero-Sorte an, da diese Pflanze am robustesten und ertragreichsten ist. Nach der Trocknung bzw. Röstung der Bohnen werden sie zu einer Kakaomasse verarbeitet, die dann in Kakaobutter und Kakaopulver getrennt wird. Während weisse Schokolade vornehmlich aus der Kakaobutter und Zucker hergestellt wird, ist in der schwarzen Schokolade auch Kakaopulver sowie Milch- bzw. Sahnepulver enthalten.
Mit Schokolade sollte also durchaus vorsichtig umgegangen werden. Ein oder zwei Stück pro Tag sind ausreichend, da ansonsten der positive Effekt des Kakaos zunichte gemacht wird und der Körper zu viele Kohle-hydrate abbauen muss. Aber auch aufgrund der Cadmium-Belastung, warnt das Bundesamt für Risikobewertung. Dies hängt vom Herkunftsland des Kakaos ab – nicht selten jedoch ist der Wert dieses Elements, das Schäden der Niere und der Knochen hervorrufen kann, extrem hoch. Doch ein Grenzwert wurde bislang in der EU nicht eingeführt, gefordert hingegen schon lange. Hier gilt somit: Je höher der Kakao-Anteil desto mehr Cadmium kann auch in der Schokolade sein. Zudem werden immer wieder Pestizide nachgewiesen.
Und – zum Preis! Kam es im Jahr 2015 noch zu einer Unterversorgung, so reagierten die Produzenten darauf und steigerten den Anbau. Schon in der Erntesaison 2016/17 wurden 600.000 Tonnen mehr als drei Jahre zuvor von der Côte d‘Ivoire (Elfenbeinküste) geliefert. Das entspricht 15 % der Jahresproduktion – weltweit! Entscheidend für den Preis sind wohl mehrere Faktoren: Pflanzenkrankheiten (wie etwa die Kakao-Swollen-Shoot-Krankheit), Ebola, Klimaveränderungen und der steigende Absatz in den riesigen Märkten China und Indien. China erlebt seit Jahren einen Schokoladenboom benötigt – steigt der Verbrauch weiterhin dermassen stark an, so könnte das Land der Mitte schon sehr rasch die USA und auch Europa als Hauptabnehmer für Kakao abgelöst haben. Auch wenn Medien bereits vor Jahren zu Hamsterkäufen aufriefen, kann Entwarnung zumindest für die Produktion gegeben werden. Es ist genug da! Ein Kakaobaum liefert rund 2.500 Kakaobohnen. Im Erntejahr 2020/2021 wurden rund 4,8 Mio Tonnen produziert. Für den Preis kann keine Gewährleistung abgegeben werden – wir erlebten dies ja in den vergangenen Wochen mit der Preisexplosion durch Spekulationen. Eine Tonne Kakaobohnen kostete im Januar 2022 2.179 Euro – Stand 22. April 2022: 2.358,92 Euro.
Unterschiede gibt es jedoch durchaus bei den Anbau-Methoden: Wird Kakao in Brasilien, Trinidad und Ecuador bzw. Indonesien und Malaysia vornehmlich in Monokulturen angebaut, so geschieht dies in Afrika in Mischkulturen, da der Kakaobaum einen schattigen Standort liebt. Dafür werden Bananenstauden oder stickstoffbindende Baumarten bevorzugt. Die ökologisch sinnvollste Anbaumethode jedoch wäre das Agroforst-system, das eine Vielzahl von Schattenpflanzen verwendet, die durch die Strukturvielfalt einen Regenwald zumindest simulieren. Dafür geeignet scheinen neben Bananenstauden auch Kokospalmen, Kautschuk oder Avocado- und Mango-Bäume.
Trotzdem kann auch nur ein Schädling verheerende Auswirkungen auf die Ernte haben – wie etwa die Pilzkrankheit „Frosty Pod“ (Moniliophthora Roreri). Aufgrund der Klimaänderungen tun sich derartige Schädlinge immer leichter, sodass Bauern auf andere, weniger arbeitsaufwendige Pflanzen umsatteln. Entscheidend ist auch die Ernte: So werden die Früchte mit der Machete vom Baum geschnitten. Wird der Baum jedoch dabei eingeritzt oder geschnitten, so tun sich alle möglichen Schädlinge leicht.
Ebola ist der nächste Unsicherheitsfaktor. Kakao wird vornehmlich in Westafrika angebaut und geerntet. Nun sind Staaten wie Liberia, Guinea und Sierra Leone nahezu ausgefallen – und dies über längere Zeit, da ja faktisch nichts neues mehr angebaut wurde. Sollte eine neuaufkeimende Epidemie auch auf die Elfenbeinküste und Ghana heimsuchen, dann ist tatsächlich Schicht im Schacht. Schliesslich geht es in diesem Moment um weitaus mehr als die Hälfte der Kakao-Weltproduktion.
Ausserdem weisen immer wieder die unterschiedlichsten Organisationen darauf hin, dass beispielsweise an der Elfenbeinküste sowohl die Regierung als auch die Rebellen mit Kakaogeldern ihren Krieg gegen-einander finanzieren (Quelle: Global Witness). Zirka 14 Mio Menschen leben weltweit von den Erträgen der Kakao-Ernte und -Produktion. Die bezahlten Gehälter für die Bauern und Landarbeiter gleichen der Arbeitssklaverei. Trotz des Drucks aus den Abnehmerländern, wie etwa den USA, werden Kinder in den meisten dieser 30 Entwicklungsländer nach wie vor ausgebeutet und als Arbeitssklaven verkauft.

Im Jahre 2009 verpflichteten sich die beiden britischen Konzerne Cadbury und Nestlé UK (für den Schoko-Riegel „Kit Kat“) selbst dazu, nurmehr „fairen“ Kakao, also Kakao zu fairen Preisen und ohne Kinderarbeit zu verwenden. Mengenmässig ist dies allerdings nicht mal ein Drittel der weltweiten Ernte (in Deutschland rund 17 %). Wirklich erschütternd, schliesslich sind die beiden führenden Kakao-Produzenten Barry Callebaut aus der Schweiz und Cargrill aus den USA! Somit wird also der schwarz-braune Genuss der Eidgenossen und der Amerikaner auf dem Schicksal von Kindern und Armen aufgebaut. Mit nur 2 Cent mehr pro Tafel Schokolade, könnte diese Kinderarbeit unterbunden werden – doch streifen das lieber die grossen Konzerne als Gewinn ein. Apropos: Ein Kakao-Bauer erhält pro Tafel Schokolade im Endeffekt gerade mal 3 Cent.

Das „süsse Aspirin“, wie jene Schokolade von Schweizer Kardiologen bezeichnet wird, die einen Kakao-Anteil von mindestens 70 % aufweist, kann also in den verschiedensten Situationen sehr positiv auf den Menschen und seinen Körper wirken. Es ist – wie bei allen Mitteln aus der Natur – somit nur eine Frage der Dosierung. Denn: Zu gering bringt er mir rein gar nichts! Es muss ja nicht immer die Schokolade sein, sondern kann durchaus auch aufgelöst in der Milch getrunken werden. Doch – inspizieren und vergleichen Sie vor dem Kauf die Angaben auf der Verpackung!
Zuletzt noch eine Bitte: Kaufen Sie vermehrt Fair Trade Kakao – er unterliegt regelmässigen Kontrollen! Dadurch unterstützen Sie jene Kleinbauern, die das Geld dringend nötig haben – nicht internationale Konzerne, die nicht mal Steuern dafür bezahlen! Der Erzbischof von York brachte es auf einen Nenner, als vor ihm der erste Kit Kat-Riegel mit Fair Trade-Zeichen vom Band lief:

“Keine Schokolade sollte den bitteren Nachgeschmack der Sklaverei besitzen.“

Achten Sie also bitte auf das Label der „Fairtrade Labelling Organization“ (FLO)!

