Archive for November, 2022

Vanille kann tödlich sein

Weihnachten steht vor der Tür, viele Kekse oder Plätzchen sind bereits gebacken, einige werden noch folgen. Für die meisten gehören die Vanillekipferln zum Fest wie der Weihnachtsbaum. In Österreich beispielsweise rangieren diese noch vor den Linzer-Augen auf Platz 1 des süssen Weihnachtsbäckerei-Rankings. Doch schauen viele in diesem Jahr durch die Finger, da es zwar gottlob wieder genügend der heiss-begehrten Schoten am Markt gibt, die jedoch Unmengen von Geld kosten und damit das Backen dieser Köstlichkeit mit der originalen Vanille nahezu unerschwinglich macht. So kostet eine Schote Bourbon-Vanille aus Madagaskar zwischen 2,50 bis 3,00 €, eine Tahiti-Schote aus Tahiti oder Deutschland zwischen 9-10 €. Vanille ist nach Safran das zweit-teuerste Gewürz. Die richtige Vanille wird inzwischen höher als Silber gehandelt. Wie aber kann das sein? Ein nachwachsendes Gewürz, das wir als Kinder am Liebsten in Kombination mit Eis kannten. 

Die Vanille ist eigentlich eine Orchideen-Gattung mit nicht weniger als 110 Unterarten. Die für das Kochen verwendete wird aus fermentierten Schoten („Kapselfrüchte“) der Gewürzvanille (Vanilia planifolia) gewonnen. Diese Pflanze kommt ursprünglich aus Mittelamerika und hier hauptsächlich aus Mexiko. Die heutigen Hauptanbaugebiete allerdings sind Madagaskar, Reunion und einige andere Inseln im Indischen Ozean. Reunion übrigens hiess früher Île Bourbon – von hier aus startete die Erfolgsreise der Bourbonvanille, die im Regal (wenn noch nicht ausverkauft!) neben der Gewürzvanille steht. Wesentlich weniger verwendet wird die Tahiti-Vanille (Vanilla tahitensis) und die Guadeloupe-Vanille (Vanilla pompona). Alle vier Arten unterscheiden sich im Aroma: Die Bourbonvanille besitzt einen süssen, rumhaltigen Geschmack, die Tahiti-Vanille einen blumigen, die mexikanische einen hölzern-würzigen und die indonesische Vanille einen geräucherten Geschmack. Die Schoten aus Tahiti und Guadeloupe werden bevorzugt für die Herstellung von Duftessenzen wie Parfüms verwendet. 

Schon die alten Azteken wussten den Geschmack der Vanille („tlilxochitl“ = schwarze Blume) zu schätzen – Veracruz am Golf von Mexiko war deren Hauptumschlagplatz, besonders spezialisiert auf den Handel die Tachiwin, andere Ureinwohner Mexikos. Auch für die später eingetroffenen europäischen Seefahrer und Kolonialisten. Die Sage erzählt, dass Häuptling Montezuma II. dem Eroberer Hernán Cortés ein Getränk aus Kakao und dem „Geschenk Gottes“ angeboten haben soll. Der Häuptling selbst soll angeblich bis zu 50 Tassen täglich davon getrunken haben. Die Vanille entwickelte sich in Europa zu einem heiss begehrten Geschmacksverfeinerer. Und der illegale Handel dieser Pflanzen war schon damals sehr gefährlich – in Spanien stand hierauf die Todesstrafe. Erst nachdem Mexiko anno 1810 unabhängig wurde, war der Weg frei – die Niederländer und Franzosen liessen sie in deren Kolonien anbauen. Vorerst erfolglos, da die Bestäuber aus Mexiko fehlten: Der Kolibri bzw. die Melipona-Biene. Also müssen auch heute noch die Pflanzen von Hand bestäubt werden, nach Art des 12-jährigen Plantagensklaven Edmond Albius auf Réunion im Jahr 1841. Anfänglich gefeiert wie ein Held, streute der Chefbotaniker der Inselhauptstadt neidisch das Gerücht, dass der Junge aus Wut über seinen Herren die Blüten zerstören wollte und dabei zufällig bestäubte. Albius wurde erst frei, als Frankreich die Sklaverei abschaffte. Er verstarb völlig verarmt und wurde in einem Massengrab beigesetzt. In der Gemeinde Sainte Suzanne auf Reunion wurde eine Statue mit seinem Antlitz aufgestellt und jährlich das „Fest der Vanille“ an seinem Todestag ausgerichtet.

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/videos/vanille-aus-madagaskar-das-schwarze-gold-100.html

Um Ihnen einen Eindruck der Arbeit zu vermitteln: Ein geübter Vanille-Bauer kann bis zu 1000 Blüten pro Tag bestäuben – das bringt gerade mal 2 kg Schoten. Damit es auch für das normale Volk erschwinglich wurde, entwickelten anno 1874 die deutschen Chemiker Haarmann und Tiemann aus Coniferin einen synthetischen Vanilleersatz: Das Vanillin! Allerdings enthält die natürliche Vanille zusätzlich 50 unterschiedliche Aromastoffe, die in dieser Labor-Vanille nicht produziert werden können. In Österreich wurde beispielsweise der Knoblauch als „Vanille des armen Mannes“ bezeichnet. In alten alpenländischen Rezepten steht deshalb sehr häufig Vanille, gemeint ist jedoch Knoblauch („Vanille-Braten“).

Die heutigen Hauptanbaugebiete sind Madagaskar (rund 60 % des Vanilleaufkommens) und Indonesien, in Uganda boomt der Anbau eben-falls – dort will man am teuren Kuchen teilhaben. Vanille wird in Plantagen angebaut. Die Pflanze selbst wächst als Kletterpflanze bis zu neun Meter an Bäumen nach oben. Deshalb gilt Vanille auch als die Retterin des Regenwaldes, da ein solcher unbedingt vonnöten ist. An ihren Rispen bildet sie einmal im Jahr hellgelbe Blüten, von welchen jeweils nur eine für wenige Stunden am Vormittag blüht. Die Schoten beinhalten die Beeren und erreichen eine Länge von bis zu 30 cm. Sie werden noch gelbgrün, kurz vor der Reife geerntet. Erfolgt die Ernte zu früh, so hat dies enorm negative Auswirkungen auf den Geschmack. Zudem beginnt die Schote zu schimmeln, was ansonsten durch das Vanillin verhindert wird. Dann erfolgt die sog. „Schwarzbräunung“. Beginnend mit dem Blanchieren unter heissem Wasser oder Dampf werden sie anschliessend in Jutetüchern zum Trocknen in die Sonne gelegt oder in luftdichten Behältnissen bis zur Auskristallisierung feiner Glukosenadeln fermentiert. Dadurch schrumpfen die Schoten zu kleinen Vanillestangen, es entsteht der eigentliche Geschmacksstoff, das Vanillin in einer Konzentration von 2-3 %. Schliesslich werden die Stangen gebündelt, in Pergamentpapier eingerollt und in Zinnbehälter gegeben. So gelangen sie nach Europa. Das traditionelle Schwarzbräunen dauert bis zu sechs Monate. In Trocknungsöfen geht es wesentlich rascher, allerdings auf Kosten der Geschmacksunterschiede der Anbaugebiete – sie schmecken danach alle gleich. Aus sechs Kilo grüner Schoten wird ein Kilo echte Vanille. Sie sehen also: Es ist ein sehr aufwendiger Prozess, der durchaus seinen Preis rechtfertigt. 

