Käffchen???

Ich muss eingestehen: Ich war ein Kaffee-Junkie! Ohne drei grosse Tassen am Morgen wurde ich nie richtig wach. Unter der Woche habe ich es mir inzwischen abgewöhnt, da ich einen recht langen Anfahrtsweg zur Arbeit habe, meist aber nach der ersten Tasse recht flott auf die Toilette muss. Kaffee entwässert! Übrigens ist es kein Ammenmärchen: Auch die Dick-darm-Tätigkeit wird durch Kaffee angeregt. Alsdann muss so mancher nicht nur Flüssigkeit nach dem Genuss der feinsten Bohne los werden.

Das ist mal das Eine, das leichter zu Verstehende! Das Andere? Als ich davon hörte, dass viele Promis (wie etwa Gwyneth Paltrow) seit geraumer Zeit Kaffee nicht nur auf die gewohnte Art in den Körper fliessen lassen, sondern auf Kaffee-Einläufe schwören, musste ich zuerst herzhaft lachen. Bei der Recherche zu diesem Blog wurde mir aber vieles verständlicher!

So manch ein Leser dieser Zeilen hat schon mal eine Rektoskopie (Darm-spiegelung) über sich ergehen lassen müssen. Für einige wenige sicher-lich ein Heidenspass – für die meisten jedoch mehr als unangenehm. Eine solche Rektoskopie wird dann durchgeführt, wenn der Mastdarm bzw. das Ende des Dickdarms untersucht werden müssen. Dabei wird ein Rohr eingeführt, an dessen einem Ende eine Kamera befestigt ist. Durch das Rohr kann auch eine Schlinge durchgeführt werden, mit der beispiels-weise Polypen direkt entfernt oder Gewebeproben entnommen werden können. Davor ist zur Säuberung des Darms ein Einlauf vonnöten. Auch aus anderen medizinischen Zwecken (etwa bei Verstopfungen) werden Einläufe angewendet.

Dann allerdings kamen findige „Wellnessexperten“ auf die Idee, dies in ihrem Programm durchaus gewinnbringend „einfliessen zu lassen“ (Wort-witz!, Anm. d. Schreiberlings). Das ist eigentlich gar nicht so weit herge-holt, schliesslich geht die Traditionelle Chinesische Medizin in vielerlei Hinsicht vom Darm als Ursache so mancher Krankheit bzw. als Zentrum der Gesundheit aus. Auch die Meinung vieler Heilpraktiker, die oftmals bei der TCM reinschnuppern.

Allerdings sollte eine derartige Massnahme von einem Profi durchgeführt werden, da ansonsten sehr viel geschehen kann – dazu mehr etwas später!

Kritiker nun laufen Sturm: Durch den Kaffee-Einlauf wird die Darmflora beeinflusst, die sich ansonsten selbst regenerieren würde.

„Der Darm muss nicht entschlackt werden und Sie können innerlich auch nicht vergiften. Das ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält!“

(Prof. Thomas Frieling, Helios Klinikum Krefeld)

Dennoch betonen Fasten-Experten, dass vor dem Beginn einer Fasten-phase der Darm von allen Schadstoffen gereinigt werden soll. Ähm – ist dies nicht der eigentliche Sinn und Zweck einer Fastenkur zur Entgiftung des Körpers? Wofür bedarf es dann noch zusätzlich eines solchen Einlaufes? Fastenprofis meinen, dass das Hungergefühl nicht dermaßen stark ausgeprägt sei, wenn zuvor alles aus dem Körper gespült wurde! Ah ja…!!!

Nach Angaben der Wellness-Experten gelangt der absorbierte Kaffee über die hämorrhoidalen Venen in die Pfortader, die das Blut aus Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse und Milz sammelt und zur Entgiftung an die Leber weitergibt. Dort bewirken die Enzyme und das Koffein eine vermehrte Produktion der Gallenflüssigkeit und die Kontraktion der Gallenwege – die Galle wird direkt in den Dünndarm ausgespült – mit ihr auch die zahlreich enthaltenen Gift- und Schlackenstoffe! Im Darm selbst sollen die im Kaffee enthaltenen Theophylline und Theobromine entzün-dungshemmend und eine Erweiterung der dortigen Blutgefässe bewirken.

Ferner würde das Rektum geleert, das ohnedies stets leer sein sollte, da ansonsten die Giftstoffe, die eigentlich ausgeschieden werden sollen, über den Mastdarm erneut aufgenommen und an die Leber weitergeleitet werden.

Doch: Das ist ja eigentlich das Prinzip einer Kur, die zumeist über mehrere Tage andauert und sündhaft teuer ist. Wäre also ein Kaffee-einlauf eine mögliche Alternative zur Kur? Kürzer und wesentlich günstiger!

Wie aber nun funktioniert das Prozedere? Gehen wir „in’s Eingelaufene“, sozusagen!

Benötigt wird gefiltertes Wasser (destilliertes oder Osmose-Wasser – niemals gechlortes aus dem Wasserhahn), grob-gemahlener, unge-rösteter und alsdann grüner Bio-Kaffee, ein sauberer Topf und ein Einlauf-Kit mit einem sog. „Irrigator“ – das gibt’s in jeder Apotheke. Der Kaffee wird gekocht – danach muss er für 10-15 Minuten bei niedriger Temperatur köcheln, gefiltert werden und danach abkühlen (auf maximal 37 Grad – also lauwarm bis kalt). Sollte eigentlich für jeden einsichtig sein, dass nicht eine 75 Grad heisse Flüssigkeit reingeschossen wird! Bio-Kaffee deshalb, da dieser frei von Pestiziden sein sollte. Die Zugabe von Zucker oder Milch bitte unterlassen – Latte oder Cappuccino sind für den Gaumen bestimmt, nicht den Anus!!! Wer nun von einer g’scheiten Menge ausgehen sollte, der irrt. „Einläufer“ verwenden für zwei Runden (der Voreinlauf kann auch alternativ mit warmem Wasser absolviert werden) etwa einen viertel bis halben Liter (2-3 Tassen – pro Tasse ein gehäufter Löffel Kaffee)! Bei Beginnern macht sich die Flüssigkeit recht häufig selb-ständig. Geübtere halten die erste Runde relativ kurz (Spülung), die zweite Runde bleibt dann schon mal für 15 bis 20 Minuten im Darm. Diese Prozedur sollte regelmässig (einmal die Woche) über einen Zeit-raum von 3-6 Monaten angewendet werden.

Einlauf-Fans sagen aus, dass der Kaffee innerhalb von 12 Minuten durch den „Kleindarm“ absorbiert wird, was zu einem zusätzlichen „Kick“ führt! Gemeint ist damit wohl der Mastdarm, nicht der Dünndarm, da ein Schlauch in dieser sehr empfindlichen Region absolut nichts zu suchen hat, sofern der Eingriff nicht medizinisch notwendig ist. Hintergrund dieses Kicks ist jedoch wahrscheinlich nicht nur das Koffein, sondern die vermehrte Produktion des Stresshormons Adrenalin durch die Neben-nieren. Dies bekänpft alsdann Schmerzen im Körper. Anwender berichten zudem davon, dass Einläufe gegen Bauchbeschwerden (wie Blähbauch) helfen sollen, sie mehr Energie dem Körper verleihen und wacher machen sollen.

Die Geschichte der Kaffee-Einläufe ist nicht wie viele behaupten uralt. Erstmals beschrieb sie der US-Arzt Dr. Lawrence Wilson zur Hilfe nach einer Bauchoperation, gegen Schock oder für andere Therapien im Jahr 1896. Danach wurde die Idee durch die beiden Heilpraktiker Ariane Zappe und Dr. Dietrich Klinghardt aufgegriffen. Bekannt wurde der Kaffee-Einlauf schliesslich durch den deutschen Arzt Max Gerson als Bestandteil der Gerson-Therapie zur Behandlung von Tuberkulose, Krebs, Diabetes und Migräne in den 1920er-Jahren. Gerson liess an Krebs-patienten alle zwei Stunden einen Kaffee-Einlauf durchführen. Die Gerson-Therapie jedoch, aber auch die Therapie nach Florian Sauer wird schulmedizinisch abgelehnt, da sie nie wissenschaftlich belegt wurde.

Die Medizin steht dem Kaffee-Treiben ohnedies eher mit gemischten Gefühlen gegenüber. So ist nach einer Studie der englischen Universität Exeter (Dr. Edzard Ernst et al.) weder der positive Effekt des Kaffees im Darm noch der Leber wissenschaftlich nachzuweisen.

„Kaffee-Einläufe sind ein gefährlicher Ableger der Darmtherapie. … Nichts davon ist jemals bewiesen worden. Auch gibt es keine klinischen Beweise für einen positiven medizinischen Effekt von Kaffee-Einläufen.“

(Dr. Edzard Ernst)

Dr. Ernst belegte bis 1993 den Lehrstuhl für Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Universität in Wien, wechselte dann an die University of Exeter, wo sich der inzwischen emeritierte Professor vornehmlich der Erforschung der Alternativmedizin widmete.

Eine Darmspülung ist aus medizinischen Aspekten nur vor einer Rektos-kopie oder bei einer Verstopfung und ähnlichem sinnvoll, so die Schul-medizin. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf den positiven Effekt der Konsumation von fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut oder Kefir. Wissenschaftlich erwiesen ist hingegen die positive Wirkung des Kaffees auf das Risiko einer Krebserkrankung des Enddarms. Die Studie von Stephen Gruber et al. von der University of Southern California an 9.100 gesunden und an Darmkrebs erkrankten Menschen zeigte auf, dass grössere Kaffeemengen durchaus das Risiko senken können. Ein bis zwei Tassen pro Tag um ein Viertel, ab 2,5 Tassen gar um die Hälfte. Aller-dings sind möglicherweise auch Terpene und Melanoidine dafür verant-wortlich. Diese entstehen bei der Röstung – beim Einlauf werden aber ungeröstete Bohnen verwendet.

Ein Einlauf kann allerdings – sofern nicht von einem Kundigen durch-geführt – auch zu einigen Problemen führen. Damit sind nicht das Druck-gefühl und die Flatulenzen gemeint. Harmlos dabei ist, dass sich der Stuhl für ein bzw. zwei Tage in seiner Konsistenz durchaus ändern wird. Wesentlich bedenklicher hingegen sind:

.) Blutungen

.) Verletzungen der Darmwand

.) Verletzung des Schliessmuskels und eine mögliche Bauchfellent-zündung als Folge

.) Gasentwicklung und Schmerzen (lassen in der Regel nach wenigen Tagen nach)

.) Infektionen

.) Wird zu viel Gallenflüssigkeit gebildet, so kann dies zum Überlaufen des Zwölffinger-Darms in den Magen mit einhergehender Übelkeit und Krämpfen führen.

.) Rückvergiftung, da zu viel Adrenalin gebildet wird, das durch die Leber nicht mehr abgebaut werden kann

.) Koffein-Vergiftung, da der Magen nicht als Koffein-Puffer agiert

Mit Ausnahme der Gase sollten diese Nebenwirkungen durchaus ernst genommen werden, da sie lebensbedrohlich ausufern können. In der Literatur werden drei Todesfälle genannt, die direkt auf einen oder mehrere Kaffeeeinläufe zurückzuführen sind: Eine bakteriologische Infektion und zwei auf das Ungleichgewicht des Elektrolythaushaltes im Körper!

ACHTUNG:

Vor einer möglichen solchen Behandlung sollten Sie unbedingt den Arzt Ihres Vertrauens beiziehen!!!