PS: Ganz so uneigennützig ist die Offensive von Nestlé übrigens nicht. Die Bauern haben kein Geld, neue Pflanzen, Maschinen etc. zu kaufen. Deshalb muss so rasch als möglich investiert werden, da die erste Ernte eines Baumes erst nach 5 Jahren erfolgen kann! So sind Mars und Kraft Foods ebenfalls auf den abfahrenden Zug aufgesprungen, sie lassen sich von „Rainforest Alliance“ fairtraden und Mars noch zusätzlich das Siegel „UTZ Certified“ verpassen, die beiden bereits erwähnten Nestlé und Cadbury von FLO. Bei Rainforest Allianz aber ist Vorsicht geboten. Hier werden keine Mindestlöhne und Mindestabnahmen den Bauern garantiert, zudem reichen bereits schon 30 % der Fair Trade Grundstoffe, um der Ware dieses Siegel zu verschaffen. Und – Finger weg von UTZ: Das ist Greenwashing! Eine Untersuchung von Stiftung Warentest (2016) kam zu folgendem Ergebnis für den kleinen Bauern und seinem Wohlergehen: Fairtrade +9 %, Rainforest +10 % und UTZ +4 %! Klingt gut – doch bezieht sich dies auf die zuvor bezahlten Abnahme-Preise! Dies aber überlasse ich nun Ihren Gedanken!

Hier noch einige Fair Trade Lieferanten:

Cooproagro aus der Dominikanischen Republik
Konafcoop aus Kamerun
CECAQ-11 auf São Tomé
El Naranjillo aus Peru
El Ceibo aus Bolivien
Cepicafé aus Peru
Friedensgemeinde San Juan de Apartadó aus Kolumbien
Cocla aus Peru
Uncrisproca aus Nicaragua

Links:

www.kakao-stiftung.de/
www.kakaoplattform.ch
www.kakaoforum.de
www.fairtrade.net/
www.fairtrade-deutschland.de
www.plant-for-the-planet.org
www.gesichter-afrikas.de
www.gepa.de

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Das kann ja heiter werden


„Es ist so wie bei einem Güterzug. Hat der sich erst einmal in Bewegung gesetzt, dürfte es fast unmöglich sein, ihn wieder zu stoppen.“

(Antoni Lewkowicz, Geologe und Exvorsitzender der Internationalen Permafrost-Gesellschaft)

Ende Januar 2021 führte ein Felssturz im eidgenössischen Kanton Wallis zu grossen Sorgen. Die Gemeinde Raron liegt rund eine Stunde östlich von Montreux am Genfersee. 2000 Menschen leben dort. Einige davon mussten nach einem Felsabbruch binnen Minuten ihre Häuser verlassen. Geologen befürchteten einen weiteren Abbruch – zu locker waren die Gesteinsmassen. Und er kam! In den frühen Morgenstunden des Folge-tages. Tonnenweise Schutt, Gestein und Felsbrocken donnerten zu Tal. Raron hatte immenses Glück. Die Gesteinsmassen kamen nur wenige Meter vor dem Wohngebiet zum Stillstand. In einem Steinbruch wurde lediglich eine Baracke verschüttet. Verletzt wurde niemand. Auch das verlegte Bachbett des Bietschbaches konnte noch rechtzeitig vor einer Überschwemmung des Ortes mit schwerem Material ausgebaggert werden. 1500 Kubikmeter mussten am Berg gesprengt werden. Von den 76 evakuierten Personen konnten 30 recht zeitnah wieder in die eigenen vier Wände zurückkehren – der Rest rund eineinhalb Monate später.
Im Jahr 2007 stürzten im Kärpfgebiet im Kanton Glarus rund 20.000 Kubikmeter Fels- und Schuttmaterial zu Tal – auch hier wurde gottlob niemand verletzt. Geologen haben schon vorzeitig davor gewarnt: Im Glarnerland befinden sich rund 16 – 17 Quadratkilometer Permafrost, der nach und nach auftaut! Das wird noch gefährlich werden.
Weniger glimpflich verliefen die Felssturze von Bondo anno 2017. Sie rissen acht Menschen aus dem Leben, die trotz Warnungen das Gebiet an der Nordflanke des Piz Cengalo bewanderten. Rund vier Millionen Kubik-meter Gestein und Schlamm haben sich Mitte August in diesem kleinen beschaulichen Dorf im schweizerischen Kanton Graubünden zu Tal geschoben. Nicht das erste Mal: Bereits 2011 und 2012 gab es in den Bergeller Alpen Felsabbrüche und Muren. 2011 rutschten zirka 1,5 bis 2 Mio Kubikmeter in die hintere Bondasca. An der ETH Zürich wurde ein Erdstoss mit einem Magnitude von 2,7 verzeichnet. 2012 löste ein Gewitter rund 100.000 Kubikmeter Geschiebe aus, das kurz vor dem Ortsgebiet zum Stehen kam. Am 23. August 2017 schliesslich rasten zirka 3 Mio Kubikmeter Gestein mit einer Geschwindigkeit von etwa 250 km/h auf Bondo zu. Das komplette Dorf wurde evakuiert. Am 25. und 31. August kam es zu erneuten Felssturzen und Murengängen, am 15. September schliesslich lösten sich weitere bis zu 500.000 Kubikmeter Gestein.
Die Tragödie von Bondo hat es einmal mehr aufgezeigt: Die Erde lebt und sie reagiert zunehmend extremer auf den Klimawandel. Viele zeigen sich verwundert, dass immer wieder derartige Naturereignisse auftreten, dabei ist das Phänomen jedoch sehr simpel. Lassen Sie es mich anhand dieses Beispieles erklären. Der Piz Cengalo in Bondo beherbergt den grossen Aletsch-Gletscher. Dieser aber geht aufgrund der höheren Temperaturen konstant Jahr für Jahr zurück. Dabei legt er in einer Höhe von etwa 2.500 Meter Fels frei, der bislang durch das Eis des Gletschers stabilisiert wurde. Steigt nun die Temperatur im Stein auf über minus 1,5 Grad, so wird das Ganze instabil. Zudem hat das Wasser Rinnen und Kanäle in das Gestein gebohrt. Durch das weitere Abtauen und das Mehr an Wasser werden immer grössere Felsmassen instabil. Dadurch rutscht die sog. „Moosfluh“ (ein kompletter Hang an der Flanke der Berges) immer weiter ab. Auch im Winter, wenn das Wasser im Stein gefriert, kann es zu richtiggehenden Felssprengungen kommen. Die Folge sind geringsten-falls Steinschlag, schlimmstenfalls aber Abbrüche wie diese Mitte August bzw. September 2017. Und da oben liegt noch mehr! Experten des Bundesamtes für Umwelt sprechen von bis zu 150 Millionen Kubikmetern. Dagegen kann leider nichts unternommen werden, die Menge ist einfach zu gigantisch. In diesem Falle steht der Berg seit längerer Zeit unter ständiger Beobachtung – das Dorf war bereits evakuiert. Ebenso beim Rutsch Ende August. Der Aletsch-Gletscher schmilzt seit dem Jahr 1850 kontinuierlich – in den letzten vierzig Jahren um rund fünf Meter pro Jahr. Dies setzt unheimliche Felsmassen frei, die sogar bis in eine Tiefe von 150 Metern reichen. Die Moosfluh rutschte im Jahr 2015 um zeitweise 80 cm pro Tag in Richtung Tal ab – nach den Ereignissen 2017 waren es 12 cm. Diese Rutschgeschwindigkeit bereitet den Experten grosses Kopf-zerbrechen. Damit Sie in etwa eine Dimension des Ganzen bekommen: Die Rede ist von rund 2 Quadratkilometern – das sind ca. 280 Fussball-plätze! Überall entstehen inzwischen Spalten – die grösste ist rund 300 m lang und bis zu 20 m breit. Dasselbe Bild zeigt sich auch beim Piz Kesch im Engadin (Felssturz anno 2014) oder dem Bliggferner in den Ötztaler Alpen. Auch hier sind rund 4 Mio Kubikmeter Fels betroffen. Stürzen diese in den darunterliegenden Gepatsch-Stausee ist mit einer Katas-trophe zu rechnen! Der aussergewöhnlich heisse Sommer im Jahr 2003 brachte beispielsweise auch eine aussergewöhnlich hohe Felssturz-aktivität mit sich. Messungen haben ergeben, dass der Auftauboden in der Schweiz um bis zu 0,5 m tiefer reichte als in den 20 Jahren zuvor. Übrigens steht auch die Zugspitze unter Beobachtung, haben doch Berechnungen ergeben, dass auf dem höchsten Berg Deutschlands der Permafrost spätestens bis zum Jahr 2080 aufgetaut sein könnte.
Dem Thema des sog. „Permafrosts“ möchte ich mich heute an dieser Stelle widmen, denn es stellt ein riesiges Pulverfass dar, das jederzeit explodieren kann. Den Permafrost nämlich gibt es nicht nur in den Bergen, sondern vornehmlich in den arktischen Gebieten Russlands (50 % des Staatsgebietes), Kanadas (40-50 %), der USA (Alaska zu 80 %) und auf Grönland (99 %). Auch 20 % des Staatsgebietes Chinas besteht aus Permafrost! Insgesamt rund 23 Mio Quadratkilometer. Unter dem Permafrost versteht man normalerweise einen Boden, der das gesamte Jahr über gefroren ist. Das kann nun Sediment oder Gestein wie in den Alpen bzw. Boden und Torf wie in den arktischen und antarktischen Gebieten sein – den Tundren. Damit dies geschieht, muss er zumindest zwei Jahre lang Minusgraden ausgesetzt sein. Rund 90 % der arktischen Permafrostzone sind durchgehend gefroren (kontinuierlicher Permafrost – Jahresdurchschnittstemperatur von -6 bis -8 Grad Celsius). Dann folgen der diskontinuierliche (Jahresschnitt: -3 bis -4 Grad Celsius), der sporadische (Jahresschnitt: -1 bis -2 Grad Celsius) und der isolierte Permafrost. Ab einer Jahresdurchschnittstemperatur vom -1 Grad Celsius und einer Jahresdurchschnittsmenge von 1.000 mm/qm Niederschlag wird’s kritisch. Interessanterweise gibt es auch den submarinen Perma-frost, also tiefgefrorenen Boden unter Wasser – etwa in der Laptewsee (Nordpolarmeer). Diese submarinen Dauerfrostböden haben mit den Kontinentalschelfs in der letzten Eiszeit zu tun. Sie möchte ich aber heute zum grössten Teil mal aussen vor lassen. Während die gefrorene Boden-Decke etwa in Skandinavien nur bis auf rund 20 Meter Tiefe geht, reicht sie in Sibirien schon mal auf bis zu 1.500 m. Verantwortlich dafür ist die nördliche Weichsel-Kaltzeit (120-10.000 Jahre v.Chr.), also die letzte Eiszeit, die ihre Gletscher unterschiedlich platzierte. So war Sibirien etwa komplett vergletschert. In den Alpen sorgte parallel dazu die Würm-Eiszeit (115-10.000 Jahre v.Chr.) für die Gebirgs-Gletscher und so manches Tal.