Weshalb aber nun dieser in ungeahnte Höhen steigt, ist einerseits das Ergebnis von Naturgewalten, andererseits auch der Gewinnsucht der Zwischenhändler. Um 12.30 Uhr Ortszeit erreichte am 7. März 2017 der Zyklon „Enawo“ Madagaskar. Hierzulande mit wenig Interesse verfolgt, war es v.a. für die Vanille-Anbauregion Sava eine Riesenkatastrophe. Der Wirbelsturm fegte mit 205 Stundenkilometern über die Insel, 81 Menschen starben. Zudem wurden rund 30 % der Vanille-Ernte zerstört. Von dem, was zuvor eine lange Dürrezeit überdauert hatte. 1000 Tonnen (ansonsten sind es rund 1.500) blieben übrig. Nun kommt die Gewinnsucht hinzu: Zwischenhändler kaufen grosse Mengen der Schoten auf. Doch anstatt sie auf den Markt zu werfen, werden diese gelagert, der Preis beobachtet und mit Maximalgewinn dann abgestossen. Belief sich der Preis zu Beginn des Jahrtausends noch auf 140 US-Dollar für das Kilo, so sind es 17 Jahre später schon mal bis zu 600 US-Dollar und heute über 600 US-Dollar. Der Preis brach 2020 aufgrund der Corona-Pandemie und der schlechteren Qualität (zu frühe Ernte und Trocknungs-öfen) etwas ein, stieg dann jedoch erneut an. Hauptabnehmer aber auch Hauptmanipulateure des hohen Preises sind Konzerne wie Nestlè, Unilever, Coca Cola und Mondelez. So kritisiert die Regierung Madagaskars beispielsweise die Methoden der Firma Symrise, die angeblich einerseits die Bauern zur Frühernte nötigt, andererseits zum Diebstahl und sogar Mord animieren soll, indem sie gestohlene Ware aufkauft. Siehe hierzu den Bericht des Premierministers Olivier Mahafaly Solonandrasana vom Mai 2017. Nestlé betont immer wieder, sich über die Anbaubedingungen vorort kundig zu machen, mit einem Drei-Punkte-Programm die Bauern beim nachhaltigen Anbau unterstützen zu wollen und nur die beste Vanille aufzukaufen. Der Endverbraucher zahlt allerdings nicht nach Gewicht, sondern nach Schote. Umgerechnet würde ihn alsdann ein Kilogramm zirka 1.330,- € kosten – rund der doppelte Silberpreis!

Diese Preisentwicklung führt zu einem bizarren Anstieg der Kriminalität auf Madagaskar, kann sich doch so manch einer einen kleinen Reichtum damit aufbauen. Die Bauern übernachten sogar auf den Plantagen, damit die Diebe die Schoten nicht direkt von den Bäumen klauen können. Einer der Kleinbauern berichtet, dass er vor allem in der Nacht dabei sein Leben riskiert. Hier setzt auch die Studie des dänischen Instituts für investigativen Journalismus, DanWatch, an. Demnach kämpft jeder Bauer auf der Insel gegen Diebstahl und Nötigung. Kredithaie bieten den Bauern Darlehen an, die sie später zwingen, die Ernte weit unter Wert zu verkaufen. Können sie dennoch nicht zurückzahlen, müssen die Kinder Zwangsarbeit in den Plantagen verrichten. All das wird einem niemals bewusst, wenn in der Küche die Schote mit dem Messer aufgeschnitten und ausgekratzt wird, damit die Aromastoffe des Vanillins im Öl und dem Mark an so manchem Gaumen kitzeln können. Verfeinert werden damit zumeist Kakao und Schokolade, aber auch Süssspeisen wie Puddings und Crèmes. Die englische Königin Elisabeth I. soll ganz wild auf derartige Nachspeisen gewesen sein. Aber auch zu weissem Fleisch, Fisch oder Hummer sagt kein Gourmet nein, zur Vanille. 

Die echte Vanille kann zumeist an den kleinen schwarzen Samen in der Speise erkannt werden – die gelbliche Farbe kommt vornehmlich von den vielen verwendeten Eiern. Doch auch hier zeigt sich die Lebensmittel-industrie als sehr ideenreich: Wird Vanillin aus Holz gewonnen, so kann es rechtlich gesehen durchaus als „natürlich“ bei den Inhaltsstoffen angeführt werden. Die schwarzen Samen werden nur beigegeben, um den Eindruck echter Vanille aufkommen zu lassen – sie haben zumeist kein Aroma mehr. 

In Europa ist es hauptsächlich die Bourbon-Vanille aus Afrika, in den USA und Kanada die mexikanische Vanille, die so manchen Sternekoch begeistert. Coca Cola wollte in den 80er Jahren die teure Vanille durch das synthetische Vanilin ersetzen. Diese Entscheidung trugen aber die Kunden nicht mit, sodass der Versuch abgebrochen werden musste. Heutzutage benötigt das Unternehmen – ähnlich wie Konkurrent Pepsi Cola – rund 40 Tonnen des edlen Gewürzes pro Jahr. Im Vergleich dazu: Die Niederösterreich-Milch (NÖM) braucht neun Tonnen pro Jahr!

Die Vanille aus der Sicht der Heilkunde, Pharmazie und Medizin betrachtet: Sie wirkt potenzsteigernd, entspannend, stoffwechsel-fördernd, galletreibend, muskelstärkend und vieles mehr. Entsprechend auch ihr Einsatzgebiet: Bei Potenzproblemen, Muskelschwäche, Rheuma, Stimmungsschwankungen und Verdauungsstörungen.

Wenn Sie selbst auf Einkaufstour gehen, dann achten Sie darauf, dass die Schote lederartig elastisch ist. In ausgetrockneten Stangen sind nurmehr wenig Aromastoffe enthalten. Schwarze Schafe versuchen zudem synthetische Vanillinkristalle auf die Schote aufzusprühen. Die natür-lichen sind unregelmässig verteilt – sie gelten als untrübliches Zeichen für eine ausgezeichnete Qualität- die aufgesprühten sind hingegen regelmässig. Lassen Sie sich dadurch nicht hinter’s Licht führen. Oftmals findet auch das Vanillepulver zuhause Anwendung. Dies sind die gemahlenen Samenkörner. Allerdings sind hier nur ganz wenige Aromastoffen enthalten. Bei der „gemahlenen Vanille“ hingegen werden auch die Kapselhülsen mitgemahlen, sodass diese Aromen erhalten bleiben. Auch besteht zwischen dem „Vanillezucker“ und dem „Vanillin-zucker“ ein Unterschied: Ersterer wird mit echter Vanille hergestellt, zweiterer hingegen mit synthetisch hergestelltem Vanillin.

Die Industrie bevorzugt den Vanille-Extrakt. Er besteht aus bis zu 35 % Ethanol und ist nicht selten mit Zuckersirup gestreckt. Der hoch-konzentrierte Extrakt ist unbegrenzt haltbar. Nach Schätzungen enthalten rund 18.000 Produkte ein Vanillearoma. Vom Joghurt (mein Favorit!) über Eis bis hin zu Parfüms und Medikamenten. Allerdings ist dies zumeist im Labor entwickelt worden. Nur rund 1 % dieser aromatischen Produkte kommt tatsächlich aus der Schote. 

Experten warnen bereits davor: Der nächste Vanille-Kollaps wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Spätestens wenn der Konsument nicht mehr dazu bereit ist, den Preis für echte Vanille bezahlen zu wollen, wird die Seifenblase platzen. Dann wird der Preis enorm fallen, da zudem die Ware aus den anderen Anbaugebieten (Indien, China) auf dem Markt angekommen ist.