Lesetipps:

.) Heile Deine Leber; Anthony William; ePUB Penguin Random House 2019

.) Der Kaffee-Einlauf – Entgiftung und Schmerztherapie; Kerstin Adler; AKSE 2017

.) Schmerzen lindern – Energie steigern: Rasche Hilfe durch den Kaffee-Einlauf; Tanja Baker-Zöllner; BoD 2011

.) Darmreinigung – Das Original nach Dr. med. F.X. Mayr; Trias 2019

.) Meine russischen Geheimrezepte für natürliches Entgiften; Jana Iger; Heyne 2019

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Ginkgo – der Baum der Götter

Ginkgo Biloba
Dieses Baumes Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut.
Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Dass man sie als eines kennt?
Solche Fragen zu erwidern
Fand ich wohl den rechten Sinn.
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Dass ich eins und doppelt bin ?
(Johann Wolfgang von Goethe 1815)

In unregelmässigen Abständen widme ich meine Aufmerksamkeit an dieser Stelle immer mal wieder den unterschiedlichsten Heilpflanzen, da ich der Meinung bin, daß die Natur vieles an Heilkraft in sich birgt, die nicht mit sündhaft teuren Lebensmittelergänzungen aufgenommen werden muss um den Wohlfühlfaktor zu erhöhen, da sie auch im heimischen Garten wachsen können. Omas Medizinschrank hatte dies-bezüglich vieles anzubieten, das Pharmakonzerne in der heutigen Zeit fette Umsätze beschert. Durch Zufall stolperte ich kürzlich über das Produkt eines österreichischen Fruchtsaftherstellers: Grüner Tee mit Ginkgo! Anlass genug, diesen Wunderbaum mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ginkgo (offizieller Name „Ginkgo biloba“) wird in Asien seit Jahrtausenden als Heilpflanze verehrt und verwendet. Die erste Erwähnung findet er 2800 v. Chr. Bei Atemwegserkrankungen wie Asthma, Husten, Bronchitis, gegen Tuberkulose, Magenentzündungen und Hautentzündungen. Doch soll er auch bei Durchblutungsstörungen helfen: Kalte Füsse oder Hände. Etwa bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (paVK), der sog. „Schaufensterkrankheit“. Ob – wie bei vielen Anbietern hochgelobt – auch die zerebrale Durchblutung, also die Versorgung des Gehirns mit Blut und somit Sauerstoff bzw. Nährstoffen verbessert werden kann, ist noch nicht wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen bzw. umstritten. Dieser Einsatzbereich als Antidementivum könnte alsdann die Konzentration, das Gedächtnis sowie die Stimmung verbessern und der Demenz vorbeugen. Auch bei altersbedingtem Schwindel und Tinnitus könnte er wirken, sofern die Ursache in Durchblutungsstörungen begründet ist! Doch – es mangelt an neutralen Studienergebnissen! Bevor Sie nun zur nächsten Drogerie oder Apotheke stürmen, muß ich Sie einbremsen: Eine Studie des US-National Toxigology Programs führte bei Tierversuchen zu einer Zunahme von Leber- und Schilddrüsenkrebs! Zudem raten manche Experten von Ginkgo-Tees ab, da diese zu wenig kontrolliert werden und somit auch schädliche Anteile von Ginkgolsäuren und Ginkgotoxine aus den Blättern beinhalten können. Ausserdem ist die Menge des verwendeten Ginkgos meist zu gering um dadurch positive Effekte erzielen zu können.
Somit gilt also auch hier: Das Geheimnis liegt in der Menge und der Rezeptur!
Der Ginkgo biloba-Baum gehört zur Untergruppe „Ginkgoatae“ der Nacktsamer – er ist rund 250 Mio Jahre alt, somit möglicherweise die älteste Pflanze auf diesem Planeten. Sogar mehrere Eiszeiten hat er überlebt. Alle anderen Vertreter dieser Untergruppe sind bereits ausge-storben. Ein Baum selbst kann zwischen 1000 und 2000 Jahre alt werden. Nicht selten erreicht er eine Höhe von bis zu 40 m und wirkt dabei sehr dekorativ, weshalb er in Ostasien vornehmlich in Tempelanlagen zu finden ist. Zudem trotzt er der Luftverschmutzung und wird aufgrund dessen in vielen Städten gepflanzt – etwa in Berlin. Beim Atombomben-abwurf auf Hiroshima 1945 brannte ein Ginkgo-Tempelbaum. Noch im selben Jahr trieb er jedoch wieder aus – deshalb wird der Baum in Japan als Zeichen der Hoffnung verehrt.
Wissenschafter der Universität von Maryland wiesen nicht weniger als 40 Inhaltsstoffe im Ginkgo nach – die heilende Wirkung aber rührt haupt-sächlich von den Flavonoiden (Glykoside) und Terpenoiden (Ginkgolide, Bilobalide) her. Während in Asien vornehmlich die Samen des Baumes verwendet werden, sind es in Europa seine langstieligen und fächer-förmigen Blätter. Beides wird geröstet oder getrocknet und schliesslich pulverisiert. Ginkgo-Samen („Ginkgo-Nuss“) oder -Blätter sollten niemals gekaut werden – der Anteil des negativen Ginkgotoxin ist zu gross. Auch bei zu hoher Konzentration eines Präparates kann es zu Nebenwirkungen wie Verdauungsproblemen und Kopfschmerzen kommen. Alsdann ist das Risiko einer Blutungsneigung nicht auszuschliessen. Deshalb sollte auf jeden Fall vor einer intensiven Ginkgo-Anwendung eine Blutuntersuchung beim Hausarzt erfolgen, da etwa eine nicht-erwünschte Wechselwirkung in Verbindung mit Blutverdünnern auftauchen kann. Abzuraten ist die Verwendung bei Schwangerschaft oder Kindern, da hierzu noch zu wenige Untersuchungen vorliegen.
Eine Studie der britischen University of Northumbria zur aufmerksam-keitssteigernden Wirkung von Ginkgo zeigte zwar ein entsprechendes Ergebnis, doch war die Zahl der Probanden zu gering, sodaß sie nicht als wissenschaftlich fundiert gelten kann.
Zu einer sehr interessanten Erkenntnis hingegen gelangten die Wissen-schafter des Laboratory of Pharmacological Neuroendocrinology in Bratislava. Gegenstand ihrer Studie war die stressreduzierende Wirkung von Ginkgo. Diese Untersuchung entsprach schon mehr den wissen-schaftlichen Bestimmungen: Sie war nicht nur Placebo-kontrolliert sondern auch doppelblind und randomisiert. Soll heißen, daß weder die Probanden noch die Forscher wussten, wer ein Ginkgo-Präparat erhielt bzw. an wen ein Placebo verabreicht wurde (doppel-blind). Bei einer randomisierten klinischen Studie werden auch alle Nebenwirkungen überwacht. 70 Personen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren erhielten einmalig ein 120 mg-Extrakt. Der Blutdruck dieser Gruppe war im Anschluss niedriger als in der Placebo-Gruppe. Zudem wurde weniger Cortisol im Speichel festgestellt. Cortisol ist ein Hormon, das bei Stress gebildet wird und bei dauerhaft grosser Produktion zu Konzen-trationssstörungen und Schlaflosigkeit führt bzw. gar das Immunsystem angreifen kann. Diese negative Wirkung auch auf das menschliche Gehirn kann in einer weiteren Studie des Departments of Biological Sciences der University of Stanford nachgelesen werden. Dementsprechend führt Cortisol zu einem vorzeitigen Altern der Gehirnzellen. Zudem hemmt es deren Neubildung. Das kann die Arbeit des Gehirns stark einschränken – ja sogar zu Gedächtnisverlust führen. Wissenschafter der Universität von Hongkong erkannten, daß Ginkgo gemeinsam mit Rosenwurz zu einer Verbesserung des Trainingseffektes bei Sportlern führt. Massgeblich dafür verantwortlich ist erneut die Senkung des Cortisolspiegels. Im Rahmen dieser Untersuchung erhielten 70 Personen über sieben Wochen hinweg vier Kapseln dieser Pflanzenmischung mit jeweils 270 mg. Gemessen wurde die Ausdauer, der Testosteronspiegel und das Muskel-gewebe. Die Versuchsgruppe verzeichnete eine Verbesserung der Aus-dauer – es wurde gar mehr Muskelgewebe aufgebaut. Cortisol bewirkt nämlich den Abbau von Muskelgewebe.
Weitere Studien etwa zur Steigerung der Libido, als Prävention für Schlaganfallpatienten (Blutgerinnsel sollen sich schwerer bilden), zu Alzheimer, dem Erhalt der Sehkraft, ADHS, Diabetes oder als Antioxidant sind zum Teil noch am Laufen oder noch nicht wissenschaftlich fundiert.
Der Ginkgo-Baum kann auch in unseren Breiten im Garten gesetzt werden – Sie sollten allerdings bedenken, daß er recht gross wird. Der Boden ist ihm eigentlich gleichgültig – er bevorzugt den Halbschatten bzw. leicht sonnige Stellen. In den beiden ersten Jahren ist der Baum noch nicht winterhart, deshalb sollte er vorerst als Kübelpflanze gehalten werden, den man im Keller überwintern lassen kann. Die Samenfrüchte der weiblichen Bäume riechen im Herbst ranzig, weshalb vornehmlich männliche Bäume gepflanzt werden.
Die Blätter werden kurz vor ihrem Abfallen meist im Oktober gesammelt und im Halbschatten getrocknet. Ginkgo kann nun folgendermaßen auf-genommen werden:
.) Als Nahrungsergänzung (Tablette oder Kapsel)
Beachten Sie hier jedoch unbedingt die Dosierung. Das Produkt sollte auf jeden Fall zwischen 24-32 % Flavonoide (Flavonglykoside oder Heteroside) sowie 6-12 % Terpenoide (Triterpenlactone), jedoch weniger als 5 ppm Ginkgolsäure beinhalten.
.) Als Tinktur
Dazu übergiessen Sie Ginkgo in einem Glas mit Schraubverschluss mit Weingeist oder Doppelkorn. Dies lassen Sie für zwei bis sechs Wochen ziehen. Danach den Ginkgo abseihen, die Flüssigkeit in eine dunkle Glas-flasche geben. Täglich können ein- bis zweimal je 10 bis 50 Tropfen eingenommen werden.
.) Als Tee
Überbrühen Sie zwei Teelöffel Ginkgo mit kochendem Wasser und lassen Sie dies für rund zehn Minuten ziehen. Danach auch hier den Ginkgo abseihen und in kleinen Schlücken trinken. Mehr als drei Tassen sollten Sie jedoch nicht am Tag konsumieren.
.) Als Umschlag
Bei Geschwüren oder schlecht heilenden Wunden kann ein sauberes Tuch getränkt mit Ginkgo-Tee oder verdünnter Tinktur am besten über Nacht aufgelegt werden.
Vor einer Ginkgo-Kur sollten Sie auf jeden Fall den Arzt Ihres Vertrauens hinzuziehen. Nur so können nicht-erwünschte Nebenwirkungen ausge-schlossen werden. Daneben ist die Dosierung extrem wichtig, da ein positiver Effekt erst ab etwa 40 mg des Extraktes erzielt werden kann, zu hohe Dosen jedoch zu Problemen bei der Verdauung und zu Schwindel führen können. Ähnlich wie bei Kurkuma (mit Honig) kann auch eine Kombination mit anderen Pflanzenextrakten wie etwa Gotu Kola (Indischer Wassernabel), Brahmi (Kleines Fettblatt), indisches Basilikum und Ginseng bzw. der bereits erwähnten Rosenwurz zu besseren Ergebnissen führen. Lassen Sie sich also gut beraten.

Lesetipps:

.) Ginkgo. Ur-Baum und Arzneipflanze; Hrsg.: Maria Schmid; Hirzel 2001
.) Ginkgo, der Baum des Lebens. Ein Lesebuch; Walter E. Müller/Ernst Pöppel; Insel Verlag 2003
.) Spektrum Ginkgo biloba; Hans D. Reuter; Aesopus 1993
.) Ginkgo Biloba; Hrsg.: Teris A van Beek; Harwood Academic Publishers 2000
.) Ginkgo biloba extract (EGb 761): from chemistry to the clinic; Francis V. DeFeudis; Ullstein 1998
.) Ginkgo Biloba (Medicinal and Aromatic Plants: Industrial Profiles); Vanbeek A. Vanbeek; CRC Press 2000
.) Pharmakognosie. Phytopharmazie; Hrsg.: Rudolf Hänsel, Otto Sticher; Springer Medizin Verlag 2010
.) Lexikon der Traditionellen Chinesischen Medizin; Komet 2006

Links:

– www.ginkgomuseum.de
– kwanten.home.xs4all.nl/history.htm
– www.heilkraeuter.de
– www.awl.ch
– www.wfsbp.org/home/
– ntp.niehs.nih.gov
– legacy.tropicos.org

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Prigoschin – Putins Kamphund

Einige knüpften große Hoffnungen an ein Ende des russischen Invasions-krieges mit der Ukraine, viele andere aber beobachteten den Marsch der Wagnersöldner nach Moskau mit grosser Besorgnis. Nach eigenen Angaben plante Wagner-Chef Prigoschin keinen Sturz Putins oder einen Militärputsch. Er wollte vielmehr damit gegen das chaotische Vorgehen der Militärführung im Kreml demonstrieren. Ausländische Experten sprechen indes sehr wohl von einem Aufstand, nicht zuletzt aufgrund der Verhaftung von nicht weniger als 15 russischen Generälen und den unzähligen Hausdurchsuchungen des Inlandsgeheimdienstes FSB seit dem Marsch. Einige der Wagner- Söldner bezahlten diesen mit ihrem Leben durch das sog. „Friendly Fire“ – russischen Beschuss. Übrigens bestätigte auch der US-Thinktank „Institute for the Study of War“ (ISW) unter Bezugnahme auf die Kritik des inzwischen abgesetzten russischen Generals Iwan Popow, dass es schwerwiegende Probleme in den russischen Kommandostrukturen gäbe. Popow befehligte die 58. Armee in der besetzten ukrainischen Region Saporischschja.

Inzwischen ist es rund um den Unternehmer und selbsternannten Feld†herren aus Moskaus Gnaden sehr ruhig geworden ist. Die einen Gerüchte meinen, er ist schon in russischer Haft oder gar tot, die anderen gehen davon aus, dass er sich wie seine Kämpfer in Belarus versteckt hält. Der pensionierte US-General Robert Abrams betonte in einem Interview, dass Prigoschin wohl nie mehr wieder in der Öffentlichkeit zu sehen sein wird. Und dann taucht da plötzlich ein Foto im Internet auf, das ihn in Unterwäsche auf einer Pritsche im Zelt angeblich auf dem belarussischen Militärstützpunkt Tsel zeigt. Was ist mit Prigoschin???