http://gtnpdatabase.org/activelayers

Taut nun Permafrostboden etwa im Sommer auf, so spricht man dabei vom „active layer“. Die Auftauschicht variiert zwischen 30 bis 200 cm. Darunter bleibt der Boden gefroren. Sollte aufgrund eines Temperatur-anstiegs von 2 Grad auch der Boden wärmer werden, so haben Wissenschaftler ausgerechnet, dass bis zu 44 % des Permafrostbodens dauerhaft auftauen könnten. Eine Tatsache mit schwerwiegenden Folgen. In diesen Böden nämlich fand eine Gefrier-Konservierung jeglichen organischen Materials statt: Holz, Pflanzen, Tiere, etc. 1997 wurde beispielsweise das sog. „Jarkov-Mammut“ ausgezeichnet erhalten in Nordsibirien gefunden. In den oberen Schichten der Permafrost-Böden werden bis zu 1.500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff geschätzt. Das ist fast doppelt so viel wie in der gesamten Atmosphäre. Werden (wie berechnet) bis zum Jahr 2100 rund 100 Milliarden Tonnen freigegeben, so steigt alleine hierdurch die Durchschnittstemperatur um 0,2 Grad.
Aus dem Permafrostboden wird also zusehends eine Moorlandschaft. Mit allen Vorzügen, aber auch Nachteilen. Jeder, der schon mal durch ein Moor gegangen ist, der weiss, dass man sich vor den Gasen in Acht nehmen muss. V.a. das Distickstoffmonoxid (N2O) kann für den Menschen gefährlich werden, wurde es doch in früheren Zeiten als „Lachgas“ in der Narkose eingesetzt. Daneben sind noch Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2) zu erwähnen. Obgleich Methan für den Menschen ungiftig ist, sollte doch sehr sorgsam damit umgegangen werden, da es zu einer höheren Atem- und Herzfrequenz führen kann. Eine zu hohe Konzentration von Kohlendioxid führt zum Erstickungstod. Soweit zur Toxikologie.
Alle drei Gase allerdings sind Treibhausgase – teils sehr klimawirksam bzw. aggressiv:

.) Kohlendioxid (CO2)
Kohlendioxid entsteht in entwässerten Mooren. Allerdings nehmen Moore auch Kohlendioxid auf: Bei normalen Moore sind es rund 1.200 kg pro Hektar und Jahr, bei Reichmooren gar 1.700 kg. In den Permafrostböden dieser Welt sind zirka 1.300 bis 1.600 Gigatonnen CO2 gebunden – in der Luft befinden sich zum Vergleich etwa 3.000 Gigatonnen. Sollten bis zum Jahr 2200 2/3 der Permafrostböden aufgetaut sein, so würden nach Berechnungen von US-Forschern alleine hierdurch 190 Milliarden Tonnen CO2 emittiert.