Lesetipps: 

.) Wilhelm Haarmann auf den Spuren der Vanille; Björn Bernhard Kuhse; Verlag Jörg Mitzkat 2012

.) Vanille, Gewürz der Göttin; Annemarie Wildeisen; AT Verlag 2001

.) Vanilla planifolia – Echte Vanille (Orchidaceae). Jahrbuch des Bochumer Botanischen Vereins. Bd. 5; Veit Martin Dörken/Annette Höggemeier 2014

.) Gewürze – Acht kulturhistorische Kostbarkeiten; Elisabeth Vaupel; Deutsches Museum 2002

.) Vanille – Die schwarze Königin; Katja Chmelik; Geschichte 2007

.) Vanilla: Travels in Search of the Luscious Substance; Tim Ecott; . Penguin Books 2004

.) Encyclopédie Biologique. Band XLVI; Hrsg: Gilbert Bouriquet; Paul Lechevalier 1954

Links:

– mondevanille.com

– www.vanille-reunion.fr

– www.vanillacampaign.com

– lafaza.com

– austhachmann.de

– www.kotanyi.com/at/de/

– www.symrise.com/de/

– beyondgood.com

– heilkraeuter.de

– www.gesundheit.gv.at

– www.lebensbaum.com/de

– tropicos.org/home

No Comments »

Licht macht krank

Im Laufe meiner Radio-Karriere habe ich in vielen Live-Studios gearbeitet. Eines davon war besonders schön – jenes der Antenne Tirol! Komplett durchdesigned – ein wirklicher Hingucker. Doch beendete ich damals all meine Sendungen mit rasenden Kopfschmerzen. Nachdem es nicht nur mir so erging, versuchte sich unsere Technik mit der Fehler-suche. Das Resultat (man möchte es nicht glauben) waren die TFT-Monitore, Computer-Flachbildschirme, die sich sehr negativ auf die Augen auswirkten. Mit einer Ausnahme (Platzprobleme) wurden sie damals durch normale Monitore ersetzt. Die Technik war wohl noch nicht so weit, doch sollte auch heute acht gegeben werden, was für wie lange verwendet wird, denn: Licht kann krank machen! Verantwortlich dafür ist vornehmlich das blau-violette Licht. Es wirkt helfend bei Schlafstörungen oder Winterdepression, allerdings schädigt es auch die Augen nachhaltig – eine Tatsache, die schon rund 100 Jahre lang bekannt ist, trotzdem nur wenig Beachtung v.a. bei den Herstellern findet. 

Licht wird in unterschiedlichen Wellenlängen durch den Menschen wahr-genommen. Dabei reicht der sichtbare Bereich von 380 bis zu 780 nm. Darunter ist das für den Menschen unsichtbare ultraviolette Licht (UV) zu finden, darüber das ebenfalls unsichtbare Infrarot-Licht (IR). UV-Licht ist wesentlich energiereicher als blau-violettes Licht, richtet jedoch im vorderen Teil des Auges (Hornhaut, Linse) den meisten Schaden an, wo es absorbiert wird.  

„Sichtbares kurzwelliges Licht hingegen dringt ungehindert bis zur Netz-haut vor und erzeugt dort oxidativen Streß.“

(Alexander Wunsch, Humanmediziner & Lichttherapeut)

Kurzwelliges Licht wird stärker gebrochen – dabei schädigt der Wellen-bereich von 380 bis 440 nm (High Energy Visible HEV) alsdann vornehm-lich die Netzhaut („Blue hazard“) sowie das retinale Pigmentepithel – es kommt zur sog. „Photoretinitis“.

Unser Körper braucht das Licht – das wird vielen v.a. im Winter bewusst, wenn die Sonne nur wenig zum Vorschein kommt. Diese wohltuenden Wellenlängen nehmen wir durch die Augen auf, das Protein Melanopsin ist für die Weiterleitung verantwortlich. Dabei wird das UV-Licht zur Her-stellung von Vitaminen verwenden, das darüber liegende Wellenspektrum ist für die Hormone verantwortlich. Der blaue Teil des Lichtspektrums beeinflusst in entscheidendem Maße die Bildung des Hormons „Mela-tonin“ in der Zirbeldrüse des Zwischenhirns, das uns deutlich macht, wann es Zeit wäre, ein Schläfchen einzulegen (Tag-Nacht- oder circadianer Rhythmus). Deshalb lässt es sich recht leicht erklären, wes-halb blaues Licht bei Schlafstörungen, wie etwa auch der „senilen Bett-flucht“ eingesetzt wird. Verantwortlich dafür zeichnet meist bei älteren Menschen eine Linsentrübung, die weniger blaues Licht zu den Rezep-toren der Netzhaut durchlässt. Das kann den Wach-Schlaf-Rhythmus ganz schön durcheinander bringen. Die Unterdrückung des Melatonins ist zudem für viele hormonbasierenden Erkrankungen verantwortlich, da weniger Schutz gegenüber den freien Radikalen besteht (Dickdarm-, Prostata- oder auch Brustkrebs). Studien haben hierzu ergeben, dass blau angereichertes Licht tagsüber leistungsfähiger, konzentrierter und emotional weniger reizbar macht (Viola et al 2008). So ist beispielsweise im Sonnenlicht zu Mittag mehr Blaulicht als gegen Abend hin enthalten. In der Natur selbst aber ist intensives Blau nur sehr selten – auch das Azur des Himmels oder das Meeresblau des Ozeans sind abgeschwächt.

Bevor Sie nun aber tagsüber mit blauem Licht bestrahlen um wieder besser schlafen zu können, muss ich Sie vorwarnen: Zu viel UV- und blau-violettes Licht führt nicht nur zu sehr schmerzhaften Entzündungen der Binde- und Hornhaut, sondern auch zu nachhaltigen Beschädigungen an der Augenlinse, auch als „Grauer Star“ oder Katarakt bekannt, sowie der Netzhautmitte, der Makula lutea, des „gelben Flecks“, also der Stelle des schärfsten Sehens (Makuladegeneration), da es dort keine entsprechenden Rezeptor-Zapfen für das blaue Licht gibt. In deutschen Landen leiden rund 3,5 Millionen Menschen an einer solcher Makula-degeneration – allerdings aufgrund unterschiedlichster Ursachen.

In der Gegenwart kommen wir ohne einen erhöhten Blauanteil nicht mehr aus. Handy-Displays, LED, Energiesparlampen, Xenon-Scheinwerfer,… Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2012 verwenden in Deutschland rund 84 % täglich einen Computer, ein Smart-phone oder ein Tablet. Beleuchtet werden diese zumeist durch eine Hintergrundbeleuchtung auf Quecksilberbasis, entweder durch Leucht-stoffröhren (cold cathode fluorescent lamps) oder durch Weisslicht-LEDs – beide mit einem erhöhten Blauanteil. Wer sich zu lange diesen unnatürlichen Lichtquellen aussetzt, wird mit zunehmender Zeit auch zunehmend Probleme bekommen: Kopfschmerzen, Konzentrations-probleme, Müdigkeit, Schlafstörungen und Verspannungen aber auch brennende, tränende, stechende, gerötete Augen, Lidflattern, zeitweilige Kurzsichtigkeit, Doppeltsehen, veränderte Farbwahrnehmung. Eine These, die jedoch noch nicht mittels Langzeittestung wissenschaftlich untermauert wurde. Schützen gegen das schädliche Licht geht ganz einfach: Sonnenbrillen mit einem UV-Filter für aussen und Brillen mit einem Blau-Filter oder gelbe Intraokularlinsen für innen! Beide filtern das Licht, sodass nurmehr wenige dieser schädlichen Spektrumsanteile zum Auge gelangen. Die besseren Displays oder Bildschirme passen die Beleuchtungsstärke automatisch an die Lichtverhältnisse der Umgebung an – ansonsten kann dies bei den meisten manuell eingestellt werden.

LED- oder LCD-Screens? Diese Frage ist ganz einfach zu beantworten: LED! Diese Monitore werden durch ein elektrisches Halbleiterelement (Leuchtdioden) zum Leuchten gebracht. QLED- oder v.a. OLED-Fernseher haben derzeit auch die grössten Marktanteile. Im Vergleich dazu sind LCD-Monitore wesentlich komplexer aufgebaut. LC steht für „Liquid Crystal“. Je nach Blickwinkel ändern sich Kontrast und Farbe – aber auch die Leuchtdichte. LCDs leuchten nicht von selbst – hierfür sorgt eine Hintergrundbeleuchtung. Dies übernehmen – wie bereits erwähnt – vor-nehmlich Kaltkathodenröhren oder LEDs. Dabei wird das Licht über eine lichtleitende Folie einheitlich über den Bildschirm (Edge Blacklight) oder über einen Diffuser verteilt (Direct Blacklight). Gleiches gilt übrigens im Grossen und Ganzen auch für die LED-Beleuchtung. Derzeit verfügbar sind mehrere Typen, die sich v.a. durch die Ausrichtung der Flüssig-kristalle zwischen den Glasplatten unterscheiden: 

.) TN (Twisted Nematic – nematische Drehzelle)

