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Palmöl – die Umweltsünde

Ganz ehrlich?

Ich bin ein Fan der Beimengung sog. „Agrokraftstoffe“ zu den anderen, zumeist fossilen Brennstoffen – unter gewissen Voraussetzungen. Einer-seits tut man der Umwelt damit etwas Gutes, andererseits verringert dies die Abhängigkeit von den erdöl-produzierenden Ländern! Doch, als ich über diese Meldung gestolpert bin, hat es mir die Sprache verschlagen: Rund die Hälfte der jährlichen Palmöl-Importe werden zur Herstellung von Bio-Diesel oder E10 verwendet! Alter Schwede – da wird eine durch-aus hehre Absicht urplötzlich konterkariert: Der Biodiesel wird klima-feindlich – bis 2023 gar noch staatlich gefördert! Dazu mehr, etwas später!

Palmöl wird aus dem Fruchtfleisch der Ölpalmen-Früchte, das Palmkernöl aus den Kernen hergestellt. Zirka 30 % des Gesamtölaufkommens weltweit ist Palmöl – ein Drittel des Gesamverbrauchs an pflanzlichen Ölen. Das aus vornehmlich zwei Gründen: Es ist vielseitig einsetzbar und ist vor allem günstig. Daneben gibt es allerdings auch andere Vorteile: Hitzebeständig, geschmacksneutral, lange haltbar, hoher Anteil an Beta-Carotin und weiteren Carotinoiden, Vitamin E und Antioxidantien, gut mischbar mit anderen Flüssigölen und nicht zuletzt liefert die Ölpalme einen hohen Ertrag (jedes Fruchtbündel der bis zu 20 Meter hohen Ölpalme liefert über 1000 Früchte)! Über 70 Mio Tonnen werden jedes Jahr produziert, angebaut auf einer Fläche halb so gross wie Deutschland – 20-27 Mio Hektar. Die Produzenten sind Indonesien mit einer Anbau-fläche von 17 Mio Hektar, gefolgt von Malaysia, Thailand und Kolumbien sowie Nigeria. Doch eigentlich wächst die Ölpalme in allen Tropen-regionen dieser Erde. Klingt ja gar nicht so schlecht – oder?

Doch wie alles hat auch das Palmöl eine schlechte Seite! Durch die günstige Produktion ist die Nachfrage nach Palmöl gigantisch. Das auf Kosten tropischer Urwälder, die zuhauf abgeholzt werden um Platz für Ölpalmen-Plantagen zu schaffen. Damit wird ein grosser Teil der grünen Lunge unseres Planeten, aber auch der letzte Rückzugsort vieler Tiere und Pflanzen vernichtet: Die stark geschützten Orang Utans etwa. Jedes Jahr sterben zwischen 1-5.000 Tiere. Auch indigene Ureinwohner werden vertrieben. Auf den Plantagen dann Unmengen von Pestiziden (wie beispielsweise Glyphosat) und Mineraldünger eingesetzt. Ähnlich wie in Brasilien (Amazonas-Regenwald) schafft dies der Boden nicht lange. Ist er ausgelaugt, wird das saure Land als Brachland zurückgelassen. Bei Schlagwetter oder in der Regenzeit kommt es zu schweren Über-schwemmungen und riesigen Murenabgängen. Und zuguterletzt werden die Arbeiter und Kinder, die dort beschäftigt sind, miserabelst entlohnt.