.) Methan (CH4)
Methan entsteht in ungestörten und wiedervernässten Mooren beim Abbau von Kohlenstoffverbindungen unter Ausschluss von Sauerstoff. Werden also Pflanzen oder Tiere im Moor durch Bakterien abgebaut, wird dadurch Methan freigesetzt. Könnte dies in den Permafrostgebieten auf-gefangen werden, wären wohl die Heizprobleme von Generationen frierender Menschen gelöst. Das Treibhaus-potential von Methan ist rund 25mal grösser als jenes von Kohlendioxid.

.) Lachgas (N2O)
Der Klimakiller schlechthin ist jedoch das Lachgas. Es entsteht vor-nehmlich in entwässerten Reichmooren oder gedüngten Mooren, die ohnedies bereits viel Stickstoff enthalten. Hinzu kommt noch eine hohe Konzentration an Stickstoff im zugeführten Dünger. Das Treibhaus-potential von Lachgas ist rund 300mal grösser als das von CO2.

.) Wasserstoff (H2)

.) Schwefelwasserstoff (H2S)

.) Phosphorwasserstoff (P2H4)

Die Klimawirkung dieser Gase werden durch die „CO2-Äquivalenten“ angegeben. Dabei handelt es sich um die mittlere Erwärmungswirkung über zumeist 100 Jahre. So werden beispielsweise alleine in deutschen Landen nicht weniger als 31 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus Mooren freigesetzt. Eine ungeheure Zahl! Dabei aber ist dies nur 2,8 % der deutschen Gesamtemission klimawirksamer Gase!
Die letzteren drei Gase entstehen unter Druck – sie entweichen entweder explosionsartig oder durch Blasen. Reagieren sie nun mit dem Sauerstoff der Luft, kommt es zu Verbrennungen (Moor-Irrlichter). So könnten auch die riesigen Moorbrände in Sibirien im letzten Jahr erklärt werden. Hunderte Millionen Tonnen CO2 wurden dadurch in die Atmosphäre abgegeben.
All diese Gase werden beim Auftauen der Permafrostböden freigesetzt. Was das für die Atmosphäre bedeutet, muss hier nicht eigens erwähnt werden. In Langzeitbeobachtungen der letzten Jahrzehnte konnte nach-gewiesen werden, dass die Permafrostgrenze v.a. in Nordamerika, aber auch in Eurasien in Richtung Norden wandert. Soll heissen, dass immer mehr des gefrorenen Bodens auftaut.

Selbstverständlich ist es auch in anderer Richtung tragisch: Wurden Häuser, Dörfer oder ganze Städte auf Permafrostböden hochgezogen, so versinken diese beim Auftauen im Morast („Thermokarst“). Hier ging man zuletzt dazu über, Häuser auf Pfählen zu errichten, die bis auf die permanent gefrorene Bodenschicht hinunterreichen. Im russischen Norden etwa stürzen ganze Landstriche in sich zusammen. Zu einer aussergewöhnlichen Kraterlandschaft, da das auftauende Wasser an Volumen verliert, Gase entweichen und der Boden seinem eigenen Gewicht nachgibt. Sollten die gesamten, geschätzten 35.000 Kubik-kilometer auftauen, so würde der Meeresspiegel nach Berechnungen um bis zu 9 cm ansteigen. Durchaus realistisch, haben doch die Ober-flächentemperaturen im Norden Kanadas und Sibiriens in den 90er Jahren um rund 2 Grad zugenommen (nach 3 Grad in den 80ern). So blöde es auch klingen mag: Eine höhere Schneedecke im Winter beschleunigt die Erwärmung der Böden, da der Schnee einer Kälteschutzdecke gleich-kommt. Nach Berechnungen von Klimatologen wird sich die zusammen-hängende Permafrostdecke bis zum Jahr 2100 von derzeit 10,5 auf nurmehr 1 Million Quadratkilometer verkleinert haben.
Nur mit Hilfe der Satelliten ist eine ständige Beobachtung und Ver-messung dieser riesigen Dauerfrostflächen möglich. So wurde beispiels-weise ein Teil des betroffenen Lena-Tales in Russland im Oktober 2014 via Satellit durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vermessen und abgebildet. Beobachtet wird hingegen auch eine Wanderung der Baumgrenze in Richtung Norden. Ein untrübliches Anzeichen dafür, dass die Temperaturen ansteigen. So hilft sich die Natur selbst: Bäume binden während ihres Lebens unheimlich viel Kohlenstoff durch die Aufnahme von CO2 aus der Luft. Wissenschaftler der Forschungsstation Samoilov im Lena-Delta entdeckten unweit der Station eine etwa 70 cm hohe und 20 Jahre alte Lärche. Weitaus nördlicher der Baumgrenze! Sie wurde zum Symbolbild für die Erderwärmung.
Die weitere Gefahr: Methangas-Entweichungen. Hochrechnungen haben ergeben, dass pro Jahr zwischen 14 bis 35 Mio Tonnen Methan nur in Sibirien und Alaska freigesetzt werden. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten es bis zu 200 Mio Tonnen pro Jahr sein. Alleine das könnte die weltweite Durchschnittstemperatur um 0,32 Grad Celsius erwärmen. Erste Schätzungen über die Folgekosten nur des freigesetzten Methans aus Ostsibirien belaufen sich auf weltweit 60 Billionen US-Dollar. Die Zeitung „Siberian Times“ berichtet von inzwischen bis zu 7.000 Methanblasen in Sibirien. Und hier kommt nun auch wieder der submarine Dauerfrost-boden in’s Spiel: Russische Wissenschaftler konnten anhand von 5.100 Messungen zwischen den Jahren 2003 und 2008 nachweisen, dass zirka 80 % des Tiefenwassers und etwa 50 % des Oberflächenwassers des ostsibirischen Schelfs mit Methan übersättigt sind. Damit gelangt mit rund 8 Millionen Tonnen kontinuierlich (ohne plötzliche Ausbrüche) nur hier jährlich mehr Methan in die Luft als in allen anderen Ozeanen zusammen. Die Experten warnen in diesem Zusammenhang vor einer abrupten globalen Erderwärmung! Einer Zeitbombe gleich!
Zurück in heimische Gefilde: Durch eine exzessive Wärmeentnahme beispielsweise aufgrund von Bodenwärmepumpen, verbunden mit einem nicht zugleich stattfindenden Ausgleich durch Umgebungswärme kann übrigens ein künstlicher Permafrostboden angelegt werden. Dies geschieht etwa, wenn zwischen den einzelnen Anlagen oder Bohrungen zu wenig Abstand besteht.
Die Alpenvereine Deutschlands und Österreichs, sowie der Schweizer Alpen Club warnen ganz allgemein bei Touren in’s Hochgebirge. Zwar werden die Wege immer wieder gepflegt (alleine im Zuständigkeitsbereich des DAV befinden sich 30.000 Kilometer Wegstrecke), doch gehört der Steinschlag und Felsabbruch inzwischen zum alpinen Bergerlebnis hinzu. Deshalb sollte keineswegs bei der Ausrüstung und Information vor der Tour gespart werden. Und noch ein Tipp für alle Investoren mit Vorliebe für Kanada, Skandinavien oder Russland: Vergewissern Sie sich immer vor dem Ankauf einer Immobilie, ob diese auf einem Permafrostboden erbaut wurde.

Zuletzt noch die Gretchenfrage:

Kennen Sie Ihren CO2-Fussabdruck??? Wenn ja – arbeiten Sie daran???