Zwei sehr dünne, um 90 Grad zueinander verdrehte Glasplatten sind mit einer transparenten Indium-Zinn-Oxidschicht (Elektrodenschicht) über-zogen. Zwischen den Platten befinden die die Flüssigkristalle in einer weniger als 10 Mikrometer dicken Schicht. Sie sind parallel und in eine vorgegebene Richtung geordnet. Durch die verdrehten Glasplatten. entsteht einen schraubenförmige Struktur im Flüssigkristall (TN). Ein-fallendes Licht wird vor dem Eintritt in die Flüssigkristallschicht linear polarisiert, durch die Verdrillung der Kristalle dreht sich auch die Polarisationsrichtung des Lichts, dadurch kann es den zweiten Polarisator passieren. Im Ruhezustand ist ein solches Display durchsichtig. Legt man eine elektrische Spannung an, so richten sich die Flüssigkristalle parallel zum elektrischen Feld aus. Die Verdrillung wird aufgehoben – das Licht kann den zweiten Polarisator nicht mehr passieren. Dieser TN-Typ ist relativ kostengünstig, schaltet schnell und wird deshalb vornehmlich in Büros oder dem heimischen Wohnzimmer verwendet. Der Nachteil liegt in der geringen Blickwinkel-Stabilität, soll heissen: Je schiefer (spitz-winkliger) auf den Bildschirm geblickt wird, umso mehr lassen Kontrast und Farbe nach. 

.) STN (Super-Twisted Nematic)

In diesen Displays wird der Verdrillwinkel der Moleküle auf 180 bis 270 Grad erhöht. Dadurch wird eine verbesserte Multiplexbarkeit erreicht. Allerdings ist der Aufwand, die Darstellung farbneutral darzustellen, enorm hoch (DSTN-Zellen mit doppelbrechenden Verzögerungsfolien etwa). Das Unternehmen Sharp hat mit CSTN das System weiterentwickelt – Filter in den drei Grundfarben rot, grün und blau sorgen für die Farben.  

.) Triple Super-Twisted Nematic (TSTN)

Auch dies ist eine Weiterentwicklung des TN-Typs. Kurz erklärt: Das Beleuchtungslicht wird polarisiert und durch eine Folie gefiltert. So durchdringt es die beiden Glasscheiben und die dazwischen liegende Flüssigkristallschicht. Danach wird es nochmals durch eine Folie gefiltert und durch den vorderen Polarisator gejagt. Schlussendlich tritt es farbig aus. die beiden Filterfolien gleichen Farbstörungen aus. 

.) In-Plane-Switching (IPS)/Super In-Plane-Switching (SIPS)

Die Elektroden befinden sich hierbei in einer Ebene parallel zur Display-Oberfläche. Wird eine Spannung angelegt, so drehen sich die Moleküle in der Bildschirmebene. Die Schraubenform der TN-Monitore entfällt dadurch. Diese Geräte zeichnen sich durch eine hohe Blickwinkelstabilität und sehr guten Farben aus. Allerdings ist die Herstellung wesentlich kostenintensiver und das Display dunkler als beim vorhergehenden Typ. Dies kann durch eine stärkere Hintergrundbestrahlung ausgeglichen werden, was jedoch den Stromverbrauch ansteigen lässt.

.) Multi Domain Vertical Alignment (MVA)/Pattern Vertical Alignment (PVA)

PVA ist die Weiterentwicklung des MVAs. Beide zeichnen sich durch einen höheren Kontrast und wesentlich grössere Blickwinkel-Unabhängigkeit aus – doch sind sie langsamer als TN-Monitore und deshalb für Bewegtbilder nicht unbedingt geeignet. Zudem sind die Produktions-kosten nicht von schlechten Eltern. 

„Das warme Licht der Glühlampe, das dem Sonnenlicht in vielen Punkten ähnlich ist, kann neuesten Forschungen zufolge die Netz-haut pflegen.“

(Prof. Karl Albert Fischer – Österreichisches Institut für Licht und Farbe)

Vielen Dank Europäische Kommission in Brüssel, die die Herstellung von Glühbirnen schon vor einigen Jahren untersagt hat! Studien haben nämlich ergeben, dass das langwellige Nah-Infrarot-Licht der Glühbirne einerseits die Widerstandskraft, andererseits die Selbstheilungs-möglichkeit der Sinneszellen stärkt. Das Licht der Glühbirne gleicht dem Sonnenlicht im Spektrum am Ehesten. Bei LEDs können dies nur die Tageslichtlampen mit Vollspektrumlicht (zwischen 5.300 und 6.500 Kelvin).  

Mit steigender Beleuchtungintensität verringert sich die Unter-scheidungsmöglichkeit der Farben. Bildschirme oder Displays, die nahe am Fenster positioniert werden, sollten zumindest eine Lichtstärke von 1500 bis 2000 Lux vorweisen. 

Übrigens sorgen die Handy- und Tablet-Displays noch für ein anderes Problem: Der Kurzsichtigkeit! Inzwischen diagnostizieren immer mehr Mediziner die sog. „Schulmyopie“ – Kurzsichtigkeit bereits kurz nach dem Schuleintritt! Taiwan gilt mit neun von zehn Kurzsichtigen als die „Insel der Kurzsichtigen“, gleich danach folgt Südkorea – ähnliche Zahlen kommen aus Japan und China. Wenn es auch die Optiker freut, dass immer mehr Menschen immer früher eine Brille benötigen, so sehen viele Augenärzte dies mit grosser Sorge. Gleiches gilt zudem für die lange konzentrierte Arbeit am Laptop oder Computerbildschirm. Durch die Fokkusierung auf unbewegte Bilder verlieren mit der Zeit jene Muskeln die Beweglichkeit, die für die Linsenbewegung zuständig sind. Sie verkürzen sich. Hier sollte für Ausgleich gesorgt werden, indem beispielsweise fernab der Displays und Bildschirme vermehrt auf bewegte Bilder und in die Ferne geschaut wird, damit die Linsen-Muskeln arbeiten müssen. Eine andere Möglichkeit besteht in Sehübungen oder den Augentrainingsbrillen. Beim abendlichen Fernsehen aufgesetzt, wird der Sehnerv aktiv gehalten! Und übrigens: Halten Sie bis zu 33 cm Abstand zum Display!!!

Lesetipps:

.)  Was ist Licht? Von der klassischen Optik zur Quantenoptik; Herbert Walther/Thomas Walther; Beck Reihe 2010

.) Handbuch Licht und Beleuchtung; Torsten Braun/Markus Felsch/Roland Greule;  Müller Rudolf 2016

.) Beleuchtungstechnik für Praktiker; R. Hans; VDE Verlag 1997

.) Praktische Beleuchtungstechnik; R. Baer; Verlag Technik 1999

.) Optik für Ingenieure; Pedrotti et al.; Springer 2005

.) Bedrohtes Augenlicht – was können wir tun?; Orell Füssli; Books on Demand 2015

.) Spectral quality of light modulates emotional brain responses in humans; Vandewalle et al.; The Rockefeller University New York 2011

Links:

– www.licht.de

– www.augen.at

– www.dog.org

– www.augeninfo.de

– www.sog-sso.ch/startseite.html

– www.leading-medicine-guide.com/de/fachgebiete/augenheilkunde/ allgemeine-augenheilkunde

– bildschirmarbeit.org

– retina.ch

– www.seilnacht.com/nachricht.html

– www.zeiss.de/corporate/home.html

– www.auge-online.de

No Comments »

Jemen – die derzeit grösste humanitäre Katastrophe

Vor einigen Jahren wurde noch von der schlimmsten humanitären Katas-trophe gesprochen, doch kurz danach wurde es wieder still um den Krieg im Jemen. Ja richtig – es begann mit einem Bürgerkrieg, mit der Beteili-gung der Jemen-Allianz und des Irans wurde es zum Krieg. Sechs Monate lang haben zuletzt die Waffen geschwiegen – jetzt wurde der Waffenstill-stand aufgekündigt. 

