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Schweinswale – vom Aussterben bedroht

Die Landesstelle Ostseeschutz des Naturschutzbundes NABU schlägt Alarm:

Die Population geht stark zurück!“

(Dagmar Struß, Leiterin der Landesstelle Ostseeschutz des NABU)

Frau Struß macht sich besonders große Sorgen um die Schweinswale (Phocoenidae), dem „Tier des Jahres 2022“. Diese zählen zu den Wal-artigen (Cetacea) und sind somit Meeressäugetiere. Der gewöhnliche Schweinswal gehört zur Gruppe der Zahnwale – er ist der kleinste dieser Gruppe. Aufgrund ihrer Morphologie und Anatomie bilden sie eine eigene Familie und werden nicht den Delphinen zugeordnet, vielmehr jedoch den Delphinartigen. Der Schweinswal besitzt einen eleganten, spindel-förmigen Körper.

Dagmar Struß weiter: Alleine zwischen 2016 und 2022 ist die Zahl der gewöhnlichen Schweinswale (Phocoena phocoena) in der westlichen Ostsee von rund 42.000 auf etwa 14.000 Exemplare geschrumpft. Doch das ist noch längst nicht alles – zwischen Kattegat und Bornholmer Becken (innere Ostsee) wird der Bestand nurmehr auf zwischen 100 bis 1.000 geschätzt. Damit ist diese Tierart akut vom Aussterben bedroht! Die Verantwortung hierfür trägt einmal mehr der Mensch: Überfischung, Unterwasserlärm, Veränderungen des Lebensraumes, … Doch krepieren die meisten Tiere elendigst in den Stellnetzen: Sie verfangen sich in den Netzen, können zum Luftholen nicht mehr auftauchen und ertrinken. Als Beifang landen sie auf den Fischkuttern und werden zumeist wieder in die See geworfen. Die Wissenschaftler des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund fordern deshalb andere Fangmethoden. Bis dies allerdings umgesetzt würde, dürfte es kaum mehr Schweinswale in der Ostsee geben. Und hier stoßen die Meeresbiologen und Tierschützer auf eine durchaus starke Lobby: Die Fischindustrie! Erst in diesem Jahr bestätigte die EU die Fangquoten, wonach kleine Küstenfischer auch weiterhin auf diese Art Heringe fischen dürfen.

Doch betrachten wir uns die einzelnen Faktoren etwas genauer, da sie meist auch in der Hochsee-Fischerei ein Problem darstellen.

.) Unterwasserlärm

Wie an dieser Stelle bereits berichtet, nimmt dieser Lärm stets zu – vor allem, wenn es um den Abbau von Rohstoffen am Meeresboden geht. Wale und Delphine sind extremst lärmempfindlich. Für ihre Kommuni-kation und Orientierung verwenden Wale eine Art Biosonar (Echolokation) mit Klicklauten – erzeugt durch die „Phonischen Lippen“ (Frequenz von 130 kHz – weit außerhalb des menschlichen Schallbereiches). Die Laute breiten sich mit einer Geschwindigkeit von rund 1.500 m/sec aus. Das Echo nimmt der Schweinswal über den Unterkiefer auf. Hierdurch können sie miteinander kommunizieren, Hindernissen ausweichen und nicht zuletzt auch Beute ausmachen. Werden sie nun durch Schiffsschrauben, Windenergie-Rotoren oder gar Maschinen am Meeresboden gestört, tauchen sie zu ihrem Schutz an einer ruhigeren Stelle auf den Meeres-boden und verhalten sich still. Neben dem Sauerstoffmangel leidet auch ihre Ernährung darunter. Schweinswale nehmen täglich bis zu 10 % ihres Körpergewichtes an Nahrung auf. Viele der Kleinen Tümmler sind unter-ernährt. Dauert der Lärm an, verlassen sie ihren angestammten Lebens-raum.

.) Nahrungsangebot

Oftmals ist es die Überfischung durch Fischereiflotten, die den größeren Fischen oder Tieren die Nahrung praktisch wegfischen, so kommt in der Ostsee auch dem Klimawandel eine entscheidende Rolle zu: Schweinswale ernähren sich vornehmlich durch den Hering. Die Ostsee ist eines jener Meere, die sich am schnellsten erwärmen. Deshalb schlüpfen die Heringe früher, finden keine Nahrung und verhungern. Obwohl die Schweinswale über Zähne verfügen, wird die Beute mit dem Kopf voraus als Ganzes verschlungen. Die Zähne dienen nur dem Ergreifen der Beute.

.) Umweltverschmutzung

Es ist längst kein Geheimnis mehr: Die Ostsee droht zu kippen! 25 % des Meeresbodens gelten als biologisch tot! Nur alle 30 Jahre wird das gesamte Wasservolumen durch die Wasserzirkulation ausgetauscht. Somit bleiben all die menschlich verursachten Umweltverschmutzungen über Jahrzehnte hinweg in der Ostsee. Das betrifft einerseits die Ableitungen der Abwässer der Schiffe bzw. die Einleitungen von Abwässern vom Land aus, was zu einer Überdüngung der Ostsee führt. Andererseits die Verschmutzung durch Kunststoff aber auch Chemikalien. Auch hier spielt die illegale Giftmüllentsorgung eine entscheidende Rolle. Doch – wie ebenfalls an dieser Stelle bereits berichtet – wurden vornehmlich nach dem Zweiten Weltkrieg viele chemische Kampfstoffe zuhauf fassweise in der Ostsee entsorgt. Nervengifte, die nicht nur für den Menschen tödlich sind. Die Fässer sind inzwischen durchgerostet, wodurch immer mehr der Gifte freigesetzt werden. Sie reichern sich entweder in den Fischen an und kommen dadurch in die Nahrungskette oder führen etwa bei den Schweinswalen zu Fieber und Atemnot. Das Plastik reichert sich im Magen des Schweinswales an, er verhungert trotz vollen Magens.

Aus all diesen Mosaiksteinchen, werden sie zusammengefügt, ergibt sich nur eine einzige Möglichkeit für die Ostsee: Ein Nationalpark Ostsee!!! Und dies so rasch wie möglich, bevor es zu spät ist. Dadurch käme es zu keinem Unterwasserlärm, zu keinen Abwässern und zu keinen Chemikalien mehr. Das allerdings funktioniert nur im Ganzen, da ansonsten von den Umweltzerstörern auf jene Regionen ausgewichen wird, die nicht dezidiert geschützt sind. Durch die Strömungsverhältnisse wären weiterhin auch geschützte Regionen nicht wirklich geschützt! Experten warnen deshalb:

Gibt es keinen Schweinswal mehr in der Ostsee, gibt es auch keine Ostsee mehr.

Zuletzt (neben den bereits erwähnten) noch einige Daten zum Schweins-wal: Er wird rund 1,80 m lang, bis zu 75 kg schwer und bis zu 12 Jahre alt; er ernährt sich in der Ostsee vornehmlich von Heringen, Grundeln und kleineren Dorschen, in der Nordsee auch von Sandaalen und See-zungen.

Alfred Brehm beschrieb bereits 1877 den Lebensraum der „Braunfische“ (dunkler bis tiefschwarzer Rücken). Erstmals namentlich erwähnt wurden die Schweinswale 1935 durch die Hamburger Zoologin Erna Mohr, die davon berichtet, dass die „Schweinsfische“ zumeist in größeren Scharen schwimmen und sich recht häufig in der Umgebung von Fischkuttern aufhalten. In den 1980er Jahren wurde der Schweinswal in die Liste der bedrohten Tierarten aufgenommen.

Die Männchen werden bereits im Alter von ein bis zwei Jahren geschlechtsreif, die Weibchen mit 3 bzw. 4 Jahren. Die Paarungszeit läuft zwischen Mitte Juli bis Ende August. Der Wurf besteht aus einem Kalb mit bis zu sieben Kilogramm und 90 cm Länge. Die durchschnittliche Schwimmgeschwindigkeit liegt bei fünf bis sieben Stundenkilometern, für kurze Zeit können jedoch auch 22 km/h erreicht werden. Das Aus- und Einatmen findet zwei- bis viermal die Minute an der Wasseroberfläche statt und dauert gerade mal zwei Sekunden. Die Tauchtiefe liegt bei bis zu 60 m, in der kanadischen Bay of Fundy allerdings wurde ein Schweinswal auch in 226 m Meerestiefe beobachtet. Sehr interessant ist alsdann das Ruheverhalten der Schweinswale. Sie schlafen nicht an einem Stück, sondern legen mehrfach am Tag sekundenlange Dümpelphasen an der Wasseroberfläche ein.

Schweinswale kommen in vielerlei Arten auch in anderen Meeren vor: Der Kalifornische Schweinswal im Golf von Kalifornien (der „Vaquita“ gilt inzwischen als nahezu ausgestorben), der Burmeister-Schweinswal vor der Pazifikküste und der südlichen Atlantikküste Südamerikas, der Brillenschweinswal vor der südamerikanischen Atlantikküste und vor Südost-Australien; der gewöhnliche Schweinswal als Phocoena phocoena phocoena im Nordatlantik, als Phocoena phocoena relicta im Schwarzen und Asowschen Meer und als Phocoena phocoena vomerina im Nord-pazifik. Andere Gattungen im Indischen Ozean, dem Indo-Pazifik und dem nördlichen Pazifik bzw. im Yangtze-Fluss,

Natürliche Feinde sind nur verschiedene Haiarten oder Schwertwale. An angespülten Kadavern werden immer wieder Bissspuren von Kegelrobben entdeckt. Ob diese die Kadaver oder den lebenden Schweinswal anfressen, ist bislang nicht bekannt. Schweinswale wurden durch den Menschen jahrhundertelang gejagt – seit dem 1. Juli 1975 (Inkrafttreten des Washingtoner Artenschutzabkommens) ist diese Jagd zumindest in allen EU-Ländern verboten.

Lesetipps:

.) Die Schweinswale: Familie Phocoenidae; Gerhard Schulze; Westarp Wissenschaften 1996

.) Handbuch des Meeresnaturschutzrechts in der Nord- und Ostsee. Nationales Recht unter Einbezug internationaler und europäischer Vorgaben; H.-W. Louis; Springer 2012

Links:

www.deutsches-meeresmuseum.de

– schleswig-holstein.nabu.de

www.bfn.de

– www.deutschewildtierstiftung.de

www.stiftung-meeresschutz.org

www.greenpeace.de

www.wwf.de/

www.nabu.de

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