Lesetipps:

.) Warnsignal Klima: Das Eis der Erde; J.L. Lozán / H. Grassl / D. Kasang / D. Notz / H. Escher-Vetter (Hrsg.); 2015
.) Natural Gas Hydrate: Coastal Systems and Continental Margins; M.D. Max; Springer 2000
.) Climate Change, Permafrost, and Impacts on Civil Infrastructure; F.E. Nelson / L.W. Brigham 2003
.) A projection of severe near-surface permafrost degradation during the 21st century; D.M. Lawrence / A.G. Slater; Geophys. Res. Lett. 2005
.) Arctic Climate Impact Assessment; ACIA 2005
.) Disappearing Arctic Lakes; L.C. Smith / Y. Sheng / G.M. MacDonald / L.D. Hinzman; 2005


Links:

– ipa.arcticportal.org
– gtnp.arcticportal.org
– www.awi.de
– hgf-eda.de
– nordic–envri-fi-bin.directo.fi
– www.footprint-deutschland.de
– www.planeterde.de
– www.geo.fu-berlin.de
– www.uni-giessen.de
– www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de
– www.expedition-moor.de

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Die Gefahr lauert im Gras

Kleine Biester, die jedoch sehr grossen Schaden anrichten können. Wer schon mal von einer Zecke gestochen wurde, kann ein Lied davon singen. Auch mich hat ein solches Ungetier mal erwischt. Den Stich selbst habe ich nicht gemerkt – allerdings tagelang danach Schmerzen – doch gottlob war sie nicht infiziert, ich immunisiert oder hatte einfach nur Glück!
Zecken sind meist im Unterholz, Gebüsch, Gras oder Laub zu finden – dass sie von den Bäumen fallen, entspricht nicht der Realität. Die Blut-sauger gibt’s in unseren Breiten nahezu das ganze Jahr über – sie sind ab 7 Grad aktiv. Der „Frühsommer“ lässt sich auf die russische Taiga-Zecke zurückführen, die dort vornehmlich zu dieser Jahreszeit ständig neue Menschen kennenlernt.

Zumeist ist es der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), der die Borreliose und die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME – englisch: „tick-borne encephalitis“ TBE) überträgt, eine spezielle Entzündung der Hirnhäute und des Gehirns. Allerdings bereitet die durch Zugvögel aus den Tropen eingeschleppte Art (Invasor) Hyalomma immer mehr Sorgenfalten. Sie kann zudem das Zecken-Fleckfieber oder das Krim-Kongo-Fieber übertragen. Zweiteres führt (je nach Virusstamm) bei 2-50 % zum Tode durch Multiorganversagen. Zudem besteht die Gefahr nicht in einer zufälligen Ansteckung (zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort – dem Gemeinen Holzbock ist der Wirt gleichgültig), sondern in einer Zielsuche: Diese spezielle Zecke erkennt einen geeigneten Wirt durch die Augen auf rund 10 Metern Entfernung und verfolgt ihn – wenn es sein muss auch über einige hundert Meter. Sie ist deutlich grösser als die heimischen Arten und saugt bis zu acht Milliliter Blut.

Obwohl derartige Erkrankungen eher selten sind, sollte dennoch mittels einer Impfung mit ständigen Auffrischungen einer möglichen Erkrankung vorgebeugt werden. Risikogebiete in Deutschland sind Baden-Württem-berg, Bayern, Südhessen, Sachsen und das südöstliche Thüringen. Ober-halb von 1.500 Metern Seehöhe (Klimaerwärmung – bis vor wenigen Jahren waren es noch 1.000 m!) wurden noch keine infizierten Insekten gesichtet. Insgesamt sind 175 Landkreise in Deutschland als Risiko-Gebiete vermerkt – inzwischen vereinzelt auch in Mittelhessen, dem Saar-land, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Branden-burg (Robert Koch-Institut – Epidemiologisches Bulletin 9/2022). Als Risiko-Gebiet gilt ein Kreis dann, wenn über den Zeitraum von fünf Jahren eine Person von 100.000 Einwohnern (Risiko > 1:500.000) an FSME erkrankt ist (Nachweis einer intrathekalen Antikörpersynthese). Diesen Status behält der Kreis über 20 Jahre hinweg – auch wenn es zu keinerlei Neuerkrankungen mehr im Anschluss kam. Österreich gilt als das Quellgebiet der Zecken – hier leben die meisten entlang der Flüsse und Ströme: Donau (Oberösterreich, Niederösterreich und Wien) oder dem Inn (Tirol), aber auch dem Burgenland, der Steiermark und Kärnten. Jährlich mehr Erkrankungsfälle meldet auch der Bezirk Feldkirch in Vorarlberg. Nachdem im Alpenland jedoch die Durchimpfungsrate bei rund 90 % liegt, gibt es hier nurmehr wenige Erkrankungen. Und so ganz nebenbei: Sollte Ihnen gegenüber ein Österreicher den Spruch „Du bist lästiger als an Zeck’!“ äussern, so ist das nicht unbedingt liebevoll gemeint! In der Schweiz sind inzwischen alle Kantone betroffen, die über üppige Laubwälder verfügen – von den 26 Kantonen somit nicht weniger als 24 – nur Genf und das Tessin sind noch ausgenommen!!! Stiche wurden allerdings auch schon in China, Japan und Russland gemeldet. In Risikogebieten übrigens liegt der Anteil an infizierten Zecken bei 0,1 bis fünf Prozent, in Hochendemiegebieten jedoch auch schon mal bei bis zu 20 %.

Eine Übertragung ist zudem über nicht pasteurisierte Kuh-, Ziegen- oder Schafsmilch bzw. -käse möglich (biphasisches Milchfieber). In früheren Zeiten gar wesentlich häufiger als durch einen Zeckenstich. Infiziert sich ein Tier, so verläuft eine Erkrankung vornehmlich „subklinisch“. Dies bedeutet, das Tier wird sehr rasch anhaltend immun. Allerdings werden während dieser sog. „akut virämischen Phase“ bis zur Immunität Viren mit der Milch ausgeschieden. Wird diese nicht-pasteurisiert getrunken oder beispielsweise in Form eines Rohmilchproduktes verzehrt, so infiziert sich die Person mit dem FSME-Virus. In den baltischen Ländern Lettland, Litauen und Estland wird häufiger rohe Ziegen- oder Schafsmilch getrunken – hier sind auch wesentlich mehr Antikörper im Blut der Menschen zu finden.

Zwischen 70 bis 95 % der Infizierten bleiben beschwerdefrei. Die anderen machen zumeist zwei Krankheitsphasen durch: Die erste beginnt ein bis zwei Wochen nach dem Stich und zeigt sich durch Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen sowie Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Danach folgen 1-3 fieberlose Wochen. Schliesslich beginnt die zweite Phase: Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Ausfälle des Nervensystems. Das wird durch die Entzündung der Hirnhaut verursacht. Lähmungen, Koma sowie die Entzündung des Rückenmarks können folgen. Einer von 100 Infizierten stirbt an den Folgen der Entzündung, drei bis 11 Prozent leiden an bleibenden Schäden, wie Konzentrationsstörungen, chronische Kopfschmerzen, Müdigkeit, selten auch Lähmungen. In den nicht so heftig verlaufenden Fällen können Kopfschmerzen und Lähmungen noch Monate nach dem Abklingen der Krankheit bleiben, dann jedoch verschwinden. Bei Kindern heilt die Erkrankung meist schneller und besser aus – bei älteren Menschen kann sie zu dererlei bleibenden Schäden führen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Erkrankungen müssen im deutschsprachigen Raum vom behandelnden Arzt gemeldet werden.