„Das kann bedeuten, dass die Gewalt wieder das gesamte Land erfassen wird. Dass Millionen Menschen erneut Opfer werden von Luftangriffen, Raketenangriffen und Kämpfen am Boden.“

(Abdulwasea Mohammed, Hilfsorganisation Oxfam)

Geändert hat sich freilich nicht viel, ganz im Gegenteil: Die Lage in diesem Armenhaus der Welt wird immer brutaler und menschenver-achtender. Der Konflikt kam nicht etwa durch das Ende des Waffen-stillstandes in die deutschen Medien, sondern vielmehr aufgrund eines Entgegenkommens der Bundesregierung, die wohl eine grosse Blutspur hinterlassen wird: Deutschland liefert Munition, Ausrüstungsgegenstände und Ersatzteile an Saudi Arabien – möglicherweise als Gegengeschäft für Flüssiggaslieferungen. Doch hierzu etwas später mehr – zuvor einige Infos, wie alles begann.

Zirka 1000 n. Chr. wanderten über Mekka die Haschemiten im Jemen ein. Sie sind Nachkommen des im Islam verehrten Propheten Mohammed. Die al-Huthi-Familie gehört dem zaiditischen Zweig des schiitischen Islam an. Eigentlich keine Haschemiten, wurden und werden sie aufgrund ihres hohen Bildungsniveaus jedoch von der jemenitischen Gesellschaft geschätzt und bekleiden seit Jahrhunderten hohe Ämter wie Richter oder Konfliktvermittler. Bis zum Fall der Monarchie im Jahre 1962 stellte die Familie auch die Imame. Aufgrund von Korruption und Benachteiligung durch die Regierung schlossen sich im Norden des Jemen immer mehr der zaiditischen Stämme zusammen. Die dortigen jemenitischen Stammesführer („Scheichs“) wurden von der Regierung unterstützt und somit ruhig gehalten. Die Huthis hingegen begehrten immer mehr gegen die Korruption, Vetternwirtschaft sowie den „sunnitischen Extremismus“ der Regierung auf und wurden somit zum Sprachrohr der einfachen, armen Bevölkerung. 2004 kam es zu ersten Kampfhandlungen der schiitischen Huthis gegen die sunnitische Regierung, in deren Verlauf Hussein al-Huthi fiel. Im Rahmen des Arabischen Aufstandes 2011 erfolgte die erste politische Wahrnehmung der Huthis – ihre Gegner sahen als deren erklärtes Ziel die Wiedereinrichtung eines zaiditischen Imamats. Diesen jedoch ging es zu Beginn um mehr Autonomie, wirt-schaftliche Ressourcen, die Ausübung ihrer Religion und der Marginali-sierung der Regierung. Die Huthis hatten inzwischen einen florierenden Handel mit Kath aufgebaut, einer Droge, die vom Kathstrauch hergestellt wird. Mit diesem Geld konnten sich die Kämpfer auch militärisch aus-rüsten. Die Regierung des Jemens unter Abed Rabbo Mansur Hadi ging mit Waffengewalt gegen die Rebellen vor. 2015 nahmen die Huthis unter Abdulmalik al-Huthi die Hauptstadt Sanaa ein. Dabei fielen ihnen Waffen, Panzer, Fahrzeuge, Flugzeuge etc. im Wert von rund 500 Mio US-Dollar in die Hände, die kurz zuvor die USA geliefert hatten. Den eingesetzten Übergangsrat und den fünfköpfigen Präsidialrat erkannten die sunni-tischen Stammesführer und die Führer im Süden allerdings nicht an. 

Nach wie vor ungeklärt ist die Herkunft der Waffen und die Unterstützung bei den Kampfhandlungen der Huthis vor der Einnahme Sanaas. Sie selbst hätten wohl keine derart raschen und grossen Gebietserfolge liefern können. Einerseits wird vermutet, dass die Rebellen durch den Iran unterstützt werden – der Einsatz von iranischen Drohnen ist ein stich-haltiger Hinweis hierfür. Andererseits wird vermutet, dass Salih-treue Militärverbände an den Kampfhandlungen beteiligt sind. Ali Abdullah Salih stand über drei Jahrzehnte an der Spitze des Staates. Während des Arabischen Frühlings hatte er das Amt zurückgelegt, zog aber weiterhin im Hintergrund die Fäden. Das resultiert einerseits aus seiner Person als graue Eminenz in seiner ehemaligen Partei, dem Allgemeinen Volks-kongress, und zudem auf der Loyalität des Militärs. Nach Schätzungen von Experten sollen ein bis zwei Drittel der Armee auch 2022 auf Salihs Seite stehen. Andere Schätzungen reden von 70 % der Salih-getreuen Kommandeure von Militäreinheiten. Dieser selbst wurde über Jahre hin-weg finanziell durch Saudi Arabien unterstützt, bis das dortige Königs-haus 2012 an seinem Rücktritt beteiligt war. Mit diesem Geld finanzierte er wohl die bewaffneten Verbände. Dazu zählt ohne Zweifel auch die ehemals durch seinen Sohn Ahmed kommandierte Republikanische Garde, die 2014 einen entscheidenden Sieg gegen die jemenitische 12. Division erzielen konnte, worauf die Hauptstadt Sanaa den Huthis offen stand. Die Anhänger Salihs erhoffen sich dadurch die Wiedererlangung der Regierungsmacht unter Salihs Sohn, was Salih jedoch später zurück-gewiesen hatte. Die USA, aber auch die Vereinten Nationen machen hin-gegen Salih für die katastrophalen Zustände im Land verantwortlich, weshalb über ihn und viele seiner Anhänger im Rahmen der UN-Sicher-heitsratsresolution 2216 vom April 2015 Sanktionen verhängt wurden. Mehr als interessant ist jedoch die Tatsache, dass Salih selbst während seiner Regentschaft mehrere bewaffnete Kämpfe gegen die Huthis führte. Der jemenitische Politologe Samir Shaibany bezeichnete diese Koalition einst als „Allianz im Rahmen einer konfessionellen Mobilisierung“ mit unterschiedlichen Zielsetzungen.

„Saudi-Arabien beteiligt sich am Jemen-Krieg und tritt Menschen-rechte mit Füßen. Rüstungsexportstopp an Saudi-Arabien muss weiter gelten.“

(Bundesaussenministerin Annalena Baerbock im März 2019 auf Twitter)

Durch diese vorhin erwähnte Resolution 2216/2015 des UN-Sicherheits-rates sollte eigentlich die Bevölkerung vor der Aggression der inter-national nicht anerkannten Huthis geschützt werden – wie sich zeigen sollte, ein grosser Irrtum. Saudi Arabien, VAE (bis 2019), Marokko (bis 2019), Katar (bis 2017), Senegal, Bahrein, Kuwait und Ägypten bildeten daraufhin die Jemen-Allianz, intervenierten militärisch und drängten die Huthis zurück. Salih begrüsste nach Abschluss der Operation Decisive Storm die Resolution und forderte die Huthis zum Rückzug aus den eroberten Gebieten auf. Gleichzeitig rief er zur „Rückkehr zum Dialog“ auf. Im Dezember 2017 schliesslich brach er mit den Huthis und schloss sich Saudi Arabien an. Am 04. Dezember desselben Jahres wurde er durch Huthi-Milizen getötet. Die Huthis stiessen inzwischen in Richtung Süden des Landes vor. Die Kämpfe wurden erbittert durch beide Seiten fortgeführt – sie zerstörten nahezu das ganze Land. 

Zwischen den Fronten steht die Zivilbevölkerung, die den Repressalien beider Seiten ausgesetzt ist. Nach UN-Angaben wurden bislang rund 380.000 Menschen getötet – ein Grossteil davon an den indirekten Folgen des Kriegs: Hunger, Krankheiten, … Vier Millionen sind geflüchtet, etwa 20 Mio leiden an Hunger – darunter mindestens 311.000 Kinder an starker Unterernährung! Viele Kinder lassen sich inzwischen von den Milizen als Kindersoldaten rekrutieren um dadurch Zugang zu Nahrung zu bekommen. 