Nun, werden vielleicht einige von Ihnen meinen: Was geht mich das an – ich verwende kein Palmöl! Trotzdem kommen Sie um dieses Öl nicht herum. So ist es nicht nur in vielen Lebensmitteln, sondern auch in Reinigungsmitteln, Kerzen, Kosmetika, Farben, Lacken und Agrartreib-stoffen enthalten – nahezu in jedem zweiten Supermarkt-Produkt. Dabei zeigt der Einsatz in etwa der Margarine, Nussnougat-Cremes oder Schokoaufstrichen bzw. Keksen auf, dass das Palmöl gar nicht so gesund ist, wie manche meinen. So wird der Genuss von zu vielen gesättigten Fettsäuren mit einem Anstieg des LDL-Cholesterins belohnt. Dieses „schlechte Cholesterin“ bringt Ablagerungen in den Blutgefässen und somit zu Gefässverengungen, die schliesslich zu Schlaganfällen oder Herzinfarkten führen. Auch Diabetes muss bei hohem Konsum von gesättigten Fettsäuren in Kauf genommen werden. Deshalb sollte besser auf regional angebaute und produzierte Ölsorten zurückgegriffen werden – etwa Sonnenblumen, Mais, Raps, Disteln oder Leinsamen bzw. das weitaus gesündere Olivenöl aus Italien. Sie alle haben eines gemeinsam: Einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren! Tja – und schliesslich entstehen bei der Raffinierung von Palmöl Schadstoffe, die möglicher-weise krebserregend sein können (etwa 3-MCPD-Fettsäureester und Glycidol). Nach Angabe der Europäischen Behörde für Lebensmittel-sicherheit (EFSA) sollte von diesem 3-MCPD und seinen Fettsäureester nicht mehr als 0,8 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag aufgenommen werden.

Bis Dezember 2014 konnte man davon ausgehen, wenn im Zutaten-verzeichnis „Pflanzenöl“ oder „Pflanzenfett“ geschrieben stand, so war zumeist Palmöl enthalten. Vor 11 Jahren allerdings trat die EU-Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) (EU) Nr. 1169/2011 in Kraft. Seither müssen alle Inhaltsstoffe und deren pflanzliche Herkunft genannt werden. Nach wie vor halten sich viele Hersteller nicht daran.

Dabei kann Palmöl auch nachhaltig produziert werden. Nicht allen Zertifizierungen kann allerdings Glauben geschenkt werden. Ist auf der Verpackung „POIG“ zu lesen, so steht dies für eine Zertifizierung der Lieferanten durch die Palm Oil Innovation Group (POIG). Sehr viele Lebensmittelhhersteller (wie auch etwa Danone) arbeiten mit derart zertifizierten Zulieferunternehmen zusammen. Es gibt auch das Label „RSPO“ („Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl“), das u.a. im Jahre 2004 auch durch den WWF mitinitiiert wurde. Hier gab und gibt es jedoch keinerlei Kontrollinstanz. Bei beiden Labels sind Mindeststandards enthalten – etwa keine Abholzung von Primärwäldern bzw. ein Mindestlohn für die Arbeiter. Allerdings kommen nur rund 0,1 % aus biologischem Anbau.

Nun zu dem am Beginn des heutigen Blogs angesprochenen Widerspruch – dem Agrartreibstoff Palmöl! Eigentlich selbsterklärend: Um das umwelt-schädliche fossile Erdöl zu verringern, werden Treibstoffen Agrartreib-stoffe beigemengt (Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU aus 2009). Eigentlich auch als Hilfe für jene Ackerbauern gesehen, die etwa Raps oder Mais anbauen, so besitzt der Raps etwa einen 36%-Anteil an den Agrartreibstoffen. Hier jedoch kam es zur Perversion, dass Pflanzen, die wichtig für die Ernährung der Bevölkerung gewesen wären, raffiniert und dem Diesel beigemischt wurden. Das gab unter’m Strich mehr Ertrag. Zudem geht wertvolles Ackerland verloren, das besser für Nahrungsmittel genutzt werden könnte – etwa für den Anbau von Weizen, Roggen, Mais etc. Also griff man auf das Palmöl zurück. Fast 60 % der Importe (Stand: 2020) wurden als Treibstoff verbrannt – ein 30 %-Anteil an den Agrar-treibstoffen. Hierbei ist der CO2-Fussabdruck enorm – schliesslich werden wertvolle Urwälder teilweise gar brandgerodet (gespeicherte Klimagase werden freigesetzt) und an deren Stelle bodenschädigende Monokulturen hochgezüchtet. Hinzu kommt der weite Transport. EU-weit wird die Förderung von Palmöl als Agrartreibstoff bis 2030 gestoppt, in Deutschland bereits seit 2023 und darf somit nicht mehr als Biotreibstoff genutzt werden (eigentlich erst für 2026 geplant). Die Deutsche Umwelthilfe forderte deshalb diesen Ausstieg schon 2022 – in diesen vier Jahren wäre es zu einem vermeidbaren Ausstoss von 5,8 Mio Tonnen an Treibhausgasen gekommen.