„ Was Prigoschin betrifft, so ist er in Sankt Petersburg. Er ist nicht in Belarus.“

(Alexander Lukaschenko)

Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin wurde am 1. Juni 1961 in Leningrad geboren. Bereits in seiner Jugend wurde er auffällig: Diebstahl, Raub-überfall und andere Delikte bescherten ihm 13 Jahre Haft – neun davon hat er auch tatsächlich abgesessen. Danach führte er mehrere Restau-rants in St. Petersburg. Nach eigenen Angaben bewirtete er im Jahr 2001 in einem seiner Restaurants den französischen Ministerpräsidenten Jacques Chirac und WladimirPutin, daher auch das Naheverhältnis zum Ex-KGB-Agenten. Andere Stimmen meinen, die beiden hätten sich schon zuvor getroffen, als es in St. Petersburg um die Vergabe der Glücksspiel-Lizenzen ging. Prigoschin baute seine Firma Concord auf – einer seiner Tätigkeitsfelder waren Fast-Food-Restaurants, mit denen er jedoch scheiterte. Durch die vielen öffentlichen Aufträge jedoch konnte er sich recht gut über Wasser halten. So belieferte er Schulen, Kindergärten, die russischen Streitkräfte und Staatsbankette. Daher stammt sein Spitz-name: „Putins Koch!“ Er selbst streitete dies stets ab:

„Ich bin nicht Putins Koch, ich kann überhaupt nicht kochen!“

Schliesslich engagierte er sich selbst in der russischen Propaganda-maschinerie. Concord wurde zusehends mehr zur Agentenschmiede. So schleuste Prigoschin bei der investigativen Nicht-Regierungs-Zeitung Nowaja Gaseta eine Spionin als Praktikantin ein, die jedoch enttarnt und mit Falschinformationen beliefert wurde. Die „aktiven Operationen“ begannen mit einen Diskreditierungsversuch des regierungskritischen Schriftstellers und Moderators Dmitri Bykow sowie der Überwachung der ebenfalls Putin nicht wohlgesonnenen Journalistin Julija Latynina. Das „Internet-Forschungsinstitut“ (IRA) gelangte als „Putins Troll-Fabrik“ durch Cyberangriffen und Fake-Propaganda vor allem bei Donald Trumps Wahlkampf und dessen anschliessender Wahl zum US-Präsidenten zu unrühmlicher Bekanntheit. Nach der Veröffentlichung des Berichtes des US-Sonderermittlers Robert Mueller setzte das FBI am 16. Februar 2018 aufgrund der Anklage Prigoschins durch eine Grand-Jury wegen „Verschwörung zur Störung demokratischer Prozesse in den Vereinigten Staaten“ für die Ergreifung desselben eine Kopf-Prämie in Höhe von 250.000 US-Dollar aus. 2023 bestätigte Prigoschin die Existenz seiner Troll-Armee:

„Wir haben uns eingemischt, wir tun es und wir werden es weiter tun.“

Auch während des „Euromaidans 2013“ (der „Revolution der Würde“ in der Ukraine) mischte die IRA fleissig mit.

Seine Medienholding schaffte in Russland ein richtiggehendes Moskau-getreues Nachrichtenmonopol, das schlussendlich auch den Ukraine-Feldzug als „Polizeieinsatz“ gegen angebliche Nazis in Kiew verkaufte. Der Oppositionelle und heute in Haft befindliche Alexei Nawalny war es schliesslich, der 2016 einen Bericht vorlegte, der aufzeigte, dass Prigoschin Aufträge des Kremls in der Höhe von zig Milliarden Rubel erhalten haben soll, nicht wenige durch das Verteidigungsministerium. U.a. auch für den Bau von Kasernen. Sein Unternehmen schrieb nach Angaben von unabhängigen Journalisten bis 2022 enorme Gewinne.

Ab 2012 arbeitete Prigoschin gemeinsam mit Dimitri Utkin am Aufbau einer privaten Militär- und Sicherheitseinheit zur Durchsetzung russischer Interessen im In- und Ausland – „Wagner“ war gegründet. Die Urenkelin Richard Wagners, Katharina Wagner, distanzierte sich bei den diesjährigen Wagner-Festspielen in Bayreuth erbost von dem Missbrauch des Werkes und Namens ihres Urgrossvaters:

„Es ist nun gar nicht zu leugnen, vielmehr muss immer wieder herausgearbeitet werden, wie sich im Werk meines Urgroßvaters die übelsten Formen politischen und rassistischen Wahns in das dramatische Geschehen einfügen.“

2014 wurde Prigoschin alleiniger Chef der paramilitärischen Organi-sation, einer Gruppierung von Söldnern, die vornehmlich gegen die Terrormiliz IS in Syrien sowie bei einigen Revolten in Afrika, wie etwa Libyen, und seit 2014 zunächst verdeckt, später offiziell im Ukraine-Feldzug Russlands tätig war. Prigoschin leugnete erst einen Zusammen-hang mit Wagner, erst im Ukraine-Krieg trat er in Uniform als Anführer der Söldner offiziell auf. Nicht selten wurden Rekrutierungen alsdann in rechtsnationalen und -radikalen Lagern auch in Deutschland durch-geführt. Ab 2022 schliesslich, wie im damaligen Film „Ein dreckiges Dutzend“, in russischen Straflagern. Deserteure würden sofort stand-rechtlich erschossen, getreue Kämpfer nach sechs Monaten an der Front durch Putin selbst begnadigt. So wurde etwa der Fall des Russen Jewgeni Nuschin bekannt. Der ehemalige Strafgefangene hatte sich 2022 den ukrainischen Truppen ergeben. Durch Gefangenenaustausch oder einer Entführung kam er wieder zurück. Seine Hinrichtung erfolgte mit einem Vorschlaghammer durch ehemalige Kampfgenossen. Prigoschin hierzu:

„Ein Hund empfängt den Tod eines Hundes.“

Am 23. Juni schliesslich rief Prigoschin nach Streitereien mit dem Verteidigungsministerium zum Marsch auf Moskau auf. So beklagte er sich, dass seine Männer vor allem bei den blutigen Kämpfen in Bachmut durch mangelnden Munitionsnachschub und Luftunterstützung den ukrainischen Truppen zum Fraß vorgeworfen wurden. Verwirrende Aus-sagen aus Moskau: Sprach doch Putin bei einem angeblichen Gespräch mit dem Aufmüpfigen am 29. Juni des Jahres noch von einem Wechsel an der Spitze der Wagner-Truppe (die Söldner sollten im Ukraine-Krieg weiterkämpfen), was Prigoschin abgelehnt haben soll. Nur wenige Tage später meinte er, dass die Gruppierung defacto nicht existiere.

„Ein privates Militärunternehmen Wagner existiert nicht.“

(Wladimir Putin)

Die Auflösung dürfte ihm nicht wirklich leicht gefallen sein, handelte es sich doch um kampferprobte, militärisch gedrillte Söldnern, die oftmals als Speerspitze an Hotspots eingesetzt wurden und gerade im russischen Invasionskrieg in der Ukraine für viele russische Gebietsgewinne verant-wortlich zeichneten.

Überraschend kam der Vermittlungsvorschlag des belarussischen Dik-tators Alexander Lukaschenko, gilt dieser doch als treuer Gefolgsmann Putins. Schliesslich erfolgte ein Teil der Invasion von belarussischem Gebiet aus. Zudem sprach er im Interesse Putins in Peking vor. Der russische Aggressor vertraut ihm dermaßen, sodass er dort Atomwaffen stationierte. Lukaschenko behauptet inzwischen, dass Wagner-Söldner im Militärstützpunkt Tsel belarussische Truppen trainieren sollen. Bleibt die Frage: Zu welchem Zweck? Will sich Lukaschenko nun auch aktiv an dem Krieg beteiligen? Aus dem US-Verteidigungsministerium heisst es, dass sich noch viele Wagner-Söldner in den russisch besetzten Gebieten in der Ostukraine aufhalten sollen; die Kollegen aus Moskau hingegen behaupten, die Waffenübergabe an die Streitkräfte wäre abgeschlossen! Es bleibt also auch weiterhin russisch düster!

Filmtipps:

.) Die Prigoschin-Akten; ARTE-Doku

.) Putins Schattenarmee – die Gruppe Wagner; ZDF-Doku

Links:

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Gib Gummi!

Wohl ein Jeder kennt das Wort „Plastik“! Viele kennen auch „Kunststoff“! Doch bei „Kautschuk“ tun sich die meisten schwer. Lapidar wird er immer gerne dem Plastik zugeordnet – stimmt aber nicht. Plastik und Kunststoff werden zumeist aus Erdöl hergestellt, Kautschuk hingegen stammt von Bäumen! Er ist also ein Naturprodukt!!! Und – da haben wir schon wieder das Problem: Für alle Naturprodukte, die mit Gewinnabsicht hergestellt sind, werden immense Schäden an gerade dieser Natur in Kauf genommen. So leider auch beim Kautschuk. Riesige Ur- und Regenwälder müssen etwa in Südostasien den Kautschuk-Plantagen weichen. Klima-tologen und Botaniker schlagen deshalb Alarm. Zumeist bleibt diese jedoch ungehört.

Der Kautschukbaum (Hevea brasiliensis) stammt ursprünglich aus dem brasilianischen Amazonasgebiet. Er bevorzugt alsdann das feucht-tropische Klima mit viel Regen. Auch heute noch stammen rund 99 % des Naturkautschuks aus dem Hevea brasiliensis. Gewonnen wird der Kautschuk oder auch Gummi elasticum bzw. Resina elastica durch ein Anritzen der Rinde dieser Kautschukbäume. Der herausfliessende Milchsaft (Latex) wird in Eimern aufgefangen. Er ist übrigens geniessbar und schmeckt nach süsser Sahne.

Chemisch betrachtet ist Latex eine kolloide Dispersion, bestehend aus rund einem Drittel Kautschuk in einer wässrigen Lösung (Serum). Dabei ist der Hauptbestandteil ein Polymer aus Isopren-Einheiten mit Proteinen und Harzen. Der Kautschuk selbst ist bräunlich, er wird beim Abkühlen ab +3 Grad Celsius spröde, ab +145 Grad klebrig und zerfliesst ab 170 Grad Celsius. Löslich ist er durch Benzin, Ölen und chlorierten Kohlen-wasserstoffen.

Mitte des 18. Jahrhunderts brachte der Franzose La Condamine das Latex aus dem Amazonas-Gebiet nach Europa Nach Überlieferungen der Mayas und anderer indigener Völker wurde Kautschuk jedoch schon ab 1600 v. Chr. in Mittel- und Südamerika verwendet – nicht selten in Ballform für den Sport. Gegen 1770 entstand der erste Radiergummin, 1823 der Regenmantel und die Gummistiefel (“Mackintoshs”). Richtig bekannt wurde der Kautschuk allerdings erst ab 1839, als Charles Goodyear die Vulkanisation von Kautschuk (Vernetzung der Polymerketten) erfand. Das wurde von Henry Ford für seine Automobile aufgegriffen.

Die labortechnische Herstellung von Kautschuk gelang bis heute nur sehr schwer. Die wohl bekannteste Version davon brachte die Standard Oil of New Jersey während des 2. Weltkrieges mit dem Buna-Kautschuk heraus, der aber qualitativ nicht an den Natur-Kautschuk herankommt. Die deutsche Wehrmacht forschte parallel dazu an einer Naturvariante aus russischem Löwenzahn (Taraxacum kok-saghyz Rodin). Dies wurde jedoch aufgrund des Kriegsverlaufes wieder eingestellt.

Kautschuk ist vor allem in der Reifenindustrie sehr begehrt, da er unheimlich resistent ist. Bestehen die Reifen von Privat-PKW zu rund einem Drittel aus Kautschuk, so ist dessen Anteil in LKW- und Flugzeug-reifen wesentlich höher. Der Preis für das Naturprodukt explodierte richtiggehend zur Jahrtausendwende. Verantwortlich dafür zeichnete v.a. die chinesische Automobilindustrie, die mit Riesenschritten expandierte. Hierin erkannten sehr viele Bauern die Chance ihres Lebens und pflanzten ganze Kautschukbaum-Plantagen. Doch weit gefehlt: Bereits 11 Jahre später gab es dermassen viele Plantagen, das Wirtschaftswachstum Chinas verlangsamte sich, die Lagerbestände stiegen und stiegen. Die Preise purzelten in den Keller. Nahezu um 70 %. Und dies trotz nach wie vor grosser Nachfrage. Zudem setzte der Klimawandel auch den Kleinbauern immens zu: Hitze und Trockenheit, Frost und Taifune verrichteten enorme Ernteverluste. Viele chinesische Landwirte verloren durch Ernteausfälle Hab und Gut.