Im April 2022 wurde unter Vermittlung der UNO eine Waffenruhe ausge-rufen, die zweimal verlängert – nun jedoch aufgekündigt wurde. Inzwischen haben sich auch die Vorzeichen geändert. So kämpfen beispielsweise die von den VAE unterstützten südjemenitische Einheiten für die erneute Unabhängigkeit der Region vom Norden, wie es vor der Vereinigung 1990 bestand. Sie machten auch keinen Halt vor den von Saudi-Arabien unterstützten jemenitischen Einheiten – es kam zu Kampfhandlungen zwischen den bisherigen Koalitionspartnern. Zudem will das sunnitisch-wahhabitisch geprägte Saudi-Arabien verhindern, dass sich der Einflussbereich des schiitischen Iran auch auf der arabischen Halbinsel vergrössert. 

Das Vorgehen der Jemen-Allianz und hier vor allem jenes von Saudi Arabien ist jedoch äusserst umstritten. 

„Saudi-Arabien und die Koalitionspartner bombardieren Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen. Das sind alles Kriegs-verbrechen.“

(Wenzel Michalski, Human Rights Watch)

Nicht zuletzt deshalb, aber auch aufgrund der Ermordung des Journalisten Kashoggi, entschied sich die Regierung Merkel, die Waffen-exporte nach Saudi Arabien nahezu einzufrieren. Beliefen sich die Rüstungsexporte Deutschlands an Saudi Arabien 2018 noch auf 416,4 Mio €, so waren es 2019 nurmehr 0,8, 2020 30,8 und 2021 2,5 Mio €. Im Vergleich dazu berichtet das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) von 23 % der gesamten US-Waffen-Exporte, die in Richtung Saudi Arabien verschifft wurden. Jetzt sorgt eine Zusage der Regierung Scholz für einen lauten Aufschrei: Deutschland liefert gemein-sam mit Italien, Spanien und Grossbritannien Munition, Ausrüstungs-gegenstände und Ersatzteile für die Tornados und Eurofighter (36 Mio €) sowie den Airbus A330 (2,8 Mio €).  

„Das sind genau die Waffensysteme mit denen Saudi-Arabien in der Vergangenheit Luftangriffe im Jemen geflogen hat, auch immer wieder systematisch gegen zivile Ziele!“

(Max Mutschler, International Center for Conversion in Bonn)

An die Partnerstaaten der Jemen-Allianz wurde jedoch auch weiterhin geliefert.

Es werden wohl, so betonen Experten, Gegengeschäfte für die LNG-Gas-lieferungen sein. Diese Flüssiggaslieferungen wurden zwischen Bundes-kanzler Scholz und dem saudi-arabischen Königshaus vereinbart, zuvor führte auch Bundeswirtschaftsminister Habeck vorort entsprechende Verhandlungen – auch mit anderen Lieferstaaten. Der Aufschrei ist durchaus berechtigt, da sich Saudi Arabien nicht wirklich um die Menschenrechtscharta der UN schert. Das Land enthielt sich bei dessen Verabschiedung am 10. Dezember 1948. Allerdings ist für das Quasi-Monopol Russlands auf Gaslieferungen nach Deutschland die Grosse Koalition zwischen CDU/CSU und der SPD verantwortlich. In all den vorhergehenden Jahren wurde keinerlei Anstrengung unternommen, auf andere LNG-Lieferanten wie u.a. Kanada oder Argentinien zuzugehen. Donald Trump brachte es durch seine Kritik von Nordstream II auf’s Tapet, allerdings um selbst mehr Fracking-Gas verkaufen zu können. Zudem wurden entsprechende Massnahmen zur Energiewende viel zu zaghaft angegangen. Damit steckt die aktuelle Ampel-Regierung in der Bredouille: Nach wie vor schwebt das Damokles-Schwert des winterlichen Energie-Kollapses über den bundesdeutschen Köpfen. Geht das Gas aus, werden vielerorts auch die Lichter ausgehen. 

Wie die Aufkündigung der Waffenruhe klarstellt, wird die Lage im Jemen nicht so einfach zu lösen sein, da sich die Kriegsparteien und deren Zulieferer weder an Absprachen halten, noch sich gesprächsbereit zeigen. Der von Russland ausgelöste Krieg in der Ukraine zeigt es in aller Grausamkeit auf: Will der Entscheider nicht, so siegt der, der den längeren Atem hat. Bis dahin wird sowohl in der Ukraine als auch im Jemen noch sehr viel Blut fliessen!     

Filmtipps: 

– Der vergessene Krieg im Jemen – Deutsche Welle

– The Great Escape from Yemen (Part1 & 2) – Rajya Sabha TV

– The Fight for Yemen – Frontline/BBC Arabic

– The Rise of the Houthis – BBC Arabic

Lesetipps:

.) Jemen – Der vergessene Krieg; Said AlDailami; C.H.Beck 2019

.) Yemen in Crisis: Autocracy, Neo-Liberalism and the Disintegration of a State; Helen Lackner;Saqi Books 2018

Links:

– www.un.org/securitycouncil/s/res/2216-%282015%29-0

– www.unocha.org

– www.unhcr.org

– www.unicef.org

– civil-protection-humanitarian-aid.ec.europa.eu/index_en

– www.sipri.org 

– www.bicc.de

– www.bpb.de

– www.hrw.org

– www.oxfam.de

– www.sabanew.net

– www.spa.gov.sa

No Comments »

Pfui deibel!!!

„Bis zu 80 Prozent aller ansteckenden Krankheiten werden über die Hände übertragen.“

(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA)

Der Knigge – die Benimm-Bibel der zivilisierten Gesellschaft – hat so manche unnötige Passage enthalten, die sogar einen Angriff auf unsere Gesundheit bedeuten kann. Das Händeschütteln etwa. Hierzulande ist es eine Geste des guten Willens – ein Entgegenkommen. Gleichzeitig zeigt man dem Gegenüber dadurch auch, dass man keine Waffe in der rechten Hand hält. Nach Knigge schlägt der Ranghöhere dem Niedrigeren, die Frau oder der Gastgeber dem Anderen vor, sich die Hände zu reichen. Orthodoxe Juden etwa dürfen keiner Frau die Hand drücken, da in einer der Mitzwe der Tora geschrieben steht, dass Mann keinen Ehebruch begehen darf. Damit er erst gar nicht in Versuchung kommt, dies zu tun, darf er sich keiner Frau annähern (soweit also zur zeitgemässen Aus-legung von Religionen)! Na ja – andere Länder andere Sitten. In Fernost verbeugt man sich als Ausdruck der Wertschätzung – meines Erachtens gerade in Zeiten wie diesen sicherlich die bessere Variante. Die kommunistische Kusszeremonie? Bitte nicht! Könnte übrigens auch mit der Grund sein, dass grosse Teile der sog. „Busserl-Gesellschaft“ in diesen Monaten mit Corona bzw. der Grippe danieder liegen. 

Nein – nicht dass Sie mich missverstehen: Ich habe nichts gegen den Händedruck! Doch haben Studien aufgezeigt, dass es unter Männlein und Weiblein verdammt viele Schmutzfinken gibt, die sich nach dem Toilettengang nicht die Hände waschen. „Hee Monk – wirst schon nicht daran sterben!“, werden nun einige unter Ihnen meinen. Kann allerdings u.U. tatsächlich der Fall sein. Im Schnitt gebe ich täglich zumindest vier-mal die Hand. Statistisch gesehen ist somit ein solches Ferkel wie der Sohn einer guten Ex-Bekannten dabei, der sich grundsätzlich nicht die Hände nach dem Toilettengang gewaschen hat. Dieser arbeitet nun im Einzelhandel, gilt also durchaus als potentieller Keimüberträger. So ist es auch geschehen, dass immer wieder Restaurants zusperren müssen, da Kellner oder Köche sich nicht die Hände waschen und hierdurch etwa Salmonellen weitergeben können. 2003 wurde beispielsweise ein Strand-bad in Klagenfurt/Kärnten wegen hygienischer Missstände geschlossen – es gab nicht weniger als 100 Personen, die sich in diesem Strand-restaurant angesteckt hatten. Die Justiz reagierte mit einer Verurteilung wegen fahrlässiger Gemeingefährdung und fahrlässiger Körperverletzung – somit also beileibe kein Kavaliersdelikt!!! Aus diesem Grunde kommt es immer häufiger vor, dass bei den Waschbecken in Personaltoiletten Kameras angebracht sind, die unhygienische Angestellte herausfiltern sollen. Peinlich nur, wenn der Chef selbst dabei ertappt wird!!!