Das FSME-Virus ist ein behülltes Einzelstrang-RNA-Virus aus der Familie der Flaviviridae und der Gattung Flavivirus. Derzeit sind drei Subtypen bekannt! In Mitteleuropa ist es vornehmlich der Western-Subtyp. Die Übertragung erfolgt beim Einstich durch die Speicheldrüse der Zecke.
Eine FSME-Infektion kann übrigens nicht mit Hilfe der Medizin geheilt werden. Sie behandelt lediglich die Beschwerden. Wer sich schon mal infiziert hat, ist in der Regel immun gegen das Virus – im Blut finden sich IgM und IgG-Antikörper, die bei einer neuerlichen Infektion die Arbeit aufnehmen. Allerdings sollte sicherheitshalber alle drei bis fünf Jahre eine Auffrischungsimpfung absolviert werden. Die Ärzte empfehlen eine solche Impfung, sofern Sie in Risikogebieten leben und häufig in der Natur zu tun haben. Oder dort den Urlaub verbringen. Der Impfschutz selbst besteht erst nach drei Impfungen. Danach reicht alle 5 Jahre eine Auffrischungsimpfung – ab dem 50. Lebensjahr sollte diese alle drei Jahre erfolgen. Sollte zu lange ausgesetzt worden sein, so muss die Prozedur nicht wieder von vorne begonnen werden. Auch hier reicht normalerweise eine Auffrischungsimpfung.
Einige Schutzmassnahmen können schon im Vorfeld durch jeden selbst vorgenommen werden:
– helle Bekleidung, damit eine Zecke schneller entdeckt wird
– geschlossenen Schuhe
– lange Hosen
– die Socken am besten über die Hose ziehen
– langärmelige Hemden
– keine Tiere wie etwa Igel berühren (die Zecken lieben sie als Wirt)
– nach jeder Wanderung absuchen des Körpers (v.a. der Kniekehlen, Leisten, Achseln, am Ohr- sowie am Haaransatz)
– Zeckenschutzmittel (Vorsicht: Hält nur für 2 bis 3 Stunden!)
Ich dusche mich nach jeder Wanderung oder Gartenarbeit inkl. dem festen Abreiben mit dem Handtuch!
Sollte eines der Biester tatsächlich gestochen haben, entfernen Sie die Zecke am besten mit einer Zeckenzange oder einer Pinzette möglichst nah an der Haut. Ziehen Sie sie gerade und vorsichtig heraus. Zuletzt noch die Stichstelle desinfizieren und möglicherweise markieren. Wenn das Insekt mit Öl oder Klebstoff übergossen wird, bekommt es Todes-angst und entleert den kompletten Mageninhalt – auch den Virus, sollte dieser noch nicht bis zu diesem Zeitpunkt übertragen worden sein.
Wesentlich häufiger als eine FSME-Erkrankung ist allerdings die Borreliose. In Deutschland erkranken in den Meldegebieten unter 100.000 Einwohner zwischen 20 bis 90 pro Jahr (in einigen wenigen Regionen bis zu 150) an dieser bakteriologischen Krankheit, die von den Borrelien übertragen wird. Hiervor gibt es keine schützende Impfung – im Infektionsfall müssen Antibiotika verabreicht werden. Wer also gegen FSME geimpft ist, kann trotzdem an Borreliose erkranken.

Der FSME-Impfstoff wurde 1976 erstmals durch den österreichischen Pharma-Konzern Immuno auf den Markt gebracht. Als Zielgruppe galten v.a. die Forstarbeiter. Als das Unternehmen Ende der 1990er-Jahre durch den US-amerikanischen Konzern Baxter geschluckt wurde, verschwand das österreichische Präparat nahezu aus dem Apothekenregal, da diese ihr eigenes Serum verkaufen wollten. Erst als viele Menschen sich aufgrund der Nebenwirkungen weigerten, eine Impfung über sich ergehen zu lassen, wurde der Impfstoff verbessert. Aus diesem Grund ist die FSME-Impfung nicht ganz unumstritten, da einige Nebenwirkungen auch weiterhin bestehen. Gespritzt werden inaktive, abgetötete Viren und Aluminiumhydroxid in den Oberarm. Die Grundimmunisierung besteht aus zwei Impfungen (ein bis drei Monate voneinander getrennt) und einer dritten fünf bis neun Monate nach der zweiten. Danach sollte – je nach Risiko bzw. Alter des Patienten – alle drei bis fünf Jahre aufgefrischt werden. In der Schweiz empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit eine solche Auffrischungsimpfung erst nach zehn Jahren. Eine Passiv-Impfung (Impfung mit Antikörpern nach einem Stich) wird nicht mehr durch-geführt. An der Impfstelle kann es vermehrt zu Reaktionen wie etwa Schmerzen, Rötungen und Anschwellungen kommen, leichtes Fieber ist ebenfalls möglich wie Sehstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit und Schüttelfrost. Vergleichbar etwa mit den Reaktionen bei einer Tetanus-Impfung. Kleinkinder können mit Fieberschüben reagieren. Menschen mit allergischer Reaktion auf Hühnereier sollten sich nicht impfen lassen, da die Herstellung des Serums auf embryonierten Hühner-eiern (CEC – chick embryo cells) erfolgt.

In Deutschland wurden im Jahr 2021 390 Neuinfektionen gemeldet (2020 waren es noch 704), in der Schweiz 279 (Stand: Ende Oktober 2021) und in Österreich 128 (hospitalisiert). Nachdem sich die Erkrankung bei nur 5 % der Infizierten zu einer Meningoenzephalitis entwickelt, lehnen Gegner die Impfung ab. Auch bei Kindern heilt die Erkrankung zumeist rasch aus, ohne Schäden zu hinterlassen. In der deutschen Fachliteratur ist nur von einem Kind die Rede, das Folgeschäden wie Lähmungen, epileptische Anfälle oder andere Auffälligkeiten aufzeigte. In den Risiko-Gebieten in Deutschland übernimmt die Krankenversicherung die Impfkosten (auch bei verschiedenen Berufsgruppen wie Forstarbeitern oder bei Reisen in Risikogebieten). Bei Auslandsreisen in Risikogebieten wird auf Ansuchen ein Teil der Impfkosten ersetzt. In der Schweiz werden die Impfkosten (rund 200 Schweizer Franken) nur dann durch die Krankenkasse übernommen, wenn die Impfung durch einen Arzt vorgenommen werden. Bei Impfungen in der Apotheke müssen die Kosten selbst getragen werden. In Österreich muss der Patient für die Impfung aufkommen (26,35 € Impfstoff plus 10,65 e für die Impfung selbst). Die Gesund-heitskasse gewährt einen zeitlich begrenzten Zuschuss von 4 €. Wurde allerdings eine FSME-Erkrankung durchgemacht, so bietet die Immunisierung ein Leben lang Schutz. Ergo: Ein Antikörper-Bluttest vor einer Impfung kann – nicht nur bei FSME – durchaus Aufschluss bringen, was demnächst vom Arzt Ihres Vertrauens verabreicht werden sollte. Und übrigens: Impfungen bei chronisch kranken Menschen zeigten in vielen Fällen auch Besserungen bei diesen Erkrankungen, da das Immunsystem etwas zu tun bekommt.