Es besteht die Sorge, dass klimaschädliches Palmöl einfach unter einem anderen Namen nach Europa gelangt.“

(Cian Delaney, Transport & Environment in „ZDF Frontal“)

So sind etwa Palmölreste aus dem Abwasser von Palmölmühlen („Palmoil Mill Effluent“ POME) für den Einsatz im Biodiesel erlaubt. In diesem Zusammenhang fallen in der Sendung Frontal auch Namen von grossen Konzernen wie Shell, OMV und Rosneft Deutschland! So betont Delaney, dass die EU 2024 mehr als doppelt so viel POME importiert habe, als eigentlich weltweit anfällt. Auch Indonesiens Handelsminister Budi Santoso warnt: 2024 habe sein Land zumindest auf dem Papier 3 Mio Tonnen POME ausgeführt, obgleich nur 300.000 Tonnen angefallen sind! Die Europäische Staatsanwaltschaft EPPO hat bereits Ermittlungen in einigen EU-Staaten aufgenommen, darunter auch Deutschland und Österreich.

Zur Klimabilanz des Biodiesels: Pro Tonne Diesel besitzt Biodiesel eine CO2-Einsparung von 2,3 Tonnen, rechnet man die Flächenumwidmung beim Palmöl nicht mit ein. Wurde nun die Plantage nachhaltig, also auf Gras- oder Brachland errichtet, so wird bei der Einrechnung die Klimabilanz schon nach wenigen Jahren positiv. Wurde Regenwald dafür gerodet, dauert es bis zu 75 Jahre, bei Brandrodung gar bis 90 Jahre bis die Klimabilanz positiv wird. Und zuguterletzt: Wurden Regenwälder auf Torfböden für die Plantagen gerodet – 690 Jahre! Bei der Trockenlegung solcher Torfböden entweicht nämlich wesentlich mehr CO2 pro Hektar und Jahr (66 to), als bei der Verwendung von Biodiesel im Vergleich zu Diesel, der nur aus Erdöl gewonnen wurde (Einsparung 7,4 to).

Was nun kann oder sollte Otto Normalverbraucher tun, um gegen all die negativen Folgen des Ölpalmen-Anbaus vorzugehen? Ist gar nicht so leicht, hierzu eine Antwort zu finden. Ein Boykott von Palmöl würde wohl dazu führen, dass sich die Grossfarmer eine Alternative zur Ölpalme suchen (etwa Soja – ebenfalls einer der grössten Verursacher globaler Entwaldung), die noch weitaus problematischer wäre. Besser wäre da schon nachhaltig angebautes und produziertes Palmfett oder -öl zu nutzen. Andere Umweltorganisationen, wie etwa die Orangutan Foundation International (OFI), beharren andererseits auf ihrem Standpunkt, dass nur ein völliger Boykott die Orang Utans und andere Wildtiere/-pflanzen retten kann.

TV-Tipp:

  • ZDF planet e.: Palmöl – Vom Urwald in die Schokocreme; Kurt Langbein
  • WDR-Reihe Die Story: Wir tanken Regenwald – Die Lüge vom Öko-Diesel; Florian Schneider/Ines Rainer

Lesetipps:

.) Auf der Ölspur: Berechnungen zu einer palmölfreieren Welt; Steffen Noleppa/Matti Cartsburg; WWF Deutschland 2016

.) Der Palmöl-Kompass. Hintergründe, Fakten und Tipps für den Alltag; Frauke Fischer/Frank Nierula; Oekom 2019

.) Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle; Sabine Krist, Gerhard Buchbauer, Carina Klausberger; Springer Verlag 2008

.) Palm Oil. The Grease of Empire; Max Haiven; Vagabonds 2022

.) Palm Oil: Production, Processing, Characterization and Uses; Oi-Ming Lai, Chin-Ping Tan, Casimir C. Akoh; AOCS Press 2012

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