Eine Umfrage der britischen Organisation „Food and Drink Federation“ (FDF) bestätigt die oben erwähnte Vermutung: 31 % der Männer und 17 % der Frauen schauen sich lieber im Spiegel an, ob noch alles passt, als die Hände zu waschen. Ein gross angelegter Raststationen-Test in Deutsch-land brachte noch weitaus schlimmere Ergebnisse ans Tageslicht: Nur 32 % der Männer und 64 % der Frauen haben sich nach dem Geschäft die Hände gewaschen – bei 200.000 Probanden!!! Die Wissenschafter der London School of Hygiene and Tropical Medicine brachten in einem zweiten Schritt Tafeln mit eindeutigen Botschaften an. Hier kam es nun zu einem erstaunlichen Unterschied. Männer reagierten vermehrt auf deftiges, wie „Seif es ab oder iss es später!“, Frauen hingegen auf sachliche Hinweise. Doch zeigten auch die Schilder nur einen begrenzten Erfolg. Tafeln, die das Schamgefühl ansprachen („Wäscht sich die Person neben Ihnen mit Seife?“), erzielten eine wesentlich bessere Wirkung (American Journal of Public Health). 

UV-Licht zeigt auf, dass der Bakterienbefall nach dem Toilettengang doppelt so hoch ist wie nach dem Händewaschen oder vor dem WC. Dies sind vornehmlich Koli-Bakterien, die zu Brechdurchfall führen können. Das wäre dann die typische sommerliche Magen-Darm-Grippe, die auch durch ungenügend gekühlte Speisen oder Getränke auftreten kann. Der heimtückische Noro-Virus etwa übersteht ohne Probleme die Magen-säure. In der Darmschleimhaut angelangt, nistet er sich dort ein und lässt es sich gut gehen. Anzeichen für eine solche Erkrankung durch Noro-Viren ist plötzliche Übelkeit, Erbrechen und teilweise auch Durchfall. Dadurch trocknet der Körper aus. Wird nicht genügend Flüssigkeit zuge-führt, erfolgt eine Dehydrierung – dies kann tödlich enden. 

Keine Angst – sie sollten nun keine Panik bekommen und stets das Des-infektionsspray mitführen. Richtiges Händewaschen hilft hier schon enorm weiter, da die fäkal-orale Schmierinfektion dadurch weitestgehend ausgeschlossen wird. Vergessen Sie dabei nicht die Fingerkuppen, Fingerzwischenräume und die Daumen – hier befinden sich die meisten Keime. Werden Hände jedoch zu häufig gewaschen, so beeinflusst dies den ph-Wert der Haut (sauer – liegt zumeist zwischen 4-7). Seifen sind jedoch basisch. Deshalb empfiehlt sich hier die Verwendung von ph-neutralen Seifen.

Auch wenn die Hände noch so sauber sind, gilt für alle, die Speisen zubereiten: Achten Sie auf die Frische der Speisen, garen sie diese nach Möglichkeit gut durch, Hygiene am Arbeitsplatz ist selbstverständlich und penibles Händewaschen ist ein „Muss“. 2011 gelangten EHEC-verseuchte Produkte auf den deutschen Markt. Viele Menschen verstarben an Folgeerscheinungen wie dem Nierenversagen, da sie die Warnhinweise nicht oder zu spät wahrgenommen haben. Auslöser dieser Epidemie waren aus Ägypten importierte, kontaminierte Bockshornklee-samen. 

Dies gilt übrigens auch für die Bakterien und Viren in der kalten Jahres-zeit. Durch Husten, Niesen und Schnäuzen herrscht ein reges Treiben im Luftraum. Auch hier kann das richtige Händewaschen Wunder bewirken. Zudem sollten Sie in ein Taschentuch niessen oder mangels dessen in den linken Ärmel Ihres Pullovers husten. Wird die rechte Hand  hierfür herangezogen, so werden auch hier die Atemwegserkrankungen direkt übertragen, da sich der mit einem Handshake Begrüsste sicherlich irgendwann mit der rechten Hand im Gesicht berührt. Verwenden Sie zur biologischen Abwehr Ihre linke Hand, so greifen Sie mit dieser auch dort-hin, wo andere Menschen ebenfalls angreifen: Dem Einkaufswagen oder dem Haltegriff in der Strassenbahn! Über die Schleimhäute der Augen, der Nase oder des Mundes gehen die Erreger über. Dann nimmt das Schicksal seinen Lauf. 

Das richtige Händewaschen sollte den Kindern bereits in der kindlichen Früherziehung beigebracht werden. Nach der Toilette, vor dem Essen, nach dem Angreifen von Treppengeländern oder Haltegriffen, wenn ich nach Hause komme, nach dem Tollen im Garten und dem Spielen mit Tieren, … Dies kann etwa spielerisch erlernt werden („Ich sehe was, was Du nicht siehst!“ oder „Nach dem Klo und vor dem Essen, Händewaschen nicht vergessen!“). Für die erforderliche Dauer bzw. Gründlichkeit kann zweimal „Happy birthday to you“ gesungen werden. Verleiht beim nächsten Kindergeburtstag Textsicherheit und dauert genau 20 Sekunden. Nicht zu vergessen auch das richtige Abtrocknen (am besten mit Einwegtüchern), da eine feuchte und warme Umgebung perfekter Nährboden für Keime darstellt: Feuchte Hände übertragen bis zu 1.000-mal mehr Keime als trockene. Die Gefahr bei Händetrocknern: Sie entfernen weniger Keime mechanisch und verteilen zudem viele in der Luft des Waschraumes.

Sofern Sie bereits den Weihnachtsurlaub in südlicheren Gefilden gebucht haben: Verwenden Sie niemals Eiswürfel und trinken Sie grundsätzlich nur aus geschlossenen Gefässen (wie Flaschen). Sollten dennoch Vergif-tungserscheinungen nach einem Restaurantbesuch auftreten, so müssen sie sofort durch eine ärztliche Untersuchung Sicherheit einholen. Da-neben ist es für etwaige Schadensersatzansprüche wichtig, möglichst viele Zeugen oder Selbst-Betroffene zu suchen. Denn hier gilt die Nach-weispflicht. So hat beispielsweise das Landgericht Leipzig (Aktenzeichen 5 O 1659/10) eine Schadensersatzklage zurückgewiesen, wonach der 15-jährige Sohn der Klägerin während eines Türkei-Aufenthaltes mit Salmonellen infiziert wurde und daran erkrankte. Die Frau jedoch konnte nicht die Schuld des Hotels nachweisen, da keine zehn Prozent der Hotelgäste erkrankt sind.  

Sollte tatsächlich eine Virenerkrankung vorliegen, so muss diese aus-kuriert werden, da sie ansonsten verschleppt wird. Das körpereigene Abwehrsystem befördert durch Husten und Niessen die Atemwegs-Viren hinaus bzw. durch Erbrechen und Durchfall auch die Magen-Darm-Erreger. Hinzukommendes Fieber bringt die Abwehr auf Hochtouren. Begleitende Medikamentierung lässt die Krankheitssymptome bald abklingen. Diese aber sollte von einem Arzt verschrieben werden. Inzwischen gilt es, penibelste Hygiene einzuhalten und keinen körper-lichen Kontakt zu anderen Menschen zu pflegen. Auch das Kuscheln mit ihrer Hauskatze kann diese zum Überträger machen.