Lesetipps:

.) Zecken – Was man über FSME und Borreliose wissen muss; Jochen Süss; Irisiana-Hugendubel 2006
.) Epidemiologie und Prophylaxe der Frühsommermeningitis; Roggendorf, M., Girgsdies, O. E.Rosenkranz, G; DIe gelben Hefte 1994
.) Zecken und Zeckenerkrankungen; Ralph Peters; Borreliose und FSME Bund Deutschland e. V. 2006
.) Lyme-Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis; Patrick Oschmann/Peter Kraiczy; UNI-MED 1998

Links:

– www.zecken.de
– www.zecken.at
– www.zecken.ch
– zecken-stich.ch
– www.rki.de
– www.pei.de
– www.apotheker.or.at
– www.gbe-bund.de
– www.bag.admin.ch
– www.blv.admin.ch
– survstat.rki.de/
– infektionsnetz.at
– www.infektionsschutz.de
– dgk.de
– www.sanitaetsdienst-bundeswehr.de
– www.impfen.de
– www.eurosurveillance.org
– www.careplus.eu
– www.infektionsschutz.de
– www.virologie.meduniwien.ac.at/
– www.borreliose-bund.de
– reisemed.at

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Männliche Gewalt – Waffenschein für den Penis?

„Kriege zum Beispiel sind eine Erfindung von sesshaft gewordenen männerdominierten Gesellschaften.“
(Klaus Theweleit, Kulturtheoretiker)

Die Zahlen sind ernüchternd: In der Europäischen Union hat jede dritte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. 55 % der Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form der sexuellen Belästigung erlebt. Die Zahlen für Deutschland und Österreich sind ähnlich: In Deutschland waren es 40 % bzw. jede siebte Frau (ab dem 16. Lebensjahr), in Österreich 20 % bzw. gar jede dritte Frau!
Soweit das Ergebnis der FRA-Studie „Gewalt gegen Frauen: Eine EU-weite Erhebung“ aus dem Jahr 2014 – befragt wurden 42.000 Frauen – von Zypern bis Irland. Die „Agentur der Europäischen Union für Grundrechte“ (FRA) ist eine unabhängige Agentur der EU, die es sich zum Ziel setzt, den Organen Brüssels unabhängige, faktengestützte Information für die Grundrechtsberatung zur Verfügung zu stellen. Die Zahlen untermauern die Vermutung, dass Frauen in unserer patriarchalischen Gesellschaft stets die unterlegenen sind. Als Täter werden dabei vornehmlich Männer in den Fokus genommen. Doch sollte dies nicht derart pauschaliert werden: Es gibt auch Gewalt an Männern durch Männer, jedoch ebenso durch Frauen. Vor allem Zweiteres wird zumeist komplett ausgeblendet, ist jedoch real durchaus existent. So zeigen Dunkelfelduntersuchungen aus Deutschland, dass zumindest in Beziehungen Parität herrscht, obgleich es unsere auf Rollenbildern ausgerichtete Gesellschaft eigentlich ausschliesst.
Im Jahr 2021 wurden in Österreich 31 Frauen ermordet – die meisten von ihren Partnern oder Ex-Partnern. In Deutschland waren es 104 sog. „Femizide“ – zusätzlich wurden 23 Kinder umgebracht (Stand: 08.12.2021). Die Auswertungen der Gespräche der Krisenhotlines vermitteln ein düsteres Bild: Während der Pandemie nahm die Gewalt in den Haushalten eklatant zu. Gewalt – nicht nur physischen, sondern auch psychischen Ursprungs. Dabei steht jedoch unumstritten fest, dass handgreifliche Gewaltausbrüche vornehmlich durch Männer begangen werden. Dies weiss auch der Psychotherapeut und Gewaltexperte Alexander Haydn von der Wiener Männerberatung: 90 % der ausge-sprochenen Betretungsverbote betrifft Männer in Beziehungen oder Ehen, die restlichen zehn Prozent Frauen oder Jugendliche, die gewaltsam gegen ihre Eltern vorgehen. Allerdings, so Haydn, muss stets auch der „Impact“ (die Wirkung) mit einbezogen werden, der sich unmittelbar von der Statur der Betroffenen ableitet. Soll heissen: Schlägt die meist körper-lich unterlegene Frau zu, so hat dies eine komplett andere Wirkung, als der vergleichbare Schlag eines körperlich überlegenen Mannes. Dennoch gibt es dominante Frauen, die in der Beziehung nicht davor zurück-scheuen, während eines Streites auch handgreiflich zu werden. Viele betroffene Männer allerdings scheuen sich davor, dies kundzutun, da sie dann als nicht mehr männlich eingestuft werden.
Zurück somit zum Rollenbild. Jahrtausende alte, gesellschaftliche Konditionierungen prägen die gesellschaftliche Rollenstereotype schon in jungen Jahren. So erfahren die Kleinen zumeist von Verwandten und Bekannten, aber auch durch die Medien, dass die Puppe wohl mehr den Mädchen Spass macht, während die Buben lieber zu den Autos und Soldaten greifen. Mädchen werden erzogen, lieb und hübsch für andere zu sein, Buben hingegen sollen stark sein und keine Gefühle zeigen. Die „gendersensible Pädagogik“ beschäftigt sich mit dieser Überlegung und versucht den Kindern eine freie Entwicklung zu bieten. Schliesslich sollen dadurch die alteingesessenen Stereotype aufgebrochen werden: Mann – ehrgeizig, nach aussen agierend, kämpferisch; Frau – passiv, zurück-haltend, beschützend. Während Mann unter zu viel Druck und Anspannung explodiert, wird Frau depressiv und zeigt gar ein selbstschädigendes Verhalten.
Dies mag sehr vieles erklären, doch ist männliche Gewalt nicht dermaßen einfach gestrickt wie die Geschlechterzuschreibung es möglicherweise darstellen mag. So betont die u.a. auf Gender und psychische Störungen spezialisierte Professorin für Sozialwissenschaftliche Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, PD Dr. rer.soc. Anne Maria Möller-Leimkühler, in ihrem Artikel „Psychosoziale Determinanten männ-licher Aggression und Gewalt“ (Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie, 2010):

„Männliche (physische) Aggression und Gewalt sind multikausale Phänomene, die nur interdisziplinär verstanden werden können.“

Dabei müsse das Zusammenspiel von Risikofaktoren wie Männlichkeits-ideologien, Gewalterfahrungen in der Kindheit, Sozialisationsdefizite, der Konsum von Mediengewalt und soziale Anerkennungsdefizite als Ursache für die Gewaltbereitschaft vor allem männlicher Jugendlicher berück-sichtigt werden. Durch den Gewinn an Macht und Status sollen etwa unerfüllte Bindungsbedürfnisse aber auch bedrohte männliche Identität kompensiert werden. Nur eine von rund 30 Theorien aus Studien über die Ursache der männlichen Gewalt. Die Anti-Gewalt-Trainings (AGT) – vor-nehmlich in der Resozialisierung von Straftätern – setzen in dem Bereich an. Bei dieser Massnahme sollen Betroffene lernen, impulsives Verhalten wieder unter Kontrolle zu bekommen. Doch unterziehen sich die wenigsten freiwillig einer solchen Therapie – die meisten werden durch Gerichte zugewiesen.
Ähnlich auch das Ergebnis der Fachtagung „Geschlecht-Gewalt-Gesell-schaft“ der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt aus dem Jahr 2003:

„So zeigt sich beispielsweise, dass Konflikte und Widersprüche in den Biographien von Gewalttätern einen viel grösseren Einfluss auf die Entstehen von Gewalt haben, als das Geschlecht eines potenziellen Täters.“
(Dr. Thomas Pleil)

Ist bei Gruppenzugehörigkeiten der Betroffenen die Gewalt an sich unab-hängig vom Bildungsgrad, so ist es deren Motivation. Ein Täter mit hohem Bildungsgrad verwendet sie für seinen Machterhalt bzw. -zugewinn, während ein Täter mit geringem Bildungsniveau vornehmlich durch das Erreichen eines höheren Statuses bzw. besserer materieller Zuwendungen motiviert wird. Der emeritierte Professor für Sozialisation am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld, Wilhelm Heitmeyer, spricht in diesem Zusammenhang von „sozialer Desintegration“: Mit dem Grad der Desintegrationserfahrungen und -ängste steigt das Ausmaß und die Intensität der Konfliktbereitschaft, während die Regelungsfähigkeit abnimmt. Derartige Desintegrationserfahrungen betreffen alsdann die körperliche Unversehrtheit, die soziale Sicherheit und Anerkennung in der Gesellschaft.
Eine Sonderstellung nehmen sicherlich die Hooligans ein: Vornehmlich junge Männer treffen sich zumeist (aber nicht ausschliesslich) im Umfeld von Fussballspielen zu Massenschlägereien. In diesen Schlägertrupps finden sich die unterschiedlichsten sozialen Schichten wieder. Der Journalist Bill Buford hatte sich in eine solche Gruppe eingeschlichen. Er beschreibt es als „Lustgewinn“: Das „Kickerlebnis“ sorge für einen gewaltigen Adrenalinausstoss, der schliesslich zu einer Sucht, einem Rausch führe. Die zugrunde liegende Motivation dürfte in diesem Falle jedoch in einer Art von Wettkampf liegen, während die Gewaltbereitschaft vornehmlich bei jungen Männern ansonsten durch ein geringes Selbst-wertgefühl zustande kommt, das unter Umständen durch misslungene Beziehungen oder der Ablösung von der Mutter ganz allgemein auf Frauen zielgerichtet ist.
Angesichts der Ausschreitungen und Plünderungen am 20./21. Juni 2020 in Stuttgart/Mitte, wobei bis zu 500 zumeist männliche Jugendliche eine Spur der Verwüstung hinterliessen, betont die leitenden Psychologin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der RWTH Aachen, Ute Habel:

„Aggression ist letztlich Teil unseres Verhaltensrepertoires, das ist eine Emotion, und Emotionen haben eigentlich eine wichtige Bedeutung für das Überleben.“

So könne eine Aggression jederzeit durch beispielsweise Provokation ausgelöst und in entsprechenden Gruppen verbreitert bzw. verstärkt werden. Dies gilt sowohl bei Männern als auch bei Frauen. In Stuttgart dürften es wohl die Drogenkontrollen durch die Polizei sowie das Fallen der Grenzen durch Alkoholeinfluss bei den Betroffenen gewesen sein.

Durch die nach wie vor geltende Definition von Gewalt sind vermehrt Männer bei der Ausübung von körperlicher Gewalt und Verletzungen zu beobachten. Wird der Gewaltbegriff jedoch um die Kategorien Mobbing, Stalking, verbale und psychische Gewalt erweitert, so fällt das Verhältnis eindeutig zu „Ungunsten“ der weiblichen Täterschaft aus, weiss Prof. Dr. Ulrike Popp vom Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungs-forschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Bei der Darstellung von Gewalt in den Medien würden diese Kategorien jedoch zumeist nicht dargestellt. Dennoch sollte dies nicht täuschen: Jegliche Gewalt ist zerstörerisch! Allerdings zeige sich verstärkt mit dem Gesellschafts-wandel auch ein Wandel der geschlechtstypischen Verhaltens-erwartungen. Kirsten Bruhns vom Deutschen Jugendinstitut spricht in diesem Zusammenhang von einer „Neupositionierung im Geschlechter-verhältnis“, die sich vornehmlich bei jungen Frauen oder Mädchen in gewaltbereiten Jugendgruppen zeige.

Die Genetik hat inzwischen nachweisen können, dass sich negative Kindheitserlebnisse (Gewaltszenen als Schlüsselfaktoren) durchaus auch auf Gene übertragen lassen und schliesslich verantwortlich für ein grösseres Aggressionspotential bzw. Gewaltbereitschaft sein können. Dabei sollte jedoch das Lernen nicht ausgeschlossen werden: Erkennt das Kind an Vorbildern, dass Gewalt zum positiven Erfolg führt, so wird es vermehrt auf diese Strategie zurückgreifen (klassische Konditionierung).

Aggressivität und Gewaltbereitschaft nur auf den Testosteronspiegel zu reduzieren, mag zwar bei vielen Tierarten zutreffend sein – beim Menschen jedoch wäre es zu einfach!
Gewalt ist kein integraler Bestandteil beim Erwerb der männlichen Identität!

Lesetipps:

.) Internationales Handbuch der Gewaltforschung; Wilhelm Heitmeyer; Verlag für Sozialwissenschaften 2002
.) Männliche Gewalt – Ihre Wurzeln und ihre Auswirkungen; Vera van Aaken; Patmos Verlag 2000
.) Männlichkeit und Gewalt. Konzepte für die Jungenarbeit; Hrsg.: Ingo Bieringer/Walter Buchacher/Edgar J. Forster; VS Verlag für Sozialwissenschaften 2000
.) Lieber gewalttätig als unmännlich. Der lange Irrweg auf der Suche nach Männlichkeit; Hrsg.: Männer gegen Männergewalt; Pamphlet 1996
.) Desintegrationsdynamiken – Integrationsmechanismen auf dem Prüf-stand; Wilhelm Heitmeyer/Peter Imbusch; Verlag für Sozialwissen-schaften 2012
.) Geil auf Gewalt: Unter Hooligans; Bill Buford; Carl Hanser 1992
.) Mütter machen Männer: Wie Sohne erwachsen werden; Cheryl Benard/ Edit Schlaffer; Heyne 1994
.) Und bist du nicht willig… Ein neuer Umgang mit alltäglicher Gewalt; Jacques Vontobel; Werd Verlag 1995
.) Die unheimliche Faszination der Gewalt. Denkanstösse zum Umgang mit Aggression und Brutalität unter Kindern; Allan Guggenbühl, Schweizer Spiegel Verlag 1993
.) Interaktionen der Geschlechter; Uta Enders-Dragasser/Claudia Fuchs; Beltz Juventa 1989
.) Mediengewalt und Aggression; Ingrid Müller; Universität Potsdam 2006
.) Kleine Helden in Not – Jungen auf der Suche nach Männlichkeit; Dieter Schnack/Rainer Neutzling; Rowohlt Taschenbuch Verlag 2000
.) Nicht Herrscher, aber kräftig: Die Zukunft des Mannes; Walter Hollstein; Hoffmann und Campe Verlag 1988
.) Die Angst des Mannes vor der starken Frau – Einsichten in Männer-seelen; Wilhelm Johnen; Fischer 1994
.) Das Patriarchat. Ursprung und Zukunft unseres Gesellschaftssystems; Ernest Bornemann; FischerTB 1979

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