Ein gänzlich anderes Bild in Südostasien: In Ländern wie Thailand, Indonesien und Malaysia werden Regenwälder grossflächig abgeholzt um Platz für Kautschukplantagen zu schaffen. Sehr zum Unwohl der Botaniker und Klima- bzw. Umwelt-Forscher. Wie bei allen Monokulturen besteht die grosse Gefahr von Bodenerosion, Erdrutsche und Sedi-mentierungen von Flussläufen. Und schliesslich brechen die Stämme und Äste des Baumes bereits bei mittleren Windgeschwindigkeiten. Hinzu kommen unvorstellbare Mengen an Pestiziden, Fungiziden und Dünge-mittel.

Die grössten Produzenten von Naturkautschuk sind Thailand, Indonesien, Malaysia, Indien und China – zunehmend auch die Elefenbeinküste, Liberia und Nigeria. Damit Sie sich einen Überblick über das Ausmaß verschaffen können: Die Weltproduktion an Naturkautschuk belief sich 2020 auf 12,9 Mio Tonnen Naturkautschuk – der Weltmarktpreis ist zuletzt im April 2023 auf 1,54 US-Dollar pro Kilo gestiegen (Angaben: statista.de). Im Südwesten Chinas (Präfektur Xishuangbanna) beläuft sich die Bebauungsfläche auf nahezu 20 % der Landfläche. Auf dem Festland Südostasiens sind es 20.000 Quadratkilometer (eine Fläche grösser als Niederösterreich), zählt man die Inselstaaten hinzu, so sind es unglaubliche 250.000 Quadratkilometer – das ist weitaus mehr als die Fläche von Rumänien.

Eigentlich wäre es relativ einfach, die ökologischen Schäden zu bekämpfen oder gar zu verhindern. Etwa durch Mischwälder mit anderen Nutz- oder Obstbäumen und Kaffee, Tee oder Kakao im Unterholz. Entprechende Versuche laufen bereits seit einiger Zeit in Thailand und Indonesien durchwegs positiv. Hierbei müssen zudem wesentlich weniger Pestizide angewendet werden. In China wird wohl die Regierung dem Kautschukanbau Grenzen setzen. Viele der dortigen Plantagen befinden sich auf steilem Gelände. Peking möchte nun durch den Klimawandel begünstigten Naturkatastrophen ein Ende setzen – solche Regionen sollen renaturiert werden.

Bleibt zuletzt eine Frage:

Wieviel Naturkautschuk wird bei einem Formel I-Rennen verbraucht und wieviele Hektar Regenwald mussten dafür weichen???

Lesetipps:

.) Einführung in die Kautschuktechnologfie; Georg Abts; Hanser 2007

.) Handbuch der Kautschuk-Technologie; Hrsg.: Werner Hofmann/Heinz B. Gupta; Gupta 2001

.) Analysis of Rubber and Rubber-like Polymers; M.J.R. Loadman; Springer Dordrecht 1999

.) Chemistry, Manufacture and Applications of Natural Rubber; Shinzo Kohjiya/Yuko Ikeda; Woodhead Publishing Limited 2014

.) Einführung in die Kautschuktechnologie; Georg Abts; Carl Hanser Verlag 2007

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Es ist ja nicht nur der Stich…!

Sommer – für viele wohl die schönste Jahreszeit im Jahr. Man trifft sich mit Freunden oder Nachbarn zum Grillen, geniesst Musik oder Theater unter freiem Himmel, sitzt abends noch mit einem Glas Wein auf dem Balkon oder der Terasse, …!

Wenn da nicht diese Biester wären! Was hat sich der Herrgott eigentlich dabei gedacht, als er die Stechmücken erfand???!!! So was von überflüssig – nicht mal als Nahrung für die Fledermäuse taugen sie, da an ihnen schlichtweg zu wenig dran ist! Aufgrund der milden Winter mit nur wenigen Frosttagen können sie in Tümpeln und anderen kleinen Wasserstellen (Regentonnen, Vogeltränken, Giesskannen, verstopftem Regenrinnen, im Freien gelagerte Autoreifen, …) immer besser über-wintern und werden im Sommer vermehrt zu Plagen. Die heimischen Arten sind zwar lästig, jedoch zumeist ungefährlich. Durch die klima-tischen Veränderungen allerdings gelangen zuhauf invasive Arten aus tropischen Gefilden in unsere Regionen, die durchaus gefährlich werden können: Etwa Moskitos und auch die Tigermücke werden zu Problemen. Vor allem dann, wenn sie einen Menschen zuvor gestochen haben, der von seinem Urlaub ein ungewünschtes Mitbringsel einführte: Eine tropische Krankheit: Dengue, Zika, Malaria, West-Nilfieber, etc.

Die erste Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) wurde beispielsweise in Österreich vor elf Jahren entdeckt. Sie dürfte durch Altreifen oder auch den “Glücksbambus” (Lucky Bomboo) importiert worden sein. Inzwischen hat sie sich nach Angaben des Gelsenmonitorings der AGES in allen Bundesländern und auch Deutschland bzw. der Schweiz etabliert und fühlt sich aufgrund des übermässigen Nahrungsangebotes “sauwohl”! Die Hotspots finden sich in Wien und Graz, am Oberrheingraben und Basel. Dies sollte durchaus ernst genommen werden, da heimische Arten keine oder kaum Krankheiten übertragen können, diese Spezies jedoch sehr wohl. Experten zählen bis zu 20 unterschiedliche Krankheiten und Fadenwürmer auf, die durchaus lebensgefährlich verlaufen können. So warnt das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), wie beispielsweise Chikungunya, das von einem Virus übwertragen wird, der für den heimischen Europäer bislang keine Rolle spielte, sollte er nicht aus Asien eingereist sein. Das österreichische Gesundheitsministerium nimmt die Bedrohung derart ernst, dass ein eigenes Monitoring eingerichtet wurde: Das Ovitrap-Monitoring. Ovitraps sind Fallen, die wöchentlich auf das Eigelege der Gelsenarten überprüft werden. Aufgestellt werden sie dort, wo eine Einschleppung von Krank-heiten am wahrscheinlichsten sind: Flughäfen, Autobahnraststätten, Fernbus-Haltestellen, … So wurde die Tigermücke in Wien vornehmlich durch den Fernverkehr eingeschleppt. Und dort findet sie in den Gärten, aber auch etwa auf Friedhöfen ausgezeichnete Lebensbedingungen vor. Bürger werden deshalb gebeten, Sichtungen der Tigermücke bzw. der Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) über eine App (Mosquito Alert) zu melden. Sie wurde bereits über 200.000 Mal downgeloaded, führte zu mehr als 40.000 Meldungen und zeigte rund 10.000 Brutstätten auf. Experten analysieren die Daten und setzen Massnahmen zur effektiven Bekämpfung. Die App können Sie unter www.mosquitoalert.com/en/ kostenfrei herunterladen. Auch in Deutschland bitten die Wissenschafter um entsprechende Meldung an www.mueckenatlas.de.

Ein Tigermückenweibchen legt pro Eiablagezyklus 40 bis 90 Eier. Sie verteilt sie an unterschiedlichen Orten, sodass ein Überleben der Spezies am wahrscheinlichsten erscheint. Die rund 0,5 mm langen Eier sind sehr robust – sie überdauern auch monatelange Trockenphasen bzw. einige Frosttage. Die Eier werden knapp oberhalb der Wasseroberfläche festge-klebt. Steigt der Wasserspiegel, so schlüpfen die Larven. Nun folgen vier Larvenstadien bis schliesslich aus der Puppe nach 10 bis 15 Tagen die ausgewachsenen, zwei bis zehn Millimeter grossen und durchaus gefährlichen Flieger werden. Die Tigermücke kann einfach an den schwarz-weiss-geringelten Beinen und der weissen Mittellinie am Brust-korb erkannt werden (die ähnlich aussehende Ringelmücke besitzt diesen weissen Streifen nicht). Die männlichen Mücken ernähren sich von zuckerhaltigen Pflanzensäften, die weiblichen hingegen von Blut. Sie stechen vornehmlich im Freien und sind unheimlich hartnäckig. Um eine Plage zu vermeiden, wäre es deshalb wichtig, die idealen Brutstätten im Garten gar nicht erst einzurichten. Biologisch können Stechmücken durch die Toxine (Proteine) der Bazillen Bacillus Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) und Lysinibacillus sphaericus bekämpft werden. Sie stellen für andere Organismen keine Gefahr dar. Die Eiweisse der abge-töteten Bazillen werden isoliert und in Pulver- oder Tablettenform angeboten. Erhältlich im Gartenhandel. Sie werden in mögliche Brut-stätten gegeben.

Bislang ist eine Virus-Übertragung in unseren Gefilden sehr selten, da die entsprechenden Krankheiten zumeist durch den globalisierten Tourismus eingeschleppt werden. Die Krankheiten sind jeweils meldepflichtig, Patienten werden zumeist sofort unter Quarantäne gesetzt. Über das Zika-Virus habe ich an dieser Stelle bereits berichtet. Er wird vornehmlich über die Gelbfiebermücke übertragen, die beispielsweise in Deutschland noch nicht nachgewiesen wurde. Eine Infektion durch die normale Tiger-mücke ist noch nicht vollständig wissenschaftlich geklärt. Das Zika-Virus ist nicht lebensgefährlich, kann jedoch bei Frauen zu Fehlgeburten führen. Dengue kann beim Menschen langanhaltende Gelenksschmerzen verursachen. Lebensbedrohlich hingegen ist das West-Nil- und das Chikungunya-Virus. Entsprechende Ausbrüche gab es bereits im Mittelmeerraum, in Mitteleuropa wurden die Krankheiten zumeist einge-schleppt. Das West-Nil-Fieber verläuft in den meisten Fällen ohne erste Symptome. Fieber und Hautausschlag werden meist als harmlos abgetan. Für ältere Personen oder Menschen mit Vorerkrankungen jedoch besteht durch einen neuro-invasiven Verlauf Lebensgefahr. Ähnlich auch beim Chikungunya-Virus. Fieber, Hautausschlag, Augenentzündung, Kopf-schmerzen und schliesslich langandauernde Gelenksschmerzen. In wenigen Fällen können auch innere Organe betroffen sein, etwa durch eine Leber- oder Herzentzündung und schliesslich Meningitis!

Sie sehen also: Mit einem Stechmückenstich ist nicht zu scherzen!!!

Lesetipps:

.) Seuchen, die die Welt veränderten – Von Cholera bis SARS; übersetzt von Meike Grow und Ute Mareik; Gruner & Jahr 2009

.) The Mosquitoes of the South Pacific (Diptera, Culicidae)M University of California Press 1962

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Tranq – die neue Zombie-Droge aus den USA

Crystal Meth – das war gestern! Wer heute up-to-date sein und seinem Herrn und dem Schöpfer noch rascher gegenüberstehen möchte, der nimmt Tranq, die neue Zombie-Droge aus den USA. Eigentlich eine miserable Geschäftsidee: Die Dealer verlieren ihre Käufer jeden Tag im Sauseschritt, einen nach dem anderen!

Als normal denkender Mensch verstehe ich das nicht, was sich andere Menschen völlig freiwillig reinschiessen, um ihrem Leben ein frühes, dafür umso grauenvolleres Ende zu bereiten! Doch sei’s drum: Jeder wie er mag!

Die Meldungen aus den USA und insbesondere Philadelphia, Los Angeles bzw. New York gleichen Grusel-Horror-Filmen. Hier ist von Zombies die Rede, die mit offenen Wunden und abgestorbenem Gewebe an den Glied-maßen lethargisch wie von Sinnen durch die Strassen laufen. Und es werden immer mehr.

https://www.srf.ch/play/tv/srf-news-videos/video/tranq-dope-der-neue-horror-der-us-drogenszene?urn=urn:srf:video:fcac9238-41ee-495a-a70e-257cb9c0fff8

Vor allem die Einwohner der Grossstädte fordern sofortige Massnahmen gegen die sogar zugelassene Droge. Für viele dieser Junkies ist der abschliessende Atemstillstand als finales Ende wohl die Erlösung. Ansonsten drohen Amputationen und langwierige Krankenhausaufent-halte sowie plastisch-chirurgische Operationen danach.

Und ist es dann mal soweit, hilft auch kein Gegenmittel mehr. Bei Opioid-Überdosen wird ansonsten etwa Narcan eingesetzt – doch hier ist es wirkungslos. Deshalb schlagen die Spezialisten ausgerechnet im Land der Medikamenten-Abhängigen Alarm.

Hauptbestandteil der Droge ist nämlich Xylazin. Der Wirkstoff wird seit 1962 in der Veterinärmedizin als Betäubungsmittel eingesetzt – Menschenversuche wurden sehr rasch eingestellt, da die Neben-wirkungen zu eklatant waren. Xylazin reduziert die Blutzirkulation im Körper. Dadurch wird alsdann die Zufuhr von wichtigen Nährstoffen und Sauerstoff sowie der körpereigenen Wirkstoffen heruntergefahren. Zudem können Haut und Muskeln an der unbehandelten Einstichstelle verfaulen.

„Es entstellt die Menschen wirklich auf grausame Weise!“

(Bill Bodner, Special Agent der US-Drogenbehörde DEA)

Tranq wird gespritzt, oftmals auch mit anderen Drogen vermischt. Inzwischen gibt es zudem erste Berichte aus Spanien oder dem deutschen Frankfurt, wo die Droge anscheinend die Runde durch die Diskotheken macht.

Nach Angaben des US-Centers for Disease Control and Prevention (CDC) starben zwischen August 2021 und August 2022 107.735 US-Bürger den Drogentod – 66 Prozent an synthetischen Opioden, wie Fentanyl. Die meisten dieser Drogen kommen aus China und werden durch die mexikanischen Kartelle Sinaloa und Jalisco in die USA gebracht. Mit Ausnahme von South Dakota und Wyoming sind diese Drogen in allen US-Bundesstaaten zu finden.

Mehr will ich zu diesem Thema heute ausnahmeweise nicht schreiben, da ich nicht noch Werbung dafür machen möchte. Ich denke, die beiden Videos sagen mehr aus als Worte. Wie bereits zu Beginn geschrieben, kann sich jeder volldröhnen oder zupfeiffen wie er oder sie wollen. Doch bin ich einer Meinung mit Hillary Swift von den New York Times:

„Das ist Selbstzerstörung!“

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Azolla – Die Rettung unseres Planeten???

Im Kampf gegen die Erderwärmung schreitet so mancher Erfinder auf durchaus abstrusen Wegen. Ist aber auch kein Wunder: Der Mensch ist offenbar dermaßen verblödet, sodass er mit wehenden Fahnen in die Selbstzerstörung schreitet. Versuchen einige wenige tatsächlich ihren CO2-Fussabdruck so niedrig wie möglich zu halten, so machen dies die Umweltsünder wieder rückgängig – mit links. Eine Massnahme, eine Idee, ein Konstrukt – vollkommen gleichgültig was – das gegen den Klima-wandel eingesetzt werden kann, ist somit Gold wert!

So hat ein 15-jähriger Gymnasiast aus Petershausen, einer Gemeinde rund 36 km von München entfernt, im Garten ein Versuchsbecken angelegt. Dieses befüllte er mit Regenwasser und pflanzte dort Schwimmfarn an. Auf die Idee kam Benjamin Sedlmair bei der Recherche für ein Physikreferat. So mancher würde den Teenie als verrückt erklären, doch liegt er völlig richtig: Schwimmfarn könnte die Lösung unserer von Menschenhand verursachten Klimazerstörung sein. Das bescheinigt auch die Freie Universität Berlin auf wissenschaftlicher Basis. Dazu mehr etwas später!

„Geforscht wird genug, wir müssen endlich ins Machen kommen!“

†(Benjamin Sedlmair)

Sedlmair las bei seinen Recherchen von einem Wunder der Natur, das unseren Planeten vor 49 Mio Jahren schon einmal gerettet hat und als das „Azolla-Ereignis“ in die Erdgeschichte einging. Damals war der Treib-haus-Effekt durch eine unheimlich grosse CO2-Konzentration in der Atmosphäre gigantisch. Das resultierte aus dem extremen Vulkanismus aufgrund des Auftreffens der Indischen auf die Eurasische Kontinental-platte und der Auffaltung des Himalayas. Dann nahm der Schwimmfarn seine Arbeit auf und machte die Erde wieder bewohnbar. Er überwucherte grosse Teile der arktischen Wasserfläche, nahm so viel Kohlendioxid auf, dass die Temperaturen sanken und das Klima in die „normalen“ Verhält-nisse des derzeitigen Eiszeitalters überging. Selbstverständlich geschah dies nicht von einem Tag auf den anderen sondern dauerte etwa 800.000 Jahre (Unteres Eozän bzw. Beginn des Oligozän). Höchste Zeit also, damit anzufangen.

Was aber hat es mit diesem Schwimmfarn auf sich? „Azolla filiculoides“ (so die lateinische Bezeichnung) gedeiht in stehenden oder langsam fliessenden Gewässern. Der deutsche Namen ist durchaus korrekt: Die Pflanze schwimmt im Wasser. Bei günstigen Bedingungen überwuchert die Wasserpflanze sehr rasch die Wasseroberfläche. Was bei Algen zu einem Problem wird, hat beim Schwimmfarn durchaus seine Vorteile. Pro Jahr und Hektar entzieht die Pflanze der Atmosphäre rund 2,5 Tonnen Stickstoff und 15 Tonnen CO2. Das kann kein Wald! Die Pflanze gedeiht am besten bei Temperaturen von rund 25 Grad Celsius, weshalb sie vornehmlich in tropischen und suptropischen Erdregionen angesiedelt ist. Doch überlebt sie durchaus auch zwischen 0 und 30 Grad. In manchen Ländern dient Azolla zudem als proteinreiche Futterpflanze.

Die Freie Universität Berlin nahm sich dieser Sache an und forscht seither auf wissenschaftlicher Ebene an diesem speziellen Farn. Nachdem damals die Pflanzen abgestorben waren, sanken sie auf den Grund der Gewässer und wurden dort sedimentiert. Bodenbohrungen v.a. im Arktischen Becken beweisen dies perfekt. Dort stiessen die Wissenschaftler auf eine rund acht Meter starke Schicht, in der sich kieselhaltige Sedimente mit Azolla-Schichten abwechseln. International vernetzen sich die Interessierten und Experten in der Azolla-Foundation, einer Plattform mit dem Zweck des Wissensaustausches.

Sedlmair hat für eine grössere Versuchsanordnung einen trocken-gefallenen Teich vom Besitzer zur Verfügung gestellt bekommen, der in zweierlei Hinsicht an diesem Experiment interessiert ist: Einerseits natürlich als Vorreiter vorangehen zu können und andererseits Bio-Futter für seine Hühner bekommen zu können. Sollte der Versuch gelingen, könnten in allen geeigneten Regionen dieser Welt künstliche Becken angelegt werden und damit dem Klimawandel auf natürliche und unge-fährliche Art und Weise entgegengetreten werden. Alle anderen Maß-nahmen wie etwa die Speicherung von CO2 in unterirdischen Lagern („Carbon Capture and Storage“) bergen noch unzählige Risken und Gefahren.

Wie aber funktioniert das Ganze? Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel werden für die Proteinbiosynthese, also dem Aufbau von Proteinen aus Aminosäuren, gebraucht. Dies wiederum ist wichtig für die rasche Vermehrung – innerhalb von nur zwei bis drei Tagen verdoppelt nahezu das Schwimmfarn seine Biomasse.

Wie aber überlebt nun diese Pflanze im Salzwasser? Der Arktische Ozean war im Eozän fast eigenständig und isoliert von den anderen Ozeanen – das Wasser wurde also nicht durchmischt – beispielsweise durch Tiefenströmungen oder Strome (ähnlich wie beim Schwarzen Meer). Durch die starke Verdunstung, die ebenso starken Regenfälle in dieser Region und die Einmündung zahlreicher Flüsse schwamm auf dem Salzwasser eine wenige Zentimeter dicke Schicht von Süsswasser („nepheloide Schicht“), da es eine niedrigere Dichte als das Salzwasser aufwies. Somit waren ausgezeichnete Bedingungen für die Azolla vorhanden, das durch die Flüsse in das Arktische Meer gespült wurde. Und die erledigte ihre Arbeit vorbildhaft. Der CO2-Gehalt in der Luft verringerte sich rapide, es kam zu einer Abkühlung der Meere und der Bildung des Antarktis-Eisschildes.

Auch die Niederlanden forschen intensiv über die Azolla. Allerdings aus einem anderen Grund: Sedimentierte Biomasse wird unter Abschluss und Druck zu Erdöl bzw. -gas.

Sollte Sedlmair also tatsächlich auf die Lösung des Gordischen Knotens „Klimawandel“ gestossen sein? Es wäre ihm zu wünschen – auch der damit einhergehende Reichtum. Schliesslich packt hier ein Jugendlicher selbst an, ohne nur auf die Missstände hinzuweisen, indem er sich auf die Strasse klebt. Und viel mehr freuen würde es mich, wenn ein Gymnasiast den Grossen dieser Welt vorgibt, wie es tatsächlich zu schaffen wäre!

Lesetipps:

.) Azolla & Cyanobacteria Nutrient Biomass; Debjani Halder/Shymal Kheroar; LAP Lambert Academy Publishing 2014

.) Azolla as a feed ingredient; Befikadu Zewdie; VDM Verlag Dr. Müller 2011

.) Azolla: Amazing Aquatic Fern; Waseem Raja; LAP Lambert Academy Publishing 2014

.) Azolla: an invasive fern in wetlands (Iran); Roghayeh Sadeghi; LAP Lambert Acaqdemy Piublishing 2016

.) Azolla: A Biofertilizer and Waste disposer; Kunja Satapathy/Pradeep Chand; VDM Verlag Dr. Müller 2010

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Hyaluronsäure – Wundermittel und Jungbrunnen?

Älter werden hat nicht nur Vorteile – da gibt es schon auch Nachteile, auf die so mancher gerne verzichten würde: Die Gelenkigkeit und Mobilität lassen zu wünschen übrig, der Rücken und die Gelenke schmerzen etc. Den Einen erwischt es dabei mehr als den Anderen – hängt von der allge-meinen Fitness des Körpers, aber auch der Ernährung ab. Allerdings können zudem ehemalige Leistungssportler ein Lied davon singen: Vom Raubbau an ihrem Körper! Jeder therapiert dies anders. Viele alsdann mit Hilfe der Pharmazie und Nahrungs-Ergänzungsmittel-Industrie. Doch sollte bei all den wundervoll klingenden Erfahrungsberichten und Ver-sprechungen eines nicht vergessen werden: In den meisten Präparaten ist schlichtweg die Konzentration zu gering – ansonsten wären sie ein medi-zinischen Produkt vor dessen Gebrauch ein Arzt konsultiert werden muss. Und so ganz nebenbei: Um einen Anti-Aging-Effekt zu bewirken, müssten täglich 200 bis 450 mg Hyaluronsäure mit viel Wasser einge-nommen werden, bei Gelenksentzündungen ab 400 mg – das ist recht viel! Somit ist vieles, das versprochen wird (obgleich „Gesundheits-versprechungen“ in diesem Zusammenhang nach EU-VO 1066/2013 nicht gemacht werden dürfen – deshalb beziehen sie sich auf die eingesetzten Zusatzstoffe wie Vitamin A oder C), wissenschaftlich nicht bewiesen, doch versetzt bekanntlicherweise der Glaube Berge!

Ich bin kürzlichst auf einen Werbefolder über die Regeneration des Gelenk-Verschleisses gestossen. Durch den Wirkkomplex von fünf unterschiedlichen Stoffen soll jedes Gelenk beinahe wieder jugendlich frisch, auf jeden Fall aber schmerzfrei werden, so war in diesem Prospekt zu lesen! Einer dieser Stoffe ist das auch aus der Kosmetik bekannte „Hyaluron“. Was steckt dahinter? Ist das der Jung-Macher, nach dem ganze Generationen gesucht haben? Was meinen die Mediziner zu diesen Wundermitteln? Lassen Sie uns heute mal Gesundheits-Aufklärung betreiben.

Seit Jahrhunderten sucht die Menschheit nach einem Mittel um das Altern zu stoppen oder gar rückgängig zu machen! Immer mal wieder tauchen dabei Wunderpräparate oder abstruse Kuren auf, die ebenso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, wie sie gekommen sind. Trotzdem boomt die (auch medizinische) Industrie des Jugendwahns. Falten werden mal da, mal dort mit Botulinumtoxin weggespritzt, bis das Gesicht zu einem deformierten Etwas, einer satanischen Fratze mutiert, die nurmehr einen einzigen Gesichtsausdruck kennt. Ähnlich ist es, wenn der Schönheitschirurg das Skalpell ansetzt. Ein Hohn, hierbei von „natürlichem Aussehen“ zu reden. Beispiele? Ich werde mich hüten, in diesen Zeilen Namen zu nennen. Blättern Sie doch ganz einfach mal in einem Lifestyle- oder Stars- und Sternchen-Magazin – auf den ersten 4-5 Seiten werden sie sicherlich mehrfach fündig werden.

Doch nun ins Eingemachte!

Karl Meyer und John Palmer haben bereits im Jahre 1934 die Hyaluron-säure chemisch isoliert. Erstmals tauchte sie aber wesentlich später in entsprechenden Präparaten auf – das war 1981. Gewonnen zuerst aus Hahnenkämmen, führte dies zu vielen Allergien, Deshalb werden diese seit 1997 industriell von Bakterien gewonnen. Ganz vegan, obgleich Hefe dabei eine wichtige Rolle spielt.

Die Hyaluronsäure ist ein Polysaccharid – also ein Mehrfachzucker. Sie kommt nahezu überall in unserem Körper vor: Bandscheiben, Knochen, Haut, Gelenke und Augen. Zucker bindet Wasser – 1g der Säure bindet nahezu sechs Liter Wasser. Deshalb ist diese gelartige Mischung zumeist dort zu finden, wo eine Schmierfunktion erforderlich ist: Gelenke oder auch das Bindegewebe der Haut. Daneben kommt der Verbindung eine entscheidende Rolle bei der Zellteilung, den Prozessen im Gehirn und dem Glaskörper der Augen sowie im Stoffwechsel zu, auf die ich hier nicht weiter im Detail eingehen möchte.

Der Experte unterscheidet drei Formen der Hyaluronsäure:

  • Die Langkettige (Hochmolekulare)

Diese wird vornehmlich in Gelenken eingesetzt. Ein wichtiger Bestandteil eines jeden Gelenks ist der Knorpel. Die langkettige Hyaluronsäure bindet sich direkt an den Knorpel an und verleiht dadurch dem Gelenk eine verbesserte Gleitfähigkeit. Nachteile: Sie wirkt nur kurzfristig und kann bestehende Entzündungen sogar noch verstärken, weshalb sie zumeist präventiv eingesetzt wird. In der Kosmetik werden die Langkettigen vor-nehmlich für einen Feuchtigkeitsfilm verwendet, der die Hautbarriere unterstützt.

  • Die Kurzkettige (Niedermolekulare)

Sie wird direkt in entzündete Gelenke (bei etwa Arthrose) gespritzt, da sie für einen Rückgang der Entzündung, sowie der Schwellungen und Schmerzen sorgt. In der Kosmetik wird die kurzkettige Hyaluronsäure vornehmlich gegen Falten verwendet – sie dringt aufgrund der niedrigeren Molekülmasse tief ein und lagert sich im Bindegewebe ab.

  • Die Oligo-Hyaluronsäure

Diese Ketten sind noch kürzer und somit offensichtlich effektiver. Aller-dings auch wesentlich teurer! Derzeit findet man sie nur in hochpreisigen Kosmetik-Artikeln.

Weshalb es nun vor allem die Kosmetik auf die Hyaluronsäure abgesehen hat, dürfte am Natriumhyaluronat liegen. Dieses ist ein Bestandteil der Hyaluronsäure. Daneben natürlich auch am gebundenen Wasser. Es verleiht der Haut mehr Feuchtigkeit und dadurch alsdann eine Straffung. Das erklärt den Einsatz gegen Knitter-Falten, Akne-Narben, Hänge-backen, Augenringe und Tränensäcke, für schönere Lippen und straffere Brüste oder Gesäss. Im Gegensatz zur Botulinumtoxin-Unterspritzung soll eine solche mit Hyaluronsäure sofort wirken und keine der bekannten Nebenwirkungen aufweisen. Da die Säure aber nach und nach abgebaut wird, muss die Behandlung trotz bis zu drei Nachspritzungen innerhalb von ein bis zwei Wochen nach spätestens 12 bis 18 Monaten wiederholt werden, manche Ärzte emfpehlen eine Wiederholung bereits nach vier bis sechs Monaten. Und wichtig: Von einem entsprechend geschulten Arzt wie einem Dermatologen oder Chirurgen! Gelangt nämlich das Präparat in eine Vene oder Ader, so kann diese absterben oder eine Hirnembolie ausgelöst werden, die zum Schlaganfall führen kann. Der Mediziner gibt im Vorgespräch auch Tipps, was zuvor getan und abgesetzt werden muss und wie nach der Behandlung die entsprechende Stelle massiert wird um Unebenheiten zu vermeiden. Allerdings kostet eine solche kosmetische Therapie je nach Aufwand ab 200,- Euro aufwärts, die im Normalfall nicht von der Krankenkasse übernommen wird. Niemals in Kosmetik-Studios durchführen lassen, auch wenn sie mit wesentlich günstigeren Preisen werben. Apropos: Die Behandlung ist auch medizinisch bei der Wund-heilung sinnvoll. Daneben erfolgt der Einsatz von Hyaluron-Säure etwa bei Arthrose, Gelenksentzündungen, Po-Vergrösserungen, Schlupfwarzen oder gar der Vergrösserung des G-Punktes.

Die körpereigene Produktion der Hyaluronsäure sinkt bereits ab dem 25. Lebensjahr kontinuierlich, bis etwa zum 60. Lebensjahr nurmehr rund 10 % der jugendlichen Produktion erzielt werden. Dadurch verliert nicht nur das Bindegewebe der Haut die Spannkraft, die Beweglichkeit der Gelenke wird eingeschränkt und die Augen trocknen rascher aus, was sich in der Sehkraft auswirkt. Ausserdem sorgen Nikotin, Alkohol, Stress, Schlaf-mangel aber auch die UV-Strahlung für eine raschere Abnahme des Hyaluron-Haushaltes. Studien haben hingegen ergeben, dass das weibliche Sexualhormon Östrogen positiv auf Hyaluron wirkt, da Zink und Magnesium besser verarbeitet werden.

Von einer Hyaluron-Therapie sollten Sie Abstand nehmen, wenn sie blutverdünnende Medikamente benötigen, unter einer Autoimmun-krankheit leiden oder Hautentzündungen behandeln müssen. Ärzte empfehlen auch in der Schwangerschaft von einer Verwendung abzu-sehen.

Hyaluron ist in vielen straffenden Cremes, feuchtigkeitsspendenden Salben aber auch Augentropfen und Nasensprays enthalten, da sie die Schleimhäute unterstützen und feucht halten. Bei allen anderen Anwendungsarten wie Kapseln, Tabletten, Trinkampullen, Pulver etc. sollte zurecht an der Wirksamkeit gezweifelt werden, da einerseits (wie bereits angesprochen) die Dosierung zu gering ist und andererseits der Verdauungstrakt mit der Magensäure überwunden werden muss. Wieviel und wie lange solche Wundermittel eingenommen werden müssen, damit ein möglicher Effekt erfolgt, ist deshalb umstritten.

Bevor Sie Unsummen von Euros ausgeben (Stiftung Warentest 10/2022: „… teuer und überflüssig!“), zuletzt noch einige Tipps, wo die Hyaluron-säure von Natur aus vorkommt:

  • Petersilie und Pfeffer
  • Eier
  • (Süss-)Kartoffeln
  • Bananen
  • Blatt- und Wurzelgemüse
  • Erbsen
  • Soja
  • Beeren

Die körpereigene Produktion der Hyaluronsäure kann alsdann durch den Verzehr von Vitamin C-haltigem Obst und Gemüse wie Brokkoli, Rosen- und Grünkohl, Paprika, Orangen und auch Erdbeeren angekurbelt werden!

Bleiben Sie gesund!

Lesetipps:

.) Hyaluronan – Structure, Biology and Biotechnology; Alberto Passi; Springer Verlag 2023

.) Dermatologie und medizinische Kosmetik – Leitfaden für die kosme-tische Praxis; Konrad Herrmann/Ute Trinkkeller; Springer Verlag GmbH 2020

.) Minimalinvasive nichtoperative Methoden in der Gesichtsästhetik; Hrsg.: Wolfgang Funk/Hans-Robert Metelmann; Springer Verlag GmbH 2020

.) Präventionsmedizin und Anti-Aging-Medizin; Hrsg.: Bernd Kleine-Gunk/Alfred Wolf; Springer Verlag GmbH 2022

.) EFSA-Journal 2012 10 (7)

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Der Hund – des Menschen bester Freund

WARNUNG:

Dieser Inhalt und v.a. die in den angeführten Videos enthaltenen Bilder sind nicht für jedermann geeignet – sie können zu schwerwiegenden psychischen Störungen führen!

In vielen Kulturkreisen ist der Hund gemeinsam mit der Katze das beliebteste Haustier. Und so mancher Hundehalter würde mehr auf seinen Vierbeiner geben, als auf so viele Menschen. Hat sich Ihnen jemals schon die Frage gestellt: Wie schmeckt er wohl? Kann ich ihn denn auch essen? Ich für mich kann die Frage ganz eindeutig beantworten: Nein – niemals!!! Der Mensch züchtet Nutztiere, die seiner Fleischeslust zum Opfer fallen. Andere Tiere wie Hunde oder Katzen, die sog. „Heimtiere“ hingegen haben nach meiner Meinung nichts in den Bratpfannen oder Töpfen zu suchen! Wer beispielsweise Insekten essen will – bitte soll er. In unseren Breitengraden werden sie eigens ernährungsgerecht gezüchtet. Angeblich sollen sie ja aufgrund des enthaltenen Proteins sehr gesund sein. Doch hört dieser Spass mit den höher entwickelten Wirbeltieren auf. Zumindest in unserer sog. zivilisierten Welt!

„Der Mensch ist, was er isst!“

(Ludwig Feuerbach)

Nicht, dass Sie mich nun falsch verstehen – andere Kultur, andere Sitten! Doch bin ich dafür, dass zumindest hierüber aufgeklärt und möglicher-weise diskutiert werden sollte. Im Westen ist der Hundemissbrauch, das Schlachten und der Handel mit Hundefleisch bei Strafandrohung lt. Tier-schutz- bzw. Lebensmittelgesetz verboten.

In China leben nach groben Schätzungen rund 130 Millionen Hunde. Ich hörte erstmals vom Hundefleischfestival im Radio, als so ganz nebenbei über die Traditionen der Sonnwendfeiern berichtet wurde. In der Stadt Yulin in der südchinesischen Provinz Guangxi werden jedes Jahr zur Sommer-Sonnenwende tausende Hunde und Katzen geschlachtet und verzehrt. Bei vielen erspart man sich gar das Schlachten: Sie werden bei lebendigem Leib wie ein Hummer gekocht. Ein grauenvolles Prozedere selbstverständlich für die Tiere selbst, aber auch für alle Tierfreunde und im Speziellen allen Katzen- und Hundeliebhabern.

Die Regierung in Peking distanziert sich inzwischen von diesem Festival in Yulin. In einer Verordnung vom Mai 2020 ist der Verkauf von Hunden oder Hundefleisch zum Verzehr gar verboten. Doch seien es private Organisatoren, die diese Veranstaltung ausrichten. Dennoch wird nichts Triftiges dagegen unternommen. Die Befürworter des blutrünstigen Spek-takels rechtfertigen dies mit dem Hinweis auf alte Traditionen. Ausser-dem mache es keinen Unterschied ob Hund, Katze, Schwein oder Rind.

Eine Tradition ist dieses Abschlachten beileibe nicht, kam doch die Unsitte vor erst 14 Jahren anno 2009 auf. Es war ein Marketing-Gag der Schlachtereien um das Geschäft anzukurbeln. Durchaus gelungen, resul-tierte das Ganze einerseits aus der Armut der Bevölkerung, die sich ansonsten kein Fleisch leisten konnte, als auch dem Aberglauben, dass der Verzehr von Hundefleisch Glück und besonders viel Kraft bringe. Meist werden die Tiere mit Keulen erschlagen, bei lebendigem Leib gehäutet, gekocht oder verbrannt. Dadurch wird Adrenalin freigesetzt, durch das sich viele Chinesen eine Potenzsteigerung erwarten. Das jedoch denkt sich alsdann ein Kannibale, der mit dem Verspeisen seines Kontrahenten auch dessen positiven Eigenschaften aufnehmen möchte. Für den Getöteten und anschliessend Verspeisten also perversester Weise durchaus als Ehre anzusehen.

Inzwischen jedoch hat sich in China sehr viel getan. Immer mehr Ein-wohner geniessen eine Schulbildung. Zudem sind deren Lebensumstände in den meisten Provinzen verbessert worden – die Armut gilt seit 2020 als staatlich abgeschafft. Damit können sich mehr Menschen Essen leisten (wenn auch nicht unbedingt regelmässig Fleisch) und bekommen in der Schule vermittelt, dass das Fleisch, das für den menschlichen Appetit gedacht ist, gewissen hygienischen Grundvoraussetzungen entsprechen muss, damit Mensch bei dessen Verzehr nicht selbst krank wird. Hunde oder Katzen, die in den Strassen der Stadt gefangen werden und dann tage- ja wochenlang in den winzigen Käfigen eingepfercht dahinvege-tieren, erfüllen diese gesundheitlichen Standards keineswegs. Viele sind krank – manche leiden an der für den Menschen ebenfalls gefährlichen Tollwut. Immerhin sterben in China jährlich nach wie vor rund 2000 Menschen an dieser gefährlichen Krankheit – weltweit ist es ein Todesfall alle zehn Minuten. Die zuvor erwähnte Verordnung wurde allerdings nicht aus Tierschutzgründen erlassen – die Regierung wollte dadurch verhindern, dass sich CoVID-19 auf diese Art weiterverbreitet, schliess-lich nahm die Pandemie auf einem Wildtiermarkt in Wuhan seinen Anfang. Verkauft wurde dies offiziell als „Geist der menschlichen Zivilisation“. Doch hielt sich niemand daran! Für Gesetzesbrecher drohte etwa in Shenzhen übrigens eine Strafe von 150.000 Yuan – allerdings zu Corona-zeiten. Seit dem Ausbruch der Pandemie sollte auch in China Schlachtvieh tierärztlich vor und nach der Schlachtung begutachtet werden. Doch sind die „Händler“ und Fürsprecher der Meinung, dass das Fleisch umso besser schmecke, je mehr diese armen Geschöpfe gequält werden.

In den anderen Regionen Chinas schaut man angewidert auf Guangxi. In grossen Teilen des riesigen Landes geht es vornehmlich darum, sich westlichen Sitten unterzuordnen. Manche sprechen von „zivilisiert“, doch stimmt das vielfach auch in der vermeintlich zivilisierten, westlichen Welt nicht. Die Regierung hat sogar ganz offiziell den Verzehr von Hunde-fleisch in Speiselokalen verboten. Alsdann ist es nicht auf den offiziellen Speisekarten zu finden – auf den inoffiziellen hingegen sehr wohl. Trotz-dem – bevor nun ein falscher Eindruck entsteht: Weniger als 20 % der Chinesen haben schon Hundefleisch gegessen – vornehmlich angeboten wird es in indonesischen oder koreanischen Lokalen. Mit Litschis und Likör.

Fairerweise sei erwähnt, dass Südkorea im November 2021 Hundefleisch verboten hat, obgleich es hier tatsächlich eine jahrhundertealte Tradition ist.

In China riskieren Tierschutzaktivisten, wie etwa Dr. Peter Li, der von Humane Society International unterstützt wird, jedes Jahr ihr Leben bei der Freilassung zuvor eingefangener Hunde und Katzen. Schliesslich sind die unter grauenvollsten Umständen zu Tode verurteilten Tiere das Kapital der Fänger und Händler. Sie kennen im Kampf um ihr Geschäft kein Pardon. Den wenigen befreiten Tieren stehen hunderte bzw. tausende gegenüber, die weniger Glück hatten. Sie werden vergiftet, zu Tode geschlagen oder bei lebendigem Leib gekocht oder gebraten. So können sie am Markt erstanden werden. Ein unvorstellbares Martyrium für die Vierbeiner, deren Haltung eigentlich ganz andere Zwecke erfüllen soll. Gemeinsam mit der Pekinger Organisation gegen Tierquälerei Duo Duo übergab Li alleine im Jahr 2016 elf Millionen Unterschriften von Menschen aus der ganzen Welt an die Regierung. Damals sagte die Stadtführung von Yulin zu, dem Treiben schon sehr bald ein Ende setzen zu wollen. Erste Erfolgsmeldungen gab es alsdann im folgenden Mai von den beiden Organisationen Duo Duo und Humane Society International, wonach verkündet wurde, dass es dieses ekelerregende Festival 2017 nicht mehr geben werde. Dennoch fand das Hundefleisch-Fest wie jedes Jahr erneut statt – auch heuer vom 21. bis 30. Juni. Die Behörden argumentieren damit, dass die Kontrolle der Einhaltung eines Verbotes nicht machbar wäre. Schon vor einigen Jahren wurde ein Übereinkommen zwischen Behörden und Händler getroffen, dass nicht mehr als zwei Hundekadaver pro Markt-Stand angeboten werden durften. Freilich hielt sich niemand daran. Weit mehr als 10.000 Tiere wurden auf das Grauen-vollste massakriert. Die Polizei war zwar vorort, hielt sich jedoch nach Angaben der Presseagentur AFP aus allem heraus. Nach unbestätigten Schätzungen werden jedes Jahr zehn Millionen Hunde und vier Millionen Katzen in China verspeist. Der Handel blüht, da die Gewinnspanne der Jäger enorm ist. Sie ziehen von Dorf zu Dorf und fangen die Hunde entweder ein oder schiessen sie mit Giftpfeilen ab. Das Fleisch wird dadurch jedoch in seiner Qualität stark beeinträchtigt, was allerdings in Kauf genommen wird. Der Diebstahl oder das Einsammeln der Vierbeiner auf der Strasse ist zwar verboten – dennoch gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter. Wen also interessiert’s?!

Nahezu jedes Jahr treten im Reich der Mitte neue Varianten der Afrikanischen Schweinepest auf, die die Schweine- und Rinderindustrie sehr stark in Mitleidenschaft ziehen! Hunde- und Katzenfleisch ist wesentlich günstiger als Fleisch von normalem Schlachtvieh. Dennoch nimmt die Kritik langsam zu. Bei einer Kontrolle in einem Hof in Lu’an in der Provinz Anhui wurden vor noch gar nicht allzu langer Zeit sechs riesige Tanks entdeckt. Der Inhalt war grauenvoll: Mariniertes Hunde-fleisch – ganze 6,2 Tonnen! Ein ähnliches Ergebnis ergab eine weitere Razzia bei einem ebenfalls nicht-genehmigten Hundeschlachter in derselben Stadt. Dieser bot noch zusätzlich Schildkrötenfleisch und Fasane an.

Nicht nur das Hundefleisch ist heiss begehrt, auch die Häute bzw. das Fell der Vierbeiner wird verarbeitet: Zumeist als Leder für Schuhe, Handschuhe, Gürtel etc., die Felle als Sitzbezüge, Fussmatten und sonstiges. Besonders beliebt sind dabei Deutsche Doggen, Bernhardiner und Rottweiler. Sie werden zumeist bei lebendigem Leib auf Haken auf-gespiesst. Danach wird das Fell abgezogen und erst dann die Kehle durchgeschnitten. Pro Schlachtbetrieb rund 200 Tiere pro Tag.

Tierschützer gehen deshalb Jahr für Jahr nach Yulin um Tiere aufzukaufen und dadurch deren Leben zu retten. Tierschutzorganisationen warnen jedoch: Das treibt die Preise in die Höhe. Das Abschlachten wird also so lange weitergehen, bis der Lebendverkauf lukrativer wird. Doch wird diese Tortur für die Tiere auch dann bestehen bleiben, wenngleich sie das nicht mit einem qualvollen Tod bezahlen müssen.

Für mich ist es ein Greuel auch nur an den Verzehr von Hundefleisch zu denken. Unsere Hunde zählten für mich stets als Familienmitglieder – ebenso wie eine Katze. Somit kam ich auch nie in die Versuchung, es mal ausprobieren zu wollen, obgleich ich als Kind von der Existenz eines Hundeschlachters in meinem Bundesland erfuhr. Auch zu Zeiten des ersten Weltkrieges fand man diese Metzger in vielen Städten – etwa in München. Erst 2010 schob das Gesetz mit der Tierischen-Lebensmittel-Hygieneverordnung (Tier-LMHV § 22 Abs. 1a) in deutschen Landen einen Riegel vor. Obgleich noch 2013 in Wien ein Hundeschlachter sein Geschäft eröffnete, ist in Österreich dies ebenfalls inzwischen durch das Tierschutzgesetz (§ 6 Abs. 2) verboten. In der Schweiz soll so mancher Bauer grosse Stücke vom Hundefleisch halten! Hier untersagt die Verordnung des EDI über Lebensmittel tierischer Herkunft nur den „kommerziellen Verkehr; Gewinnung und Verzehr für den Eigengebrauch sind zulässig“! Übrigens hätte Roald Amudsen 1912 niemals den Südpol erreicht, hätte er nicht nach und nach seine Hunde aufgegessen.

Doch gebe ich auch dem eingangs zitierten Feuerbach durchaus recht: Der Mensch wird mit und durch seine Essgewohnheiten immer primitiver. Feuerbach war ein deutscher Philosoph, der sich vornehmlich mit seiner Religionskritik hervor tat.

Nicht zuletzt deshalb habe ich eine Online-Petition unterschrieben.

https://action.hsi.org/ea-action/action?ea.client.id=104&ea.campaign.id=32130&ea.tracking.id=website_dogmeat&_ga=2.268662902.643325226.1498467323-391205414.1495714019

Sollten auch Sie dies in welcher Form auch immer machen wollen, dann suchen Sie sich bitte eine Organisation aus, die an das heimische Datenschutzrecht gebunden ist und somit bei Missbrauch der Daten belangt werden kann. Auch ich könnte beispielsweise eine Online-Petition zur doppelseitigen Verwendung von Papier starten und die Daten weiterverkaufen. Schliesslich laufen die meisten Online-Petitionen über US-amerikanische Rechner, die sich einen feuchten Dreck um heimisches Datenschutzrecht kümmern – und zudem gehen die Daten nach China! In ein Land, das für seine Hacker-Angriffe berüchtigt ist.

Abschliessend möchte ich einen Denkansatz der beiden Organisationen Peta und Verein gegen Tierfabriken nicht unerwähnt lassen: Beide verurteilen zwar das Hundefleischfestival von Yulin, betonen aber, dass auch bei uns Kühe, Schweine und Geflügel unter ebenso unerhörten Umständen gehalten und geschlachtet werden!

Filmtipps:

.) https://video.vice.com/de/video/dog-days-of-yulin/560a7ff9d1f8d8de6d275faf

.) https://www.nbcnews.com/video/chinese-city-preparing-for-annual-dog-meat-festival-709224515640

Lesetipps:

.) Hunde essen, Hunde lieben – Die Tabugeschichte des Hundeverzehrs und das erstaunliche Kapitel deutscher Hundeliebe; Rüdiger von Chamier; Tectum Verlag 2017

.) Wohlgeschmack und Widerwillen: Die Rätsel der Nahrungstabus; Marvin Harris; Klett-Cotta 1990

.) Hund und Mensch: die Geschichte einer Beziehung; Erhard Oeser; Primus Verlag 2004

.) Hunde – Menschen – Artefakte – Gedenkschrift für Gretel Galley; Hrsg.: B. Ramminger/H. Lasch; Studia honoraria Bd. 32 2012

.) Auf den Hund gekommen? Natur- und Kulturgeschichte des Hundes; Hrsg: Bianca Knoche/Alfred Hendricks; Westfälisches Museum f. Naturkunde 2001

.) Ethik des Essens. Einführung in die Gastrosophie; Harald Lemke; Akademie Verlag 2007

Links:

– www.hsi.org

– www.duoduoproject.org

– fightdogmeat.com

– www.caaws.org

– www.vier-pfoten.at

– www.peta.de

– www.animalsasia.org

– animalpeoplenews.org/

– www.epikur-journal.at

– www.dge.de

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Government-Shutdown – Nichts geht mehr

Man möchte es nicht glauben, doch kommt es so sicher wie das Amen im Gebet: Das Damoklesschwert des Government-Shutdowns in den USA! Bereits im Januar des laufenden Jahres hatte die noch-grösste Volks-wirtschaft der Welt die selbst auferlegte Schuldenobergrenze von 31,4 Billionen US-Dollar erreicht. Durch einige Notfall-Massnahmen des Finanzministeriums, zu welchen etwa auch das Aussetzen der Zahlungen in staatliche Pensionsfonds zählt, kann das öffentliche Leben weitergehen und die Biden-Regierung weiterarbeiten. Bis vorerst zum 5. Juni! Nach zähen Verhandlungen der regierenden Demokraten und der oppositio-nellen Republikaner konnte es 2023 jedoch vermieden werden – der Kongress stimmte einem Aussetzen der Grenze bis 2025 zu. Gar nicht so einfach, haben doch im Senat die Demokraten eine knappe Mehrheit, im Repräsentantenhaus die Republikaner. US-Präsident Biden hat sich aller-dings verpflichtet, vier Billionen einzusparen. Im kommenden Jahr wird ohnedies neu gewählt. Der Government-Shutdown hat sich inzwischen zum Politikum entwickelt. Doch – was steckt wirklich dahinter – ein geschichtlicher Rückblick mit Schwerpunkt auf den letzten Trump-Shut-down?

31.400.000.000.000 $ – eine unglaubliche Zahl, umgerechnet 29 Billionen Euro – bis zu dieser bisher geltenden Grenze können die USA Ausgaben machen – Zinsen alter Kredite tilgen, Personal bezahlen, Rüstungsgüter anschaffen, … Ist diese Grenze jedoch erreicht, muss der Kongress einer Erhöhung derselben zustimmen. Dies nutzt vornehmlich die Opposition um Forderungen als Sparmassnahmen durchzusetzen. Heuer sind es etwa Kürzungen im Gesundheitswesen bzw. bei den Sozialen Diensten. Stellt sich der Kongress quer, droht die Zahlungs-unfähigkeit des Staates. Dies kann gar soweit gehen, dass die Kredit-würdigkeit der USA herabgestuft wird – wie etwa 2011 bei der Haushalts-krise unter der Regierung Obamas. Unter der Regierung Trump wurde diese Grenze für zwei Jahre ausgesetzt – obwohl Trump ja mit dem Versprechen angetreten ist, die Schulden des Landes zu verkleinern. Ab August 2021 wurde die Schuldenobergrenze wieder auf 28,4 Billionen Dollar festgelegt.

Apropos Trump: Während seiner Regierung kam es zum längsten Shut-Down in der Geschichte der USA – 35 Tage! Die Demokraten blockierten Gelder für den Mauerbau, Trump verweigerte alsdann seine Unterschrift unter das Budget. Erst als Trump die Gelder aus dem Militärbudget abzog, willigten auch die Demokraten ein.

„We have to build the wall!“

(Donald Trump)

Das Weihnachtsfest 2018 war irgendwie anders als die Jahre zuvor. Zumindest in den USA! Seit mehreren Wochen wollte der US-Präsident Donald Trump seine Mauer zu Mexiko durchsetzen ind widersetzte sich. Für seine Parteikollegen nichts neues, vollzogen sie doch in regel-mässigen Abständen diesen Schritt unter demokratischer Präsidentschaft. Doch dieses Mal war die Ausgangssituation eine gänzlichst andere: Die Reps waren in der Regierung! Mr. Trump wollte damit – wie übrigens alle populistischen Regenten, gleichgültig ob rechts oder links – sein Monument durchsetzen. Das Lebenswerk, das ihn bleibend in die Geschichtsbücher hätte bringen sollen: The Wall! Ansonsten würde bei ihm wohl nur der kurze Vermerk zu lesen sein: Der höchstwahrscheinlich schrillste, konfuseste und unprofessionellste „Politiker“, der die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit anführte. Mehr als fünf Milliarden sollte diese nicht überwindbare Mauer kosten. Er rechtfertigte den Gigantismus mit dem Kampf gegen den Terror. Es könnten unter den Illegalen auch Terroristen dabei sein. Dies aber wies der ehemalige Chef des nationalen Anti-Terror-Centers, Nick Rasmussen, in einem TV-Interview auf NBC zurück: Es sei höchst unwahrscheinlich. Sie gelangen normalerweise ganz legal mit Visa in die USA – und bleiben einfach dort – auch nach Ablauf des Visums. So beispielsweise auch die Attentäter von 9/11. Aus Mexiko kommend wurden im Jahr 2018 gerade mal 12 Personen wegen Terrorverdachtes festgenommen. Und die vielen Drogen aus Lateinamerika gelangen vornehmlich über die Häfen in’s Land. Wofür also diese Mauer???

Später zeigte sich Mr. President auch mit einer „Mauer“ aus Stahldraht zufrieden.

„Es wird eine Stahlgrenze werden, und das wird uns große Stärke verleihen.“

(Donald Trump)

Damit wollte er wohl die Stahlindustrie der USA ankurbeln – mit chinesischem Billigstahl würde sie höchstwahrscheinlich günstiger kommen. Fragt sich nur, weshalb Mr. Trump so lange auf die Mauer bestanden hatte, wenn die Stahlgrenze eine „große Stärke“ bringen würde. Die Demokraten – und schliesslich auch viele Republikaner – sprachen sich durchaus zurecht dagegen aus. Ebenso übrigens die Mehrheit der Bevölkerung, wie die unterschiedlichsten Umfragen immer wieder zeigen.

Viele der Leser dieser Zeilen werden sich wohl noch an den Eisernen Vor-hang erinnern können. Das Bollwerk des Kommunismus gegen den Satan, den Kapitalismus. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion errichteten alle verfügbaren Arbeitskräfte am 13. August 1961 in Berlin die Mauer und setzten damit den Anfang der Abschottung des Ostens vom Westen. An allen anderen Teilen des Ostens übrigens zumeist eine Demarkations-linie: Stacheldraht mit Tretminen, Selbstschuss-Anlagen, ständigen Patrouillen etc. Am 09. November 1989 riss schliesslich die Ostbe-völkerung selbst diesen Schutzwall nieder. Auch Donald Trump hätte damit den Kontinent Nordamerika mit Lateinamerika (Mittel- und Südamerika) geteilt. Zudem müssten viele Grundbesitzer zwangsent-eignet werden, da grosse Teile dieser Wall über deren Grundstücke verlaufen wären. Dabei ist ihm offenbar völlig gleichgültig gewesen, was die Anderen dazu meinten. Der bekannte Rapper Snoop Dog (80 Millionen Follower auf Instagram, 44 auf Facebook, 20,8 auf Twitter) etwa äusserte sich dazu:

„Wer Trump wählt, ist ein dummer Mother***!“

Im Speziellen hat es Snoop Dog dabei auf den partiellen Government-Shutdown abgesehen. Schliesslich werden hunderttausende Menschen, die ansonsten im Sold des Staates stehen, während dieser Haushalts-sperre nicht bezahlt. Sollten sie nach alledem nochmals Trump wählen, so seien sie „Mother***“, so der millionenschwere Musiker damals.

Shutdown bedeutet die Stilllegung der Mehrheit der Behörden und Ämter sowie sonstiger Einrichtungen, die im Bundesbesitz sind, wie etwa Museen, Sehenswürdigkeiten oder historischer Stätten, auch des Capitols. 380.000 Menschen wurden dadurch 2019 in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt. Etwa dieselbe Anzahl muss weiterarbeiten – allerdings vorerst unbezahlt! Erst nach einer politischen Einigung erhalten zweitere ihr Gehalt nachbezahlt. Und Trump hatte ja damals damit gedroht, dass dieser Shutdown noch monate-, ja sogar jahrelang hätte weitergehen können – sollte er seine Mauer nicht erhalten. Dabei gibt es eine solche Grenze ja bereits. 19.000 Meilen – grossteils befestigt – werden rund um die Uhr von der United States Border Patrol bewacht, damit keine illegalen Einwanderer die grüne Grenze passieren. 11.000 teils schwer bewaffnete Mitarbeiter zu Luft, Wasser und natürlich zu Land. Sie sind der Homeland Security unterstellt. Einer Behörde, mit der auch viele US-Amerikaner nichts zu tun haben möchten. Auch die Nationalgarde stand lange Zeit in einer Stärke von 6.000 Mann seit 2006 zur Sicherung an der Grenze.

Aber zurück zum Shutdown. Eine wahnwitzige Idee wird auf dem Rücken der Regierungsbeamten ausgetragen. Eine Journalistin befragte 2019 hierzu den US-Präsidenten, ob er denn die Lage der Beamten nachvoll-ziehen könne. Er antwortete:

„I can relate!“

Ob er’s tatsächlich konnte, darf jedoch bezweifelt werden. War er doch aufgrund seines Vaters bereits im Alter von acht Jahren Millionär. Viele der Zwangsbeurlaubten leben jedoch stets von einem Monatsgehalt auf das nächste, sind also wirtschaftlich davon abhängig. Immer mehr der 55.000 TSA-Sicherheitsbeamten an den Flughäfen des Landes melden sich beispielsweise krank, um mit Gelegenheitsjobs doch noch die Miete für den Monat bezahlen zu können. Sie sind für die Pass- und Gepäcks-kontrollen zuständig.

Und der letzte Shutdown kostet richtig viel Geld – zu einer mehr als ungünstigen Zeit. So kam die Konjunktur gerade wieder in’s Laufen, der Dow Jones hat sich alsdann eingependelt, das in Rambo-Manier getätigte wirtschaftliche Vorgehen Trumps gegenüber China und Europa wurde durch Verhandlungsmarathone der Biden-Regierung wieder halbwegs hergestellt. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s bezifferte den volks-wirtschaftlichen Schaden des bislang zweitlängsten Shutdowns im Jahr 2013 (16 Tage) mit rund 24 Milliarden US-Dollar. Zudem musste das Bruttoinlandsprodukt BIP aufgrund der ausgefallenen Arbeitstage um 0,6 % reduziert werden. Stehen die Ämter wie beispielsweise die Steuer-behörde IRS still, gibt es auch keine Genehmigungen, Aufträge, Auszahlungen für die Wirtschaft und Privatpersonen. 16.000 (von 19.000) Parkranger wurden zum Beispiel nach Hause geschickt – neben zahlreichen Verwüstungen gab es auch bereits drei Todesfälle, die möglicherweise hätten vermieden werden können. Somit kommt also nicht nur die öffentliche Verwaltung, sondern auch Teile der Wirtschaft zum Stillstand. Damit dürfte also der volkswirtschaftliche Schaden dieses 2019-Shutdowns bereits das Mehrfache dieser 5,6 Mauer-Milliarden aus-gemacht haben.

Shutdowns gab es in der Vergangenheit immer dann, wenn sich Senat, Repräsentantenhaus und der Präsident nicht über das Budget einig waren. Im Jahr 1884 wurde dieser „Antideficiency Act“ eingeführt. In den USA beginnt das neue Haushaltsjahr stets mit dem 1. Oktober. Bis zu diesem Termin muss der Kongress den Bundeshaushalt für das folgende Jahr beschliessen. Der Präsident besitzt jedoch ein aufschiebendes Vetorecht. Nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Kongresskammern kann dieses Veto überstimmen. Somit waren also auch die Republikaner und nicht nur Donald Trump für diesen Shutdown verantwortlich zu machen. Nachdem kein neues Haushaltsbewilligungsgesetz beschlossen wurde, kam es zum Shutdown. Ausgenommen sind von dieser Stilllegung seit dem Jahr 1982 nur jene Teile der Behörden, die für die Sicherheit von Menschenleben und dem Schutz von Eigentum zu sorgen haben (Polizei, FBI, Rettungsdienste, uniformiertes Militär, …). Alle anderen werden – sofern sie keine unerlässliche Position (essential service) in ihrer Abteilung haben, nach Hause geschickt. Die Abgeordneten des Kongresses werden hingegen weiterbezahlt (27. Verfassungszusatz – da sie für die Legis-laturperiode gewählt wurden und nicht vom Jahreshaushalt abhängig sind).

Seit dem Jahr 1976 gab es bis 2023 insgesamt 21 Shutdowns – vier davon für nur jeweils einen Tag. Während sechs Shutdowns unter den Präsi-denten Ford und Carter nur geringe Teile der Verwaltung betrafen, waren jene unter Reagan, Bush, Clinton, Obama und schliesslich Trump kom-plette Shutdowns. Den bislang längsten gab es unter Bill Clinton vom 16. Dezember 1995 bis zum 06. Januar 1996 – er ist nach jenem aus 2019 auf Platz zwei zurückgefallen. Der wohl kurioseste war jener von 20. bis 23. November 1981. Der republikanische Präsident Ronald Reagan hatte ein Sparbudget gefordert. Der Senat (republikanisch dominiert) kam diesem Wunsch nach, das von den Demokraten geführte Repräsentanten-haus jedoch nicht, da hier wesentlich höhere Kürzungen gefordert wurden. Der vorgelegte Kompromiss lag jedoch zwei Milliarden über den Vorstellungen Reagans, womit dieser seine Unterschrift verweigerte. Reagan hatte aber grundsätzlich Probleme: Mit Ausnahme der Jahre 1985, 1988 und 1989 gab es diesen Shutdown jährlich, in den Jahren 1982 und 1984 gar jeweils zweimal. Gleich dahinter folgt mit fünfmal Jimmy Carter. Diese Shutdowns sind gleichwohl interessant, schliesslich hatten die Demokraten in seiner Amtszeit die Mehrheit in beiden Häusern und stellten den Präsidenten. Es waren somit innerparteiliche Querelen, die auf diese Art ausgetragen wurden. Und dann Donald Trump mit dreimal – innerhalb nur eines Jahres!

Das US-amerikanische Budget beläuft sich bei den Ausgaben 2023 auf 1,7 Billionen US-Dollar. Mit 858 Milliarden erhält das Verteidigungs-ministerium den grössten Batzen, gefolgt mit 138 Milliarden vom Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste, sowie mit 135 Milliarden vom Kriegsveteranenministerium.

Biden bot an, über die kommenden 10 Jahre das Haushaltsdefizit der USA um weitere 1 Billion Dollar zu reduzieren – zusätzlich zu seinem Ziel von 3 Billionen. Alsdann soll das Ausgabenniveau für zwei Jahre eingefroren werden. Ein Streitpunkt sind Steuern bzw. höhere Steuern für reiche und grosse Unternehmen – Biden will sie einführen, die Republikaner hingegen lehnen dies ab.

Zuletzt ein Überblick, wie viele Regierungsbeamte in welchen Ressorts aufgrund des Shutdowns 2018/19 in den unbezahlten Urlaub nach Hause geschickt wurden (Quelle: The Guardian):

Homeland Security – 13 % von 232.860 Angestellten

Justiz – 17 % von 114.154 Angestellten

Landwirtschaft – 40 % von 95.383 Angestellten

Finanz – 83 % von 87.267 Angestellten

Innen – 78 % von 68.469 Angestellten

Transport – 34 % von 54.230 Angestellten

Wirtschaft – 87 % von 47.896 Angestellten

Umweltschutz Agentur – 95 % von 13.872 Angestellten

Wohnungs- und Stadtentwicklung – 95 % von 7.497 Angestellten

Lesetipps:

.) The Antideficiency Act Answer Book; William G. Arnold; Berrett-Koehler Publishers 2009

.) Die Finanz- und Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten William Jefferson Clinton 1993–2001; Ludovic Roy; Tectum Verlag 2003

.) The Restless Giant. The United States from Watergate to Bush v. Gore; James T. Patterson; Oxford University Press 2007

.) Encyclopedia of the Clinton Presidency; Peter B. Levy; Greenwood 2001

Links:

www.whitehouse.gov

www.justice.gov

www.state.gov

www.cbp.gov

www.usa.gov/budget

www.nationalpriorities.org

www.pgpf.org

– ultimatehistoryproject.com

– edition.cnn.com

www.nbc.com

www.theguardian.com

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