Durch die Ärzte-Serien im Fernsehen wissen wir, dass sich Ärzte beim Berühren von Patienten Einweg-Handschuhe überstreifen oder vor Operationen minutenlang die Hände waschen („5 Momente der Hände-hygiene“). Dies geht auf den Assistenzarzt Ignaz Semmelweis zurück. Er begann seine medizinische Karriere 1846 als Assistenzarzt an der 1. Gebärklinik des AKH Wien. Nicht weniger als 15 % der Frauen starben dort nach der Geburt ihres Kindes an Kindbettfieber. An der 2. Gebär-klinik war diese Sterblichkeitsrate wesentlich geringer. Semmelweis untersuchte dies und kam zu folgendem Ergebnis: In seiner Klinikab-teilung führten Ärzte die Geburten durch, in der 2. hingegen Hebammen. Die Hebammen hatten sich jeweils vor der Geburt die Hände gewaschen, die Ärzte nicht. Sie kamen teilweise direkt vom Sezieren in den Kreissaal. Dort infizierten sie die Frauen mit Leichengift. Doch kam die Erkenntnis bei Semmelweis erst nach dem Tod eines Freundes, dem Pathologen und Gerichtsmediziner Jakob Kolletschka, der beim Sezieren durch einen Student an der Hand verletzt wurde und an Blutvergiftung starb. Er zeigte dieselben Symptome wie die verstorbenen Mütter. Es folgten Tier-versuche mit Kaninchen und schliesslich die Desinfizierung der Hände und Geräte mit Chlorkalk. So konnte die Sterblichkeitsrate auf 1,3 % minimiert werden. Semmelweis wurde von vielen seiner Kollegen ange-feindet, vor allem aufgrund der Tatsache, dass sie nicht für den Tod der Frauen verantwortlich sein wollten. Am meisten übrigens durch den bekannten Pathologen Rudolf Virchow. Der Hygiene-Vorreiter wurde dadurch gebrochen, er ging nach Ungarn, wo er an der Universität Pest als Hebammenausbildner und Professor für theoretische und praktische Geburtshilfe lehrte. Unter nach wie vor nicht geklärten Umständen verstarb er an einer Krankheit in der Landesirrenanstalt Wien-Döbling. Erst nach seinem Tod führte 1867 der Chirurg Joseph Lister die Desin-fektion mit Karbol vor den Operationen ein.   

Ein Grossteil der Erreger wird über unsere Hände übertragen. Auf den Handflächen eines Menschen tummeln sich über 200 unterschiedliche Keimarten (Viren, Bakterien, Pilze aber auch Würmer oder Parasiten). Durch das richtige Händewaschen können bis zu 99 % dieser Erreger einfach weggespült oder zerstört werden, da Seifen unter anderem Ten-side beinhalten, die die Schützhülle des Virus zerstören. Durch die Ver-wendung antibakterieller Seifen allerdings können Sie Erreger resistent machen oder Allergien auslösen. Diese enthalten beispielsweise den Bakterienhemmer Triclosan, der vom Bundesinstitut für Risikobewertung als gefährlich eingestuft wird. 

„Lassen Sie besser die Finger davon!“ 

(Dr. Thomas Holzmann vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg)

Auch Desinfektionsmittel sollten Sie – im Gegensatz zu medizinischem Personal – nur dann zuhause verwenden, wenn ein Erkrankungsfall in Ihrer Familie festgestellt wurde. Zudem werden durch diese normal erhältlichen Mittel nicht alle Erreger abgetötet (Bakteriensporen etwa)! Und schliesslich enthalten die Profi-Desinfektionsmittel rückfettende Substanzen, die durch die Einreibemethode gemeinsam mit den Haut-fetten aus der Hornschicht wieder in die Haut gerieben werden. 

In manchen Religionen gehört das „Lavabo“, das rituelle Händewaschen des Priesters, zur Messe dazu. Wir müssen es ja nicht übertreiben, doch dient Körperhygiene dem eigenen und dem Schutz der Gesellschaft – vor allem in Zeiten von Corona und der Grippe. So könnten jährlich rund 1 Mio Menschen gerettet werden, die an Durchfallerkrankungen oder deren Folgewirkungen sterben bzw. die Atemwegserkrankungen (als eine der Hauptursache für die hohe Kindersterblichkeit in den Entwicklungs-ländern) stark eingedämmt werden. Dies zeigt alsdann eine Studie aus Ländern der Dritten Welt auf: Nach der Einschulung zum richtigen Händewaschen mit Wasser und Seife konnten bei Kindern unter fünf Jahren Lungenentzündungen um 50 und Durchfallerkrankungen bei Kindern unter 15 Jahren gar um 53 % reduziert werden. Doch auch in Kanada, den USA und Australien wurden durch das richtige Hände-waschen in Kinderbetreuungsstätten grosse Erfolge erzielt: So gingen grippale Infekte und Atemwegserkrankungen um 32 % zurück. Selbstver-ständlich auch bei Erwachsenen: Im Rahmen einer Untersuchung der US-Navy mussten Soldaten fünfmal täglich gründlich die Hände waschen. Die Zahl der Atemwegserkrankungen ging um satte 45 % zurück. Das sollte uns die kurze Zeit am Waschbecken und die vergleichbar günstige Seife durchaus wert sein, denn: Spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie wissen wir, dass richtiges Händewaschen Leben retten kann. Dabei ist es nicht relevant, ob das Wasser warm oder kalt ist (bezugnehmend auf die derzeitige Energie-Diskussion) – entscheidend ist die Dauer und somit die Gründlichkeit des Reinigens. Nur heisses Wasser kann noch mehr bewirken – das aber verbrüht die Hände und schädigt den natürlichen Säure-Fettmantel der Haut. Wenn keine Seife vorhanden ist: Durch Wasser lassen sich viele Magen-Darm-Bazillen wegspülen, wirklich sauber jedoch werden die Hände dadurch nicht. In einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) verwendeten 87 % die Seife, allerdings nutzten nur 36 % die empfohlenen 20 Sekunden. Dabei sollte jedoch auch nicht vergessen werden, dass zu häufiges Händewaschen die Haut austrocknet, wobei Keime wesentlich besser durch die schützende Schicht in den Körper eindringen können. 

Zuletzt noch drei Tipps: Reinigen Sie öfters das Lenkrad Ihres Fahr-†zeuges, das Display des Handies oder die PC-Tastatur mit einem Mikro-fasertuch und/oder einem entsprechenden Desinfektionsspray – beides sind richtiggehende Keimschleudern!

Übrigens: Der 5. Mai ist Welthändehygienetag, der 15. Oktober Welt-händewaschtag!

Anreize für Kinder:

– „Happy birthday to you“ zweimal singen 

– „Hände waschen, Hände waschen muss ein jedes Kind“ – fünfmal singen

– Schaumwettbewerb mit Stoppuhr – wer macht mehr Schaum innerhalb von 20 bzw. 30 Sekunden

– Malseife macht die Hände während des Waschens farbig

– Schwabbelige Wabbelseife verwenden

– Glitzerseife 

– Knisterbad dazugeben

Links:

– www.infektionsschutz.de

– www.gesundheit.gv.at

– www.bmgf.gv.at

– www.unicef.de

– www.meduniwien.ac.at

– www.who.int

– www.rki.de

– www.ages.at

– www.arbeitsinspektion.gv.at

– www.oeghmp.at

Lesetipps:

.) Hände-Hygiene im Gesundheitswesen; Günter Kampf; Springer 2013

.) Wie wirksam ist händewaschen gegen Influenzaviren?; Maren Eggers / Elena Terletskaia-Ladwig / Martin Enders; Hygiene & Medizin 2009

.) Haben wir seine Botschaft verstanden? Ein Abriss zur Geschichte der Händehygiene anlässlich des 200. Geburtstages von Ignaz Philipp Semmelweis; N.O. Hübner / I. Schwebke; Epid Bull 2018

.) Infektionsschutz durch Hygiene. Einstellungen, Wissen und Verhalten der Allgemeinbevölkerung; A. Rückle / L. Seefeld / U. Müller et al., BZgA-Forschungsbericht 2018

.) Kurzlehrbuch Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie; Uwe Groß; Georg Thieme Verlag 2013

.) An internet-delivered handwashing intervention to modify influenza-like illness and respiratory infection transmission (PRIMIT): a primary care randomised trial; P. Little / B. Stuart / FD. Hobbs / M. Moore / J. Barnett / D. Popoola et al.; Lancet 2015

.) Handwashing and respiratory illness among young adults in military training; MA. Ryan / RS. Christian / J. Wohlrabe; Am J Prev Med 2001

No Comments »

WP Login