Health-Claims – Das Märchen von den gesunden Lebensmitteln
Samstag, August 16th, 2025Habe vor kurzem einen sehr interessanten Spruch gelesen, der zu 100 % zutrifft:
„Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht. Würde der Stadtmensch wissen, was er isst, wäre er gerne Bauer!“
Mal ehrlich: Wissen Sie, was so alles auf Ihren Tisch kommt? Lesen Sie immer die auf der Verpackung verpflichtend angegebene Liste der Inhaltsstoffe und Zutaten durch? Wenn ja, wird Ihnen seit einiger Zeit eines aufgefallen sein: In immer mehr Lebensmitteln sind Vitamine oder Mineralstoffe zugesetzt! Das hat auch seinen Grund: Das Produkt soll dadurch als gesund propagiert werden und sich alsdann besser verkaufen. Für solche sog. „Health-Claims“ gibt es inzwischen klare, aber nach wie vor auch noch unklare gesetzliche Vorgaben. So muss etwa eine Mindestmenge an Vitaminen und Mineralstoffen zugesetzt worden sein. Ob diese allerdings natürlich (etwa durch Obst oder Gemüse) produziert wurden, ist beispielsweise nicht gesetzlich geregelt. Der Ausdruck „natürlich“ ist nicht rechtlich geschützt! So werden beispielsweise immer mehr Vitaminverbindungen synthetisch hergestellt, die es im natürlichen Kreislauf gar nicht gab und niemals geben wird. Und Überraschung: Die meisten dieser synthetischen Vitamine kommen aus China, um genauer zu sein aus der sog. „Medikamentenstadt“ Zhangjiang in der Nähe von Shanghai. Dort arbeiten hundertausende Menschen unter bei uns verbotenen Bedingungen Akkord, nicht selten sieben Tage in der Woche. Andere Wirkstoffe werden durch gentechnisch veränderte Bakterien (GVO) gewonnen. Wo aber ist der Unterschied?
Synthetisch bedeutet stets Labor! Bei manchen Amino- und Carbonsäuren sowie Vitaminen lag dieser Labor-Anteil schon vor fast zehn Jahren (2006) bei nahezu 100%! Übrigens: Synthetisch erzeugte Wirkstoffe, die vor dem Jahr 1997 noch nicht auf dem Markt verfügbar waren, benötigen eine Zulassung durch die EU.
- Vitamin C wird grossteils aus der Synthese von Glukose, also Traubenzucker gewonnen.
- Vitamin A mittels Cracking (Umwandlung der lang- in kurzkettige Kohlenwasserstoffen) aus Roh-Öl bzw. -Benzin
- Vitamin D und K durch biotechnische Fermentation von Mikro-organismen, Pilzen bzw. der Hefe
Mit GVOs arbeitet, neben vielen anderen auch, zum Beispiel seit 2000 die DSM Nutritional Products (damals Roche Vitamin GmbH). Dort wird Vitamin B mit Hilfe des gentechnisch veränderten Bakteriums Bacillus subtilis produziert, ein stäbchenförmiges Bakterium, das im Jahr 2023 zur „Mikrobe des Jahres“ gewählt wurde. Andere Bakterien, die in der sog. „Weissen Biotechnologie“ verwendet werden sind etwa Escherichia coli, Pseudomonas denitrificans oder Propionibakterien. Diese GVOs allerdings dürfen nicht mehr als Verunreinigung im Endprodukt enthalten sein. So wurden etwa im Jahre 2018 antibiotika-resistente Bakterien in Tierfutter gefunden, die für die Produktion des Vitamins B-2 zum Einsatz gekommen sind. Schlimmstes Szenario: Ein Tier, das damit gefüttert wurde, erkrankt, kann aber nicht mehr behandelt werden, da es nicht mehr auf Antibiotika anspricht.
Wie bereits erwähnt, stammen die meisten dieser Wirkstoffe aus China, obgleich auch manches Mal Indien als Herkunftsland genannt wird. Dieses aber bezieht ebenfalls bis zu 70 % der Substanzen aus dem Reich der Mitte. Das hat fatale Konsequenzen, wie die gesamte westliche Welt während der Corona-Pandemie feststellen musste: Lieferengpässe en masse, auch wenn die Produzenten deutsche oder eidgenössische Konzerne sind, die aber in eigenen Werken in China oder Indien produzieren lassen! So sperrte Indien den Export, um genügend Medikamente für die eigene Bevölkerung zu haben. Engpass aber auch beim Vitamin C, das nahezu ausschliesslich in China produziert wird. Doch – über dieses Thema habe ich bereits an dieser Stelle geschrieben (Antibiotika!).
Sie selbst nun haben die Möglichkeit, all diese Zustände zu ändern: Seit dem 01. April 2020 müssen auf Nahrungsmittelergänzungen die Ursprungsländer der Primärzutaten angeführt sein. Boykottieren Sie Produkte aus China, wird dies wohl zu Änderungen im Marktverhalten der Konzerne führen!
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32006R1925&qid=1755320828630
Doch zurück zu den Health Claims! Falsche gesundheitsbezogene Versprechungen sind verboten – Health Claims (wie etwa “Hilft bei Kopfschmerzen und Migräne“, „Gute Laune, weniger Stress, eine tolle Ausstrahlung“, „Functional Water“ oder “Reich an Omega-3-Fettsäuren“) müssen durch die EU-Behörden genehmigt werden – derzeit sind über 270! Eines gleich vorweg: Derartige zugesetzte Nahrungsmittel-ergänzungen sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zumeist absolut sinnfrei, da einerseits die Versorgung mit Vitaminen in Mitteleuropa ausreichend möglich ist und andererseits die Wirkstoffe in solch geringen Mengen beigesetzt werden, sodass man zeitweise mehrere Kilo/Liter des entsprechenden Produktes essen bzw. trinken müsste, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Für den Konsumenten also oftmals unbrauchbar! Für die Produzenten hingegen umso wichtiger: Ab einer gewissen Konzentration des Wirkstoffes in einem Lebensmittel darf das Produkt als „gesund“ oder „gesund–heitsfördernd“ bezeichnet werden. Allerdings zeigte schon 2016 eine Studie der Organisation foodwatch auf, dass „90 % der mit Vitaminen beworbenen Lebensmittel ungesund sind“, da sie nicht den Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für ausgewogene Lebensmittel entsprechen! Untersucht wurden 214 Produkte in Deutschland und 430 in den Niederlanden, die mit dem Wort „Vitamine“ auf der Verpackung werben. Sie waren entweder zu süss, zu fettig oder zu salzig (190 in Deutschland und ¾ in den Niederlanden). So enthalten viele Frucht-gummis, die mit „gesund“ beworben werden, mehr als 50 % Zucker – gar nicht gesund! Unter den beanstandeten Produkten fanden sich auch grosse Namen wie Katjes, Coca Cola, Monster, Rockstar aber auch Müller Milch.
„Die Lebensmittelindustrie setzt hunderten Produkten für winzige Cent-Beträge künstlich Vitamine zu, um Süßigkeiten, Zuckergetränken oder anderem Junkfood einen gesunden Anstrich zu verpassen. Mit Vitaminwerbung werden Verbraucher bewusst in die Irre geführt und ihr Bemühen um eine gesunde Ernährung torpediert. Damit muss Schluss sein!“
(Michaela Kruse, foodwatch)
Die Hersteller von Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland, die Mitglied im Deutschen Lebensmittelverband sind, müssen ihre Produktion nach dem „Kodex ethischer Grundsätze für die Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung von Nahrungsergänzungsmittel“ ausrichten. Der wiederum richtet sich im Grossen und Ganzen nach dem „Food Supplements Guide to Good Manufacturing Practice for Manufacturer of Food Supplements“. Für Produkte aus dem Online-Versand ausserhalb der EU gilt dies selbstverständlich nicht! Hier kommt es schon mal vor, dass der Wirkstoff überdosiert ist.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt ausdrücklich davor, dass solche Nahrungsergänzungen kein Ersatz für eine ausgewogene Ernährung bei jungen Menschen darstellen.
Links:
- eur-lex.europa.eu
- food.ec.europa.eu/food-safety/labelling-and-nutrition/nutrition-and-health-claims/eu-register-health-claims_en
- webgate.ec.europa.eu
- www.gesundheit.gv.at
- www.bfr.bund.de
- www.dge.de
- www.lebensmittelverband.de
- www.beuc.eu/
- biooekonomie.de
- www.foodwatch